Der Berliner Senat hat zu Unrecht die Nennung der Vornamen von deutschen Messertätern verweigert. Das entschied der Verfassungsgerichtshof Berlin bereits am 13. Mai, wie jetzt bekannt wurde. Konkret geht es um die 20 häufigsten Vornamen von deutschen Staatsbürgern, gegen die wegen im Jahr 2023 begangener Messerangriffe ermittelt wurde.
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Marc Vallendar, rechtspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hatte vor einem Jahr von der Senatsinnenverwaltung Details zu Messerangriffen aus dem Jahr 2023 angefordert. Eine Frage lautete: „Gibt es bei den Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit eine Häufung bei Vornamen? Bitte die 20 häufigsten Vornamen detailliert aufschlüsseln.“
Doch die Senatsinnenverwaltung verweigerte erstmals die Auskunft und verwies auf die Persönlichkeitsrechte der Tatverdächtigen. Es bestehe ein hohes Risiko, dass einzelne Verdächtigen identifiziert und andere fälschlicherweise als verdächtig identifiziert werden. Weil der Senat sich sperrte, strengte Vallendar beim Verfassungsgerichtshof ein Organstreitverfahren an. Das Gericht stellte nun fest, dass der Senat das parlamentarische Fragerecht des Abgeordneten verletzt hat.
Knappe Mehrheit im Gericht und Sondervotum
Die Veröffentlichung von Vornamen sei zwar ein Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der persönlichen Daten, der den parlamentarischen Auskunftsanspruch begrenzen könne. Doch das von der Innenverwaltung vorgebrachte Identifizierungsrisiko für konkrete Einzelpersonen sei nicht plausibel. Die 20 häufigsten Vornamen beträfen nur einen kleinen Teil der 1197 Verdächtigen, die die Taten 2023 begangen haben sollen.
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Die vom Senat erst im Gerichtsverfahren vorgebrachte Sorge, deutsche Staatsbürger mit vermeintlichem Migrationshintergrund könnten pauschal abgewertet werden, konnte das Gericht nicht mehr berücksichtigen. Der Senat muss nun erneut entscheiden, ob er die Frage des Abgeordneten beantwortet. Eine mögliche weitere Ablehnung müsste er besser begründen.
Der Beschluss des Gerichts erging mit denkbar knapper Mehrheit von fünf zu vier Stimmen. In einem Sondervotum erklärten vier Verfassungsrichter, dem Senat sei es verfassungsrechtlich verboten, die häufigsten Vornamen deutscher Messertäter herauszugeben. Denn das sei diskriminierend und verletze die Menschenwürde, weil deutsche Staatsangehörige mit Vornamensstereotypen nach „ethnischen Kriterien“ differenziert würden. Die vier Richterinnen und Richtern waren auf Vorschlag von Grünen, Linken und SPD vom Abgeordnetenhaus gewählt worden.
Vallendar geht davon aus, dass der Senat die Liste der 20 häufigsten Namen jetzt herausgibt und damit zur jahrelangen Praxis zurückkehrt. „Missachtet der Senat die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes und verweigert eine Antwort auf dieselbe Frage, wird der Fall wieder vor Gericht landen“, sagte Vallendar. Bis 2024 sei die Frage nach den Vornamen deutscher Messertäter immer beantwortet worden. In den Vorjahren lauteten die 20 häufigsten Vornamen etwa Christian, Nico, Ali und Mohamed.
Die häufigsten Vornamen von Verdächtigen mit deutscher Staatsbürgerschaft bei Messerangriffen
- 2021: Alexander (11), Christian (8), David (7), Mustafa, Patrick, Daniel, Bilal, Dennis (alle 6), Paul, Kai, Michael, Kevin, Hussein, Justin, Leon, Ali (alle 5).
- 2022: Christian (9), Nico, Ali (8), Mohamed, Marcel, Alexander (alle 7), Michael, Justin, Kevin, Ibrahim, David (alle 6), Tobias, Mohamad, Mustafa, Thomas, Martin, Daniel (alle 5).
Die Zahl der Tatverdächtigen nach Messerangriffen steigt seit Jahren – dabei nimmt auch der Anteil nichtdeutscher Verdächtiger zu. 2021 waren es insgesamt. 2132 Verdächtige, davon 1030 mit deutscher und 1102 mit ausländischer Staatsangehörigkeit. 2022 wurden von der Polizei zu den Messerangriffen 2428 mutmaßliche Täter ermittelt, davon hatten 1194 die deutsche und 1234 eine ausländische Staatsangehörigkeit.
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2023 stieg die Zahl der Tatverdächtigen auf 2575, davon hatte 1197 die deutsche und 1378 eine ausländische Staatsangehörigkeit. Im vergangenen Jahr waren es 2532 Verdächtigen – davon 1471 Nichtdeutsche, 1061 Deutsche. Polizeipräsident Barbara Slowik Meisel hatte die Entwicklung mit diesen Worten beschrieben: „Zugespitzt formuliert: Nach unseren Zahlen ist die Gewalt in Berlin jung, männlich und hat einen nicht-deutschen Hintergrund. Das gilt auch für Messergewalt.“