Liebe Leserin, lieber Leser,
die
Halle für aktuelle Kunst, also die nördliche der beiden
Deichtorhallen zwischen dem Hauptbahnhof und der HafenCity, ist ein
geräumiges Ausstellungshaus. Fläche: 3.000 Quadratmeter, Höhe: bis
zu 20 Meter. Doch manchmal ist auch das noch fast zu klein.
Ab
heute ist dort eine Ausstellung zu sehen, die im Kern aus einem
einzigen Kunstwerk besteht, nämlich dem Wunderbild
von Katharina Grosse. Dieses Wunderbild
ist in seinen Ausmaßen so gewaltig, dass die Halle dafür umgebaut
werden musste: Die Trennwand zwischen Foyer und Ausstellungsraum kam
weg, die Kasse wurde nach links geschoben, vor den Bücherladen. Nur
so passte das Gemälde hinein.
Wobei
– „Gemälde“, das weckt vielleicht die falschen Assoziationen.
Was Katharina Grosse hier ausstellt, ist nicht flach und sauber
gerahmt. Denken Sie vielleicht besser an eine Schlucht aus Farben.
Links und rechts in der Halle hängen dreizehn Meter hohe, mit Farbe
besprühte Stoffbahnen, die sich am Boden noch stauchen und kräuseln.
Dazwischen kann man 60 Meter lang auf und ab flanieren und schauen.
Ich
durfte gestern bei einem Presserundgang schon mal in die Halle hinein
und musste an die abstrakten Expressionisten denken: In den
1940er-Jahren begannen amerikanische Künstler wie Jackson Pollock
und andere damit, Farben nicht mehr zu malen, sondern zu spritzen, zu
tropfen und zu schütten. Sie verzichteten auf Pinsel und auch auf
Bildinhalte im klassischen Sinne, sprengten die bis dahin üblichen
Größenformate der Malerei und erzeugten riesige Gemälde, in denen
die Farbe selbst der Inhalt war. Viele, auch etliche junge deutsche
Maler, waren davon überwältigt.
Katharina
Grosse, die 1961 geboren wurde, sagte
gestern:
„Ich
habe die Bildgrenzen nicht übertreten. Nicht: ›Huch, ich male ja
aus dem Rahmen raus!‹, sondern: ›Ich male in der Umgebung, in der
ich lebe.‹“ Sie
arbeitet dabei mit einem Sprühgerät, mit dem sie Flächen,
Gegenstände und ganze Räume mit Farbe überzieht. Ein toller neuer
Dokumentarfilm der Regisseurin Claudia
Müller zeigt, wie das aussieht, man kann ihn im Hinterzimmer der
Halle anschauen.
© ZON
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Im
Ergebnis hat das gewisse Ähnlichkeiten mit Graffiti. Aber
Graffiti-Sprüher schreiben ihre Namen an Wände oder
auf Lieferwagen (Z+), Grosse hingegen sprüht abstrakt, ohne Buchstaben und andere lesbare
Zeichen. Sie verglich das gestern mit einer italienischen Opern-Arie:
Die löst etwas im Zuhörer aus, selbst dann, wenn man kein Wort
Italienisch spricht, also gar nicht versteht, worum es geht. Auch
Grosse will ein Erlebnis schaffen, das keine Sprache braucht.
Das
Wort „Wunder“ im Ausstellungstitel Wunderbild
meint also womöglich gar nichts Göttliches, sondern etwas zutiefst
Menschliches: Man steht zwischen den farbigen Stoffbahnen und wundert
sich.
Weil das, was man da sieht, nicht zu fassen ist. Und dann, so wünscht
es sich die Künstlerin, kommt man darüber mit anderen ins Gespräch.
Kunst ist hier nichts Verkopftes oder Kompliziertes, sondern eine
sinnliche und soziale Erfahrung.
Nebenbei
erlebt man die Halle für aktuelle Kunst als das, was sie
ursprünglich mal war: kein Museum, sondern eine große Halle.
Allerdings eine große Halle, die hier an ihre Grenzen gerät.
Ich
wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Ihr
Oskar Piegsa
WAS HEUTE IN HAMBURG WICHTIG IST
© Marcus Brandt/dpa
Ein
judenfeindlicher Übergriff auf den
Antisemitismusbeauftragten Stefan Hensel
hat gestern Bestürzung und Anteilnahme in der Bürgerschaft
ausgelöst. Wie die Bild-Zeitung
zuerst berichtete, ereignete sich der Vorfall am 25. Mai. Demnach war
Hensel, der in seinem Auto an einer roten Ampel am Dammtorbahnhof
stand, von einem anderen Autofahrer als „Kindermörder“ und
„Scheiß-Israeli“ beschimpft worden. Zudem soll der Mann versucht
haben, das Auto, in dem sich Hensel und seine Tochter befanden,
abzudrängen. Der Anlass war dem Bericht zufolge ein
hebräischsprachiger Song, den Hensel im Auto hörte. Wie die Polizei
bestätigte, waren zufällig Beamte vor Ort. Die Ermittlungen wegen
des Verdachts der mutmaßlich politisch motivierten Beleidigung und
Nötigung laufen.
Die
Hamburger
Hafen und Logistik AG (HHLA)
baut trotz
des russischen Angriffskriegs
ihre Beteiligung an Terminals in der
Ukraine aus. Stimmt die ukrainische
Wettbewerbsbehörde zu, wird die HHLA 60 Prozent und damit die
Mehrheit an der Eurobridge Intermodal Terminal LLC im
westukrainischen Batiovo übernehmen, wie das Unternehmen mitteilte.
Die HHLA, die der Stadt und der weltgrößten Reederei MSC gehört,
betreibt bereits seit 2001 in Odessa einen Terminal mit drei
Liegeplätzen und sechs Containerbrücken. Der Bahnterminal in
Batiovo eigne sich ideal als Schnittstelle zwischen den europäischen
und ukrainischen Logistiknetzen.
Beim
Active City Day werden morgen vielfältige
Bewegungsveranstaltungen in der Stadt
angeboten. Auf dem Rathausmarkt gibt es zwischen 10 und 18 Uhr eine
Field-Goal Challenge mit den Hamburg Sea Devils, einen Kletterturm
des Deutschen Alpenvereins und einen Rollstuhl-Basketball-Parcours
des HSV e. V. Zusätzlich lädt von 12 bis 14.30 Uhr ein Trainer zu
kurzen Bewegungseinheiten ein. Eine Liste der rund 300 weiteren
Veranstaltungen gibt es auf der Website
des Aktionstags.
In aller Kürze
• Verteidigungsminister Boris Pistorius wird zum
ersten Veteranentag am 15. Juni in
Hamburg erwartet. Gemeinsam mit
Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD) wird er auf dem
Rathausmarkt an einem militärischen Appell teilnehmen •
Hamburgs Volkshochschulen (VHS) haben ihre Besucherzahl im
vergangenen Jahr auf einen Rekordwert
gesteigert. Insgesamt nahmen mehr als
113.000 Menschen an Veranstaltungen teil, das seien laut VHS fast
zehn Prozent mehr als im Jahr 2023 •
Im Wettbewerb um die künftige Gestaltung
der U5-Haltestelle Hauptbahnhof Nord
hat sich der gemeinsame Entwurf der Architekturbüros BLRM aus
Hamburg und Gottlieb Paludan Architects aus Kopenhagen durchgesetzt
THEMA DES TAGES
© Kiran West/Hamburg Ballett
Dirty Dancing
Am
Hamburg Ballett wird jetzt hinter der Bühne eine hässliche
Inszenierung sichtbar. Sind die Vorwürfe gegen den Intendanten Demis
Volpi eine Intrige? Und welche Rolle spielt sein Vorgänger John
Neumeier? Diesen Fragen gehen die ZEIT-Redakteure Stella Schalamon
und Florian Zinnecker nach; lesen Sie hier einen Auszug aus ihrem
Artikel.
Eine
gute Intrige erkennt man daran, dass man sie nicht mal erahnt. Und
dass sie niemanden beschädigt außer den, den sie treffen soll. Was
gerade am Hamburg Ballett geschieht, wäre nach diesen Kriterien:
eine echt miese Intrige.
Ein
Teil der Kompanie des Hamburg Balletts versucht seit Wochen, den
Intendanten Demis Volpi loszuwerden. Der sei inkompetent und
manipulativ, toxische Arbeitsatmosphäre, Ausrufezeichen. Ehe
überhaupt jemand nach Belegen oder Beweisen fragen konnte, war die
Bombe schon gezündet. Große Schlagzeilen, riesige Entrüstung.
Der
umstrittene Intendant Demis Volpi ist erst seit dieser Saison im Amt,
er folgte auf die Ballett-Legende John Neumeier, den Gründer der
Kompanie. Volpis Start in Hamburg lief erst mal sehr erfolgreich. Die
ersten Premieren, die Reaktionen des Publikums – Volpi schien
vieles richtig zu machen.
Was
ist in der Zeit danach passiert?
Versucht
man die Eskalation nachzuzeichnen, stößt man nicht nur auf die
Erzählung eines toxischen Ballettchefs, man stößt auch auf eine
Geschichte, in der ein Nachfolger kein Nachfolger sein darf, weil
sein Vorgänger versäumt, von der Bühne zu gehen. In der das Alte
gegen das Neue kämpft. Die Tradition gegen das Moderne.
Wie
es mit dem Nachfolger, der keiner sein darf,
bisher
weiterging,
lesen Sie in der ungekürzten Fassung
auf ZEIT ONLINE.
DER SATZ
© Alexander Hassenstein/Getty Images
„Doch
alle Ideen stehen unter einem Generalvorbehalt: Wollen die
Bürgerinnen und Bürger die Spiele überhaupt?“
Der
Wettkampf von vier deutschen Städten und Regionen um die
Olympia-Bewerbung hat begonnen, und auch Hamburg hat den Blick auf
die Zielgerade gerichtet. ZEIT-Redakteur
Christof Siemes beobachtet den Vierkampf.
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Für
ihr Porträtkonzert hat Elisabeth Leonskaja eine
„Carte blanche nach Absprache“ von der Hamburgischen Vereinigung
von Freunden der Kammermusik bekommen. Die Pianistin hat sie genutzt,
um ein Programm aus Werken von Schostakowitsch, Schubert, Mozart und
Schumann zusammenzustellen.
Wir
verlosen fünfmal zwei Karten für die Vorstellung am Sonntag, 15.
Juni, ab 20 Uhr im Großen Saal der Elbphilharmonie. Schreiben Sie
uns bis morgen, 12 Uhr, eine E-Mail mit dem Betreff „Leonskaja“ an
hamburg@zeit.de. Die Gewinner werden von uns direkt benachrichtigt.
Viel Glück!
MEINE STADT
Blick über die Elbe © Biggi Klier
HAMBURGER SCHNACK
Beim
Kirchenkaffee erzähle ich von meiner neuen Rolle als Raupe bei Alice
im Wunderland, dem diesjährigen
Weihnachtsmärchen. Ich setzte mich in Meditationspose und spreche
das „Ooohm“ in Wiederholung. Joachim: „Du bist ja schon ganz
textsicher!“
Gehört
von Rosemarie Tabiou
Das war
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