Neulich ist das Tiefdepot des Germanischen Nationalmuseums eröffnet worden, ein Riesending, die „größte Baumaßnahme in diesem Jahrhundert“ für dieses auch international bedeutende Haus. Und natürlich kommt da auch Bayerns erster Bürger. Oh, oder etwa doch nicht? „Ministerpräsident Markus Söder hat seine Teilnahme wieder abgesagt“, ließ das Forschungsmuseum kurz zuvor wissen.
Gut, der Mann kann sich nicht teilen, Termine, Termine. Andererseits ist Söder nicht dringend verdächtig, geeignete Foto-Anlässe einfach so (und ohne bekannt gewordenen Ersatztermin) an sich vorüberziehen zu lassen. Eher im Gegenteil. Aber mein Gott, könnte man entgegnen: ein Depot eben, was soll man da groß fotografieren? Markus Söder, wie er schreitet durch tief in die Erde gebuddelte, klinisch anmutende Kunstaufbewahrungsräume, denen sie selbst im Museum den optischen Charme einer Tiefgarage nachrühmen? Will das einer sehen?
Blick in einen der Tiefdepoträume in Nürnberg. (Foto: Olaf Przybilla)
Gut, und dann besucht man Rotterdam und dort wiederum das, was so ziemlich alle Rotterdam-Gäste besuchen: ja doch, ein Kunst-Depot. Im Grunde also exakt dasselbe wie in Nürnberg. Nur dass dort die Werke des Museums Boijmans Van Beuningen ausgelagert sind – und das alle sehen dürfen und übrigens auch alle sehen wollen. Einfach so besuchen, dieses hoch spektakuläre und öffentlich zugängliche Schaulager der Kunst? Kann man vergessen. Dazu braucht es einen gebuchten Slot, der immensen Nachfrage wegen.
Blick ins Depot des Museums Boijmans Van Beuningen in Rotterdam. (Foto: Olaf Przybilla)
Zur Wahrheit gehört, dass mancher spottet über die verspiegelte Hülle dieses Depots als befremdlich in Szene gesetzte Riesensalatschüssel; andere wiederum halten diese Architektur für ikonisch. Keiner freilich wird bestreiten können, dass dieses Haus maximal instagrammable ist. Würde ein Museumschef auf die Idee kommen, einen solchen Bau in Bayern ohne hinreichend gedehnten Fototermin für Markus S. zu eröffnen – so hätte der Mann vermutlich keine größeren Karrierepläne mehr.
Natürlich hatte man den Fall Rotterdam auf dem Schirm, ist am Nationalmuseum in Nürnberg zu hören. Aber um Ähnliches zu bauen, hätte man für so ein allgemein zugängliches Schaulager – in dem man Restauratoren bei der Arbeit zuschauen und nebenher fantastische Kunst genießen kann – wohl einen Platz außerhalb des Stadtzentrums suchen müssen. Was mit mehr Aufwand für Logistik und mehr Aufwand für Sicherheit verbunden gewesen wäre. Und also wurde, um den schönen Klosterhof im Museumsareal nicht in Mitleidenschaft zu ziehen, das neue Depot (mit nicht geringem Aufwand) auf fünf Etagen darunter verbuddelt.
Klingt erst mal nachvollziehbar. Andererseits: Wurde in Nürnberg, wo das größte kulturgeschichtliche Museum im deutschsprachigen Raum unentwegt um die ihm zustehende Aufmerksamkeit ringt, nicht doch eine kolossale Chance vertan? Wer in Rotterdam war, wird darauf nur eine vernünftige Antwort finden können.