Schon am Dienstag hatte der Deutsche Wetterdienst (DWD) vor „extremen Unwettern“ in Bayern gewarnt – für den Mittwoch. Vom frühen Nachmittag an sollten Gewitter und Starkregen über den Freistaat ziehen und Orkanböen sowie gewaltige Hagelkörner mit bis zu zehn Zentimetern Durchmesser mit sich bringen. Ganz so schlimm ist es dann an den meisten Orten doch nicht gekommen, doch die zwei größeren Gewitterzellen, die am Mittwochabend schließlich über den Freistaat hinweggezogen waren, sorgten trotzdem für mehr als 200 Einsätze von Polizei und Feuerwehr.
Nach Angaben der Polizeipräsidien waren die Kräfte dabei vor allem wegen umgeknickter Bäume und vollgelaufener Keller im Einsatz. Betroffen waren demnach das nördliche Oberbayern, Niederbayern, die Oberpfalz und Schwaben. Eine Passagiermaschine geriet zudem in derart heftige Turbulenzen, dass sie zu einer ungeplanten Landung am Flughafen Memmingen gezwungen war.
Der Ryanair-Flug von FR8 aus Berlin auf dem Weg nach Mailand musste in Memmingen eine Sicherheitslandung vornehmen. (Foto: Imago/Lisa Willert)
Laut Polizei handelte es sich bei der Maschine um den Ryanair-Flug FR8 mit 179 Passagieren und sechs Crew-Mitgliedern, der von Berlin nach Mailand unterwegs war. Sieben Passagiere und ein Besatzungsmitglied wurden verletzt. Drei von ihnen mussten zur Behandlung ins Krankenhaus: Ein zweijähriges Kind trug Prellungen davon, eine Frau eine Kopfplatzwunde, eine andere Passagierin klagte über Rückenschmerzen.
Da das Luftamt Südbayern einen Weiterflug nicht genehmigt habe, organisierte die Fluggesellschaft zunächst Busse für die Weiterreise, wie es von der Polizei in der Nacht hieß. Die meisten Passagiere seien noch in der Nacht nach Mailand gereist. Am Morgen habe es zudem einen Ersatzflug gegeben.
In Regensburg wurde ein Campusfest mit Tausenden Besuchern vorsorglich abgebrochen, wie das Polizeipräsidium Oberpfalz bestätigte.
Das Nations-League-Halbfinale in der Münchner Arena wurde wegen des Unwetters zehn Minuten später angepfiffen. (Foto: Imago/Wolfgang Maria Weber)
Den Fußballfans und der Nationalelf verhagelte es den Start des Spiels gegen Portugal in München: Das Nations-League-Halbfinale begann zehn Minuten später als geplant. Zuvor hatte Hagel die Torhüter der deutschen Nationalmannschaft beim Warm-up vom Platz getrieben.
Torwart Oliver Baumann sucht Schutz vor dem Hagel. (Foto: IMAGO/Ulmer/Teamfoto)
Auch andernorts hatte das Unwetter Folgen: In Manching (Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm) stieß ein Fahrradfahrer laut Verkehrspolizei gegen einen über der Straße hängenden Baum, der zuvor durch das Unwetter umgeknickt war. Der 61-Jährige stürzte demnach vom Rad und verletzte sich. Auf der Autobahn 8 in Richtung München wurde ein Mensch laut Polizeipräsidium Oberbayern Nord bei einem Unfall in Folge von Aquaplaning leicht verletzt.
Im Zusamaltheim im schwäbischen Landkreis Dillingen an der Donau stellte das Unwetter eine Party-Gemeinschaft vor Herausforderungen: Ein Sturm deckte die Plane für ein am Wochenende aufgebautes Zelt ab, wie ein Polizeisprecher sagte. Dabei sei ein hoher Schaden entstanden, der jedoch zunächst nicht beziffert werden konnte.
Im Norden Oberbayerns und in der Oberpfalz gab es jeweils etwa 50 Feuerwehreinsätze wegen des Unwetters, in Niederbayern knapp 40. Die meisten beschränkten sich laut Polizei aber auf vollgelaufene Gullys, umgeknickte Bäume oder feuchte Keller. Verletzte gab es nach ersten Erkenntnissen nicht.
Typische Wetterlage, trotzdem gefährlich
Laut vorläufigen Daten des DWD wurden in Langquaid im niederbayerischen Landkreis Kelheim Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde gemessen. Am stärksten regnete es vorläufigen Daten zufolge in Zwiesel im niederbayerischen Landkreis Regen und in Regensburg in der Oberpfalz mit jeweils etwa 26 Litern pro Quadratmeter. In der oberbayerischen Gemeinde Schöngeising (Landkreis Fürstenfeldbruck) fielen zudem die laut den vorläufigen Daten größten Hagelkörner mit Durchmessern von etwa sieben Zentimetern.
Nach Angaben des Informationsdienstes Aldis/Blids war der Mittwoch zudem der bisher blitzreichste Tag des Jahres mit 1681 Erdblitzen. Verglichen mit den Vorjahren ist dies ein hoher, aber nicht extremer Wert. Blitze in den Wolken wurden dabei nicht gezählt. Mehrfache Entladungen innerhalb eines Blitzes – Beobachter nehmen dies als Flackern wahr – zählen nur als ein Blitz.
SZ Bayern auf Whatsapp
:Nachrichten aus der Bayern-Redaktion – jetzt auf Whatsapp abonnieren
Von Aschaffenburg bis Berchtesgaden: Das Bayern-Team der SZ ist im gesamten Freistaat für Sie unterwegs. Hier entlang, wenn Sie Geschichten, News und Hintergründe direkt aufs Handy bekommen möchten.
Die Unwetter befanden sich zunächst über Baden-Württemberg, über Ulm ergoss sich eine kurze, heftige Gewitterfront, die sich weiter Richtung Bayern bewegte. Die stärkste Gewitterzelle bewegte sich hier rund 20 Kilometer nördlich des Ammersees, nördlich von Freising und Landshut Richtung Bayerischem Wald. Dass vor „extremem Unwetter“ schon so frühzeitig gewarnt wurde, habe mit der Wetterlage zu tun gehabt, sagt Jens Kühne, Meteorologe beim DWD in München. „Bei den Gewitterlagen besteht erhebliche Gefahr, aber oft sehr lokal und nicht großflächig.“
Dieses Wetter ist für den Sommer typisch und wird mit Beschleunigung des Klimawandels typischer, so der Meteorologe. Feuchtwarme Luft steigt hoch, sogar der Regen wird hochgeweht und trifft auf Kälte in der Höhe. „Das kommt dann als Hagel runter.“ Wie man die Größe der Hagelkörner genau vorhersagen kann? Das seien Erfahrungswerte bei immer wiederkehrenden Wetterlagen, sagt Kühne, gestützt von den Computermodellen.
Und wie geht es weiter?
Zunächst bleibt es in Bayern sehr wechselhaft, stürmisch und feucht, „es ist außergewöhnlich schwül“, so der Meteorologe. Unwetter stehen aber zunächst nicht an. Von Samstag auf Sonntag gebe es im Süden des Freistaats Dauerregen, am Pfingstmontag wird das Wetter besser. „Dann allerdings wird es eher kühl, die 20 Grad erreichen wir nicht mehr.“