Mordprozess beginnt fast 30 Jahre nach der TatEndlich Gerechtigkeit in Cold Case? Familienvater verblutet nachts in Bochum
Der Mann war in Großbritannien festgenommen worden.
Christoph Reichwein/dpa5. Juni 2025 um 17:12 Uhr
von Julian Schlauch und Johanna Grewer
Der Täter schleicht sich von hinten an und sticht zu.
Am 2. März 1996 stirbt ein 55 Jahre alter Familienvater im Bochumer Stadtteil Wattenscheid. Fast 30 Jahre lang ist unklar, wer ihn in der Nacht angreift und ihm ein Klappmesser in Schulter, Brust, Gesicht und schließlich ins Herz rammt – bis jetzt. Vor dem Landgericht Bochum muss sich nun ein 59 Jahre alter Pole verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er der Killer von damals ist.
Angeklagter und Todesopfer kannten sich nicht
Die Anklage lautet auf Mord – alles andere wäre nach so langer Zeit schon verjährt. Warum sich der Angeklagte ausgerechnet an den 55-Jährigen heranschlich und so lange auf ihn einstach, dass er verblutete, ist unklar. Der Angeklagte und das Todesopfer sollen sich nicht gekannt haben. Es gebe keine Verbindung zwischen den beiden Männern, bestätigt auch Strafverteidiger Stephan Schultz im RTL-Interview.
„Der Angeklagte hat sich sein Opfer wahllos ausgesucht, um einen Menschen zu töten“, heißt es in der Anklage. Der heute 59-Jährige habe damals ein Kiosk in Bochum betrieben.
DNA-Spur führt zur Festnahme in Großbritannien
Ein Polizeibeamter, der damals als einer der Ersten am Tatort war, erinnert sich bei seiner Zeugenvernehmung am Bochumer Landgericht so: „Die Person blutete aus dem Mund und aus der Nase. Die Augen waren geöffnet und starr. Ein fühlbarer Puls war nicht mehr vorhanden.“
Die Ermittler fanden damals zwar die Tatwaffe, an der auch DNA-Spuren gesichert werden können, trotzdem tappte die Polizei Jahrelang im Dunkeln. Erst nach einem europaweiten DNA-Abgleich wird der 59-Jährige im Sommer 2022 in Großbritannien festgenommen und im Januar 2025 nach Deutschland ausgeliefert.
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Familie des toten Vaters hofft auf Gerechtigkeit
Die Witwe und die Kinder des Opfers sind zum Prozessauftakt im Saal anwesend. Der Prozess sei für die Familie einerseits mit der Hoffnung verbunden, dass es endlich Antworten auf die seit Jahrzehnten ungeklärten Fragen geben könnte. Andererseits sei es auch eine große Belastung für die Angehörigen, dem Angeklagten gegenüberzutreten, erklärt Nebenklagevertreterin Hanna Klee.
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Ob es für die Familie des Toten nach fast 30 Jahren jetzt endlich Gerechtigkeit gibt, ist unklar. Der Angeklagte schweigt vor Gericht. Er bestreite die Vorwürfe, teilt sein Verteidiger mit. „Das DNA-Bild ist sehr schwierig zu bewerten“, so Schultz am Rande des Prozesses. Es handele sich vielfach um Mischspuren. Er arbeite auf einen Freispruch für seinen Mandanten hin.
Wenn dem Angeklagten kein Mord nachgewiesen werden kann, würde er aber ohnehin straffrei davonkommen. Totschlag wäre nach 30 Jahren bereits verjährt. Die Richter haben für den Prozess Verhandlungstage bis Ende August angesetzt. (mit dpa)