Stand: 06.06.2025 06:00 Uhr

Leuchttürme trotzen Sturm und Wetter. Sie haben etwas Erhabenes und sind deshalb besonders. In Südfrankreich hat gerade ein Leuchtturm-Gemälde von Banksy Kunst-Fans elektrisiert. Was soll uns die Inschrift sagen?

von Claudia Christophersen

Leuchttürme sind ein Fels in der Brandung, sind sichere Wegweiser für alle, die bei Dunkelheit, Nebel oder Nacht den Weg in den Hafen suchen. Schon in der Antike wurden Leuchttürme gebaut, das wohl älteste und höchste Modell mit bis zu 160 Metern soll der Pharos von Alexandria sein, als jüngstes der sieben Weltwunder deklariert. Lange her, fast 300 Jahre vor Christus gebaut, längst kaputt, durch Erdbeben zerstört, immer wieder umgebaut und verbaut.

Leuchttürme: Überreste einer vergangenen Zeit

Claudia Christophersen © NDR Foto: Christian Spielmann


Kolumnistin Claudia Christophersen ist Leuchtturm-Fan.

Heute, im Zeitalter von Technik und Digitalisierung, werden die alten Leuchttürme seltener. Als Überreste einer vergangenen Zeit sind sie mit ihren oft grellrot-weißen Ringen sehenswürdige, bunte Bauwerke der Meere und Gewässer. Was werden sie nicht alles erlebt haben? Unwetter, Ungeheuer, die ganze Ungewissheit des Meeres.

Einer dieser Türme steht mitten in der Nordsee zwischen Wangerooge, Bremerhaven und Helgoland. Der „Rote Sand“, so sein poetischer Name, ist auf einer mit rotem Muschelkalk besetzten Sandbank gebaut und war damals, 1885, höchste Ingenieursbaukunst.

Der „Rote Sand“: Wird der alte Leuchtturm gerettet?

Nun ist der „Rote Sand“ nach 140 Jahren baufällig, marode und dringend sanierungsbedürftig. Als Leuchtfeuer im Dunkeln nicht mehr aktiv, ist er nur noch sogenanntes Tagessichtzeichen. Zu wenig Bedeutung und Funktion bei Geldknappheit und leeren Kassen. Zeichen der Zeit. Brücken sind marode, Gleise kaputt, Straßen holprig. Die Infrastruktur in Deutschland ist porös geworden.

Dem alten Leuchtturm im Meer will man trotzdem helfen. Tatsächlich könnte der „Rote Sand“ versetzt werden, aus dem Meer raus, hin aufs Land. Wilhelmshaven, Bremerhaven, Hooksiel, Fedderwardersiel stehen Schlange und wollen den alten Turm in Obhut nehmen.

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Der Leuchtturm Roter Sand in der Nordsee war das erste Offshore-Bauwerk weltweit. Die Konstruktion war eine kühne Ingenieursleistung und für das deutsche Kaiserreich ein Symbol des technischen Fortschritts. Für die Seefahrer war der Leuchtturm das wichtigste Seezeichen zur Ansteuerung der Wesermündung und für die Auswanderer aus Bremerhaven der letzte Gruß an die alte Heimat. Nach der Stilllegung rettet ein Förderverein den Sehnsuchtsort vor dem Zerfall. Er kann in den Sommermonaten besucht werden. © NDR/Gruppe 5 Filmproduktion GmbH

Seit 1885 trotzt der Leuchtturm Roter Sand den Stürmen der Nordsee in der Deutschen Bucht zwischen Bremerhaven und Helgoland.
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Banksys Leuchtturm gibt zu denken

Ein anderer Leuchtturm hat gerade zumindest Kunst-Fans elektrisiert. Ein Post ging viral und machte nervös. Banksy hat wieder gesprüht: nicht in London. Wir erinnern uns an die Tierserie vom vergangenen Sommer mit Pelikan, Affen oder Nashorn. Dieses Mal wurde Banksys Kunst in Südfrankreich entdeckt, an einer Wand in Marseille. Ein Schablonenbild mit Leuchtturm und Leuchtfeuer, präzise, der Schatten haargenau in der Verlängerung eines Pollers. Originell, aber noch nicht sensationell.

Zu denken gibt der Satz, der dem Bild beigegeben ist: „I want to be what you saw in me“ – „Ich möchte sein, was du in mir gesehen hast“. Was will der geheimnisumwobene Banksy damit sagen? Das Tempus irritiert: „gesehen hast“? Was meint er damit? Meint er seine Kunst? Oder meint er die vom Leuchtturm gesendeten Botschaften? Oder beides? Will Banksy vielleicht sagen: Baut die Leuchttürme nicht ab, stellt sie nicht woanders hin, topft sie nicht um wie Blümchen, die ein- und auspflanzbar sind? Achtet auf sie! „Ich möchte sein, was du in mir gesehen hast.“ Manche Sätze sind nicht abschließend zu klären. Also, weiter drüber grübeln!

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie diese Kolumne geben die persönliche Sicht der Autorin wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sie sich bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur |
NachGedacht |
06.06.2025 | 10:20 Uhr

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