Berlin – Noch eine knappe Woche bis zum Konzert von Bruce Springsteen und der E Street Band am 11. Juni im Olympiastadion – aber vor dem Gelände läuft längst ein anderes Spektakel: der sogenannte „Roll Call“.
Seit Tagen treffen sich Hardcore-Fans vor dem Stadion, um sich ihre Plätze im begehrten Front-of-Stage-Bereich zu sichern. Der Trick: Wer sich früh anmeldet und dann konsequent zu festen Uhrzeiten wieder erscheint, darf am Konzerttag ganz vorn stehen. Dafür organisieren sie ihr eigenes, streng strukturiertes System: den Roll-Call.
So funktioniert das Roll-Call-System
Es beginnt alles mit einer Liste: Wer zuerst kommt, wird zuerst eingetragen – mit einer Nummer, die auf die Hand geschrieben wird. Diese bestimmt später den Einlassplatz. Nur wer ein Front-of-Stage-Ticket (189 Euro) besitzt, darf überhaupt mitmachen.
Dreimal täglich (10 Uhr, 15 Uhr, 19 Uhr) müssen sich alle Teilnehmer persönlich bei der Liste melden. Wer einmal fehlt, verliert seinen Platz und muss sich ganz hinten anstellen. Vertretungen sind tabu.
Zu diesen drei Uhrzeiten wird täglich durchgezählt
Foto: Olaf Wagner
Ella Spormann (48) aus Kassel ist Springsteen-Fan seit der fünften Klasse und die Nummer 1 auf der Liste. „Ich war am Samstag noch in Marseille beim letzten Konzert, bin dann ein paar Minuten zu Hause gewesen und direkt nach Berlin gefahren.“
Roll Call am Olympiastadion: Ella Spormann ist die Erste auf der Liste
Foto: Olaf Wagner
In Marseille hatte die Roll-Call-Liste 800 Teilnehmer. In Berlin sind aktuell 45 Namen eingetragen. Bis zu 900 werden erwartet.
Am Sonntagabend war sie da – und plötzlich im Orga-Team für den Roll Call. „Wir haben dann zusammen alles aufgestellt: Listen, Bändchen, Stifte, Campingstühle. Ganz improvisiert, aber es funktioniert.“
Nacheinander werden alle Nummern aufgerufen, um zu checken, dass die Personen auch wirklich da sind
Foto: Olaf Wagner
Die Infos zum Roll Call verbreiten sie über Facebook. Mittlerweile läuft alles Hand in Hand mit der Security, die die Rollcaller kennt, ihnen einen eigenen Wartebereich zuweist und sie am Konzerttag als Erste ins Stadion führt – in Listen-Reihenfolge.
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Elektriker Jörg Mehlow (54) aus Königs Wusterhausen ist Nummer 2 auf der Liste. Er war 1988 schon beim legendären Springsteen-Konzert in Ost-Berlin auf der Radrennbahn Weißensee mit 200.000 Menschen dabei.
Jörg Mehlow war 1988 beim Springsteen-Konzert in Ost-Berlin dabei. Seitdem tourt er für Konzerte um die ganze Welt
Foto: Olaf Wagner
„20 Ostmark hat das damals gekostet. Heute nehme ich vier Wochen Urlaub, um sechs Konzerte mitzumachen.“ Jörg hilft mit bei der Organisation, druckt Listen aus, sorgt für Ordnung. „Es ist ein bisschen verrückt – aber das gehört dazu“, sagt er.
Warum der ganze Aufwand? „Weil es der Boss ist“, sagt Ella. Und: „Weil wir alle ein bisschen bekloppt sind – im besten Sinne.“