Das Kanzler-Team war nervös, doch am Ende ist für Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch in Washington alles glattgelaufen: US-Präsident Donald Trump hatte viele warme Worte für den deutschen Kanzler übrig.

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„Friedrich Merz trifft Donald Trump – Duell oder Duett?“, fragt Maybrit Illner ihre Gäste im ZDF.

Die Gäste

Zu Gast sind Außenminister Johann Wadephul (CDU), Diplomat Wolfgang Ischinger, „Zeit“-Journalistin Mariam Lau, Wirtschaftshistoriker Adam Tooze sowie der ZDF-Studioleiter in Washington, Elmar Theveßen.

Merz musste nicht brutzeln

Gleich die erste Frage bietet Außenminister Wadephul eine Steilvorlage, seinen Chef Friedrich Merz zu loben. „Sie bezeichnen das natürlich als Granatenerfolg?“, spricht Illner den Minister auf die Reise des Kanzlers an.

„Naja, das war ein guter Auftakt“, bleibt Wadephul seiner norddeutschen Art treu. „Es hat nicht mit allzu viel ‚great‘ begonnen, sondern mit viel Respekt.“

„Wir nennen diese Szene im Oval Office mittlerweile ‚grill or chill‘“, erzählt Elmar Theveßen, ZDF-Studioleiter in Washington. „Entweder wird man gegrillt, oder man kann sich entspannen.“ Merz war folglich einer der Glücklichen.

Wir nennen diese Szene im Oval Office mittlerweile ‚grill or chill‘.

Elmar Theveßen, ZDF-Studioleiter in Washington

Sie freue sich, „dass keinerlei Unterwerfungsgesten da im Spiel waren“, sagt die Journalistin Mariam Lau. „Herr Merz ist nicht auf Knien in das Oval Office gerückt.“ Trotzdem habe Trump dort eine dominante Rolle eingenommen, ergänzt Wirtschaftshistoriker Adam Tooze: „In dieser Situation war er der Chef.“

Wolfgang Ischinger vollendet die Einigkeit in der Runde. „Dieser Besuch hat den Hauptzweck erreicht“, sagt der Diplomat. Merz sei es gelungen, ein „persönliches Verhältnis“ zu Trump aufzubauen.

Europa als Feind der USA?

Zügig ist die Kanzlerreise abgefrühstückt, es soll um Wichtigeres gehen. Der Moderatorin gelingt es, in der kurzen Sendung mehrere relevante Fragen wenigstens anzureißen. Von Wadephul möchte sie etwa wissen, wie man mit einem US-Außenminister umgeht, der Deutschland als „Tyrannei“ bezeichnet.

„Man konzentriert sich auf das Wesentliche“, entgegnet der CDU-Politiker. Wie man mit US-Zöllen oder Irans Atomprogramm umgehe, „das sind wichtigere Fragen, als derartige Fragen, was in so einem Tweet oder Post drinsteht.“

Trump habe Merz nicht mit AfD-Narrativen behelligt, stellt Ischinger erfreut fest. „Ihm ist dieses kulturkämpferische Thema im Grund egal“, erwidert Mariam Lau. Trotzdem bezeichne das US-Außenministerium die Europäer als „Feinde der westlichen Zivilisation“, sagt die Journalistin. „Europa wird nicht nur denen egal, sondern wirklich zum Feind.“

„Dem möchte ich nun wirklich definitiv widersprechen“, empört sich Wadephul. In Sachen Nahost, Iran oder die Ukraine gebe es mit den Amerikanern ein gemeinsames Wertefundament, so sieht es der Außenminister.

Die USA schicken Freiheits-Kontrolleure

Gegenteiliges berichtet US-Korrespondent Theveßen, der die Sendung mit vielen treffenden Einschüben aufwertet. Die US-Regierung habe ihren Kulturkampf „institutionalisiert“, sagt er. Die Amerikaner hätten bereits Delegationen nach Europa entsandt, die beispielsweise prüfen sollen, ob Abtreibungsgegner in Großbritannien unterdrückt würden.

Es habe Methode, einerseits zivilisierte Gespräche auf Ministerebene zu führen und andererseits ideologisch aufzurüsten, erklärt Tooze. „Letztendlich bleibt dann bei Trump eine große Entscheidungsfreiheit. Er kann sich aussuchen, welche Linie er bedient.“

Fünf Prozent Militärausgaben – ein Skandal?

Wadephul möchte Deutschlands Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP steigern. „Ist Ihnen bewusst, was sie dem Land damit zumuten?“, fragt Illner. „Ja, selbstverständlich“, beteuert Wadephul. „Das ist nicht irgendeine Fantasiezahl.“ Theveßen widerspricht: von fünf Prozent sei erst die Rede, seit Trump das gefordert habe.

Diplomat Ischinger schlägt sich auf Wadephuls Seite. Über dessen Fünf-Prozent-Vorstoß ist der ehemalige US-Botschafter regelrecht begeistert: „Ich fand das taktisch und politisch außerordentlich geschickt.“ Wadephul nickt andächtig.

Es ist wirklich ein Skandal.

Adam Tooze, US-Wirtschaftshistoriker, über die mangelnden Strukturreformen bei der Bundeswehr

Als die Kritik am Nato-Ziel nicht nachlässt, wird Ischingers Ton schärfer. „Ich bin mit dem Verlauf der Diskussion wirklich nicht einverstanden“, beschwert er sich. Dass Deutschland nur den USA zuliebe seine Verteidigungsausgaben erhöhe, „ist doch wirklich dummes Zeug“, sagt der Diplomat. „Wir machen das doch für uns selbst.“

Tooze stellt die zusätzlichen Militärausgaben grundsätzlich infrage. „Die zentrale Frage muss sein: Warum reicht das Gegenwärtige nicht?“ Ohne Strukturreformen brächten auch Milliardensummen wenig, das habe man bei der Bundeswehr gesehen: „Es ist wirklich ein Skandal.“

Wadephul lässt erkennen, wie wenig er mit Baerbock gemein hat

In einem aufschlussreichen Moment grenzt sich der Außenminister indirekt, aber umso deutlicher von der Politik seiner Vorgängerin ab. „Am Ende gilt der alte Satz von Bismarck: Außenpolitik ist Interessenpolitik“, zitiert Wadephul den ersten deutschen Reichskanzler, als es um China geht.

Annalena Baerbock wäre so ein Satz, zumal mit Bezug auf die Kaiserzeit, wohl kaum über die Lippen gekommen. Während sie eine wertegeleitete Außenpolitik hochhielt, stellt Wadephul nun Interessen ins Zentrum.

Was gefehlt hat

Leider bleibt manches aus, was nahe läge. Statt gegen Ende der Sendung wieder einmal die leidige Taurus-Debatte zu führen, hätte die Moderatorin den Columbia-University-Professor Tooze zur Lage der von Trump bedrängten US-Universitäten befragen können. Das wäre sicher ergiebiger gewesen.

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Für eine Talkshow hat die Sendung vor Inhalt dennoch regelrecht gestrotzt. Was Illner am Ende bilanziert, stimmt allerdings nicht: „Sie sind in einer unendlichen Übereinstimmung hier heute Abend, das ist erschreckend deutlich geworden.“