Nur wenige Schritte vom Gimritzer Damm entfernt, verborgen hinter unscheinbarer Vegetation existierte einst eine regelrechte „Stadt in der Stadt“: das Gelände der Bezirksverwaltung Halle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Am Dienstag, dem 10. Juni 2025, bietet um 17 Uhr sich interessierten Bürgerinnen und Bürgern die seltene Gelegenheit, dieses Areal im Rahmen einer geführten Außengeländetour näher kennenzulernen.
Die Veranstaltung, die in den Sommermonaten die reguläre Archivführung des Stasi-Unterlagen-Archivs Halle ersetzt, beginnt mit einem kurzen Einblick in die Arbeit des Archivs. Anschließend führt ein Rundgang über das weitläufige Gelände, das zu DDR-Zeiten als abgeschotteter Mikrokosmos der Geheimpolizei diente.
Ein Mikrokosmos hinter Mauern
Die Geschichte des Areals spiegelt exemplarisch den Machtanspruch und die Abschottung der Stasi wider. Auf dem Gelände westlich des Gimritzer Damms befanden sich nicht nur Büros und Vernehmungsräume, sondern auch eine eigene Versorgungseinrichtung für die Mitarbeitenden, von der Kantine bis hin zur Bar. In einer Zeit der allgemeinen Mangelwirtschaft wurden die MfS-Bediensteten hier bevorzugt mit Konsumgütern versorgt – ein Privileg, das die Archive heute anhand von Unterlagen und Einkaufslisten dokumentieren.
Auch die Ideologie und Praxis permanenter Kontrolle wird anhand originaler Dokumente greifbar: Selbst unter Kollegen herrschte ein Klima des Misstrauens, dokumentiert durch zahllose Berichte, Kontrollmechanismen und die minutiöse Beobachtung vermeintlich „abweichenden“ Verhaltens.
Dauerausstellungen und Archivzugang
Nach dem Rundgang besteht die Möglichkeit, das Informations- und Dokumentationszentrum Halle eigenständig zu besichtigen. Dort vermittelt die Dauerausstellung „Entschlüsselte Macht“ mit eindrucksvollen Exponaten, Fotografien und Informationstafeln die Methoden der Überwachung, Repression und Manipulation durch das MfS und die SED-Diktatur.
Zudem sind die beiden Wechselausstellungen „Leseland DDR“ und „Frauen im geteilten Deutschland“ zugänglich, die in Kooperation mit der Bundesstiftung Aufarbeitung gezeigt werden. Beide bieten vertiefende Einblicke in das kulturelle und gesellschaftliche Leben im Osten Deutschlands vor der Wiedervereinigung.
Ein Blick in die Zukunft: Die Genossenschaftsinitiative
Ein neuer Impuls für die Nachnutzung des Geländes kommt aus der Zivilgesellschaft: Eine Genossenschaftsinitiative aus Halle plant, Teile des historischen Areals langfristig in ein Demokratie- und Bildungszentrum umzuwandeln. Neben Begegnungsräumen, Seminarräumen und Archivrechercheplätzen sollen auch Ateliers und Werkstätten entstehen, die sich mit Erinnerungskultur, historischer Aufarbeitung und zivilgesellschaftlichem Engagement beschäftigen. Die Genossenschaft verfolgt das Ziel, das Areal zu einem lebendigen Lern- und Gedenkort zu machen – offen, partizipativ und generationenübergreifend.
Die Planungen befinden sich derzeit noch im Frühstadium. Erste Gespräche mit städtischen Behörden und dem Bundesarchiv wurden jedoch bereits geführt. Langfristig könnte hier ein Modellprojekt entstehen, das Geschichte nicht nur bewahrt, sondern aktiv für eine demokratische Gegenwart und Zukunft nutzbar macht.
Teilnahme und Anmeldung
Die Teilnehmerzahl für die Außengeländeführung am 10. Juni ist begrenzt. Eine telefonische Anmeldung unter 030 18665-2711 oder per E-Mail an halle.stasiunterlagenarchiv@bundesarchiv.de ist erforderlich.
Bei schlechter Witterung findet die Veranstaltung alternativ in den Innenräumen des Archivs und des Dokumentationszentrums statt.
Für Anfragen zur Akteneinsicht wird um Mitbringen eines gültigen Personaldokuments gebeten.