Im Juni und Juli haben Rockfans mannigfach die Möglichkeit zur Heldenverehrung. Und einmal verneigt sich auch eine Heldin vor ihrem Helden. Charlyn Marie Marshall alias Cat Power kam als Tochter amerikanischer Hippie-Eltern quasi zwangsweise in Berührung mit Bob Dylan. In ihren Zwanzigern habe sie ihn nahezu vergöttert, er sei wie eine „mythische Kreatur“ für sie gewesen, „teils Genie, teils Jesus, teils Freund“, sagt sie in einem Interview mit dem Programm-Magazin des Gasteigs, in dessen Isarphilharmonie sie am Sonntag, 15. Juni, auftritt. Dylan hat die wandelbare Singer-Songwriterin, die gelegentlich auch als Schauspielerin und Model Furore machte, gewiss in ihrem Sound geprägt. Und in ihrer Haltung.

So hat die 52-Jährige ihr aktuelles Programm radikal auf den amerikanischen Folkrock-Giganten ausgerichtet: Sie spielt exakt die Liederliste von Dylans legendärem London-Konzert von 1966 nach. Es war jene magische Nacht, in der der Held der Folk-Bewegung allen Buh-Rufen und Pfiffen zum Trotz mittendrin von der Lagerfeuerklampfe zur Stromgitarre wechselte. Dieser Bruch veränderte die Welt, findet Cat Power: „Bobs Umstieg auf die E-Gitarre beeinflusste den Rock’n’Roll, was wiederum das Bewusstsein der jungen Leute veränderte und eine Revolution auslöste.“ Und dass ein solcher Aufstand gegen die Mächtigen in ihrer Heimat USA wieder nötig sei, ist ihr gewiss ein Antrieb für das Projekt.

Die unbeugsame „Godmother of Punk“ Patti Smith gastiert auf dem Tollwood-Festival.Die unbeugsame „Godmother of Punk“ Patti Smith gastiert auf dem Tollwood-Festival. (Foto: Ricardo Rubio)

Zu den Superhelden des amerikanischen Rock zählen auch zwei, die in diesem Jahr die Höhepunkte des Tollwood-Programms sind: Patti Smith, die „Godmother des Punk“, Ikone der Frauenbewegung, Lyrikerin, Bildende Künstlerin und mit 78 immer noch fesselnde Musikerin („Because The Night“) wird ihrem treuen Gefolge im großen Festival-Zelt ebenso den richtigen Weg zeigen (14. Juli) wie der nur ein paar Monate jüngere Iggy Pop. Der „Godfather des Punk“, „Leguan des Rock“ und Gelegenheitsschauspieler (ein Zombie 2019 in Jim Jarmuschs „Dead Don’t Die“) macht als charmanter Bühnenberserker stets „Lust For Life“ (24. Juni). Einen Tag später spielen mit Black Flag die einflussreichsten Vertreter der US-Hardcore-Punk-Szene im Backstage – seit 1976 unter der Flagge der Anarchos, wenn auch längst nicht mehr mit ihrem berühmtesten Frontmann Henry Rollins (25. Juni).

Darf man hingegen Billy Idol noch einen Punk nennen? Tatsächlich trieb sich der gescheiterte Philosophiestudent in den Siebzigern in Londons Punk-Löchern herum. Seine Solo-Hits wie „Dancing With Myself“, „Rebell Yell“ oder „White Wedding“ in den Achtzigern bedienten allerdings eher ein restaufmüpfiges Wave-Pop-Publikum und machten ihn für den New Musical Express zum „wasserstoffgebleichten Alptraum eines Rockers“. Allerdings machen gerade diese leicht angerotzten Hits des inzwischen nach Hollywood Umgesiedelten immer noch Spaß, wie er vor ein paar Jahren bei Tollwood bewies, und wie der 69-Jährige auch am 27. Juni groß beim Open-Air auf dem Königsplatz zeigen will.

Mehr eine Hit-Parade unter freiem Himmel als eine scharfe Analyse der politischen Weltlage erwarten auch die Besucher von Guns N’Roses. „Welcome To the Jungle“, „Sweet Child O’ Mine“, „Paradise City“ und „November Rain“ sind gesetzt, wenn sie als erste Band überhaupt ein ganzes Konzert in der Allianz-Arena spielen dürfen (20. Juni). Politisch kann man Axl Rose immerhin gutschreiben, dass er Donald Trump schon im Wahlkampf 2018 verbot, seine Musik zu spielen („a truly bastard“), und dass ihr Album „Appetite for Destruction“  den Twitter-Hashtag #AfD auf Ewigkeit vor der AfD-Partei besetzt.

Working-Class-Hero Mike Skinner alias The Streets rappt in der Tonhalle.Working-Class-Hero Mike Skinner alias The Streets rappt in der Tonhalle. (Foto: Ben Cannon)

Was man politisch von Morrissey im Zenith zu hören bekommen wird (30. Juni), kann man schwer abschätzen. Einst wurde der ehemalige The Smiths-Sänger als kratzbürstiger Anti-Held mit hohem Stilbewusstsein und heiligem Zorn gegen Maggie Thatcher verehrt, inzwischen stänkert der kauzige Brite gegen alles und jeden, bisweilen leider auch rechtspopulistisch – wobei er sich danach sogleich von jeglichem Rassismus distanziert. Unbenommen ist sein Einfluss auf die britische Rockszene. Die präsentiert sich dieser Tage mit ihrerseits prägenden Figuren wie Working-Class-Rapper Mike Skinner alias The Streets (18. Juni, Tonhalle), den wieder auferstandenen Postrock-Feingeistern Stereolab (mit neuem Album „Instant Holograms on Metal Film“ am 12. Juni im Feierwerk) oder der multimedialen Konzeptband The The, deren Schöpfer Matt Johnson von 1981 an dafür mit 300 Musikern von Sinéad O’Connor bis Johnny Marr zusammenarbeitete (2. Juni in der Muffathalle, verlegt vom Circus Krone).