Auch Michael Maul, Intendant des Leipziger Bachfestes, liebt Zeitreisen. Denn wenn man Bachs Musik jedes Jahr in einem großen Festival feiert, dann lohnt es sich auch, sich in die Zeit zurückzuversetzen, in der Johann Sebastian Bach wirkte. Und er leitete eben nicht nur den Thomanerchor und die Kirchenmusik in St. Thomas uns St. Nikolai. Neben seiner mitreißenden Kirchenmusik pflegte er in seiner Leipziger Zeit auch weiter die weltliche Musik. Und so kann man sich Bach gut vorstellen, wie er vom Thomaskirchhof zum Zimmermannschen Kaffeehaus in der Katharinenstraße eilte, um dort mit den besten Musikern der Stadt fröhlich weltliche Musik zu machen.

Also nichts da mit einem grimmigen, behäbigen Kantor, der sich nur mit der Obrigkeit herumärgert. Das Collegium musicum im Zimmermannschen Kaffeehaus war eine Institution, im Grunde die eigentliche Instanz für hochkarätige moderne Musik in Leipzig zwischen 1701 und 1751.

Wobei das Ende nicht ganz unerwartet kam, denn das 1743 gegründete Große Concert, aus dem später das heutige Gewandhausorchester werden sollte, zog natürlich die besten Musiker ab. Aber da hatte Johann Sebastian Bach – wohl auch aus Altersgründen – die Leitung des Collegium Musicum schon lange abgegeben.

In Telemanns Fußstapfen

Übernommen hatte er diese 1729 in Nachfolge von Georg Balthasar Schott. Gründer des Collegiums war wiederum im Jahr 1701 Georg Philipp Telemann, der „mit Unterstützung des Bürgermeisters Franz Conrad Romanus eine Schar musikbegeisterter Kommilitonen“ um sich sammelte, um auf hohem Niveau zu musizieren. Da war freilich noch die Neukirche auf dem heutigen Matthäikirchhof der Hauptspielort der Truppe.

Das änderte sich erst 1708, als der Hofchocolatier Johann Lehmann das Collegium in sein Kaffeehaus am Markt 16 holte, wo es Mittwoch- und Freitagabend von 20 bis 22 Uhr musizierte. Da wurde dann tatsächlich der Treffpunkt des musikliebendn Leipzig, das hier eben nicht nur die neueste Musik hörte, vorgetragen von jungen, musikbegeisterten Leuten, sondern daneben auch fröhlich Kaffee und Schokolade trank.

Das war eine Institution in Leipzig, die es sogar in Zedlers Lexikon schaffte, dann freilich schon unter dem Namen: Bachisches Collegium musicum. Was eben auch bedeutete: Die musikliebenden Leipziger verbanden den Namen von Johann Sebastian Bach mit dieser vergnügten Kaffee-Hausmusik, die dann ab 1723 an einem anderen Ort – im Zimmermannschen Kaffeehaus in der Katharinenstraße – zu hören war.

Und man darf sich das Ganze nicht so beschaulich vorstellen wie ein heutiges Café. Hier ging es eine ganze Dimension größer zu: Der Saal des Zimmermannschen Kaffeehauses bot größeren Musikensembles – auch mit Trompeten und Pauken – sowie etwa 150 Zuhörern Platz.

Das dürfte oft schon gewirkt haben wie später im Großen Concert. Und Bach fand hier eben nicht nur ein kleines Liebhaberpublikum, sondern eigentlich das ganze musikliebende Leipzig, das nach seiner Übernahme der Leitung eben auch wegen seiner Stücke kam.

Und er brachte mit dem musizierenden Studenten praktisch alles zur Aufführung, was als weltliche Musik eben keinen Platz in den Gottesdiensten der Kirchen fand: Seine weltlichen Kantaten samt der berühmten Kaffeekantate, seine Brandenburgischem Konzerte und die zu Cembalokonzerten umgearbeiteten Violinkonzerte.

Steif und behäbig kann man sich das alles eigentlich nicht vorstellen.

Comeback in den Salles de Pologne

Und das brachte Michael Maul, den Intendanten des Bachfests, auf die Idee, das Collegium musicum wieder aufleben zu lassen. Nur gibt es heute natürlich kein Café mehr, das in dieser Weise Platz für solche Konzerte böte. Das Zimmermannsche Kaffeehaus ist genauso verschwunden. Das Gebäude selbst wurde in den Bombardements im Dezember 1943 zerstört. Heute erinnert eine Gedenktafel am Nachfolgebau an der Stelle an das verschwundene Kaffeehaus und das Collegium Musicum.

Aber wo kann man das dann wieder mit Leben erfüllen? Einen attraktiven Ort für das Revival fand Michael Maul in den Salles de Pologne in der Hainstraße, die mit ihrem Ambiente ein wenig an den Konzertsaal im Zimmermannschan Kaffeehaus erinnern mögen. Dort findet am Freitag, 13. Juni, um 9 Uhr das erste Konzert im Format Collegium Musicum statt.

Mit gedeckten Tischen, Speis und Trank. Und natürlich musikalischer „Begleitung“ durch jene Leipziger Studentinnen und Studenten, die das am besten können: jenen der Hochschule für Musik und Theater. Das muss zumindest erwähnt werden, denn die Karten sollen, so Michael Maul, schon im Handumdrehen weg gewesen sein.

Was zumindest darauf hindeutet, wie sehr sich Musikliebhaber dieses 300 Jahre alte Musikformat wünschen Und wie modern Bachs Verständnis von Musikaufführungen damals schon war.

Gespielt werden natürlich Bachsche Musiken – auch die Kaffeekantate.

Nur ist man sich nicht ganz sicher, wie lange Bach zuletzt die Musiken im Zimmermannschan Kaffeehaus leitete, ob bis 1737 oder bis zum Tod des Cafétiers Gottfried Zimmermann im Jahr 1741.