In historischer Kulisse haben Miriam Brunnert (links) und Nora Johanna Gromer Frankensteins Welt geschaffen. Foto: Roberto Bulgrin
Ein Bühnenbild, das Sturm und Regen trotzt, haben Nora Johanna Gromer und Miriam Brunnert für „Frankenstein“ geschaffen. Das Esslinger Freilichttheater startet am 14. Juni.
Wer zurzeit auf der Inneren Brücke in Esslingen unterwegs ist, kann einen Blick hinter die Theaterkulissen erhaschen. Im Maille-Park probt die Esslinger Landesbühne das Stück „Frankenstein oder der moderne Prometheus“. Die Freilichtpremiere ist am Samstag, 14. Juni, um 20 Uhr. Für die Bühnen- und Kostümbildnerinnen Nora Johanna Gromer und Miriam Brunnert ist das Spektakel unter freiem Himmel eine besondere Herausforderung. „Gerade bei der unsicheren Wetterlage müssen wir sehr flexibel sein“, findet Gromer.
Die Zuschauertribüne ist schon aufgebaut. Tagsüber arbeitet die Technik des Esslinger Theaters an den Bühnenaufbauten. Da geht es oft um Feinheiten. Ob draußen geprobt werden kann, liegt am Wetter. „Wenn es stark regnet, bleiben wir drinnen“, sagt Nora Johanna Gromer. Das ist für das Theater herausfordernd. Die beiden Bühnen- und Kostümbildnerinnen denken bei ihren Entwürfen das Wetter immer mit. Ob Kostüme und Bühnenaufbauten auch im Freilicht funktionieren, lässt sich nach Gromers Worten nur in der Praxis klären. Deshalb hofft sie bis zur Premiere auf viele Schönwettertage.
Die Ausstattung für eine Freilicht-Produktion zu planen, ist für die zwei Frauen spannend. „Die Kostüme müssen auch leichten Regen aushalten“, sagt Miriam Brunnert. Da kommt es ganz entscheidend aufs Material an. Und die Bühnenbauten müssen so gebaut sein, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler nicht ausrutschen können, wenn es nieselt. „Da haben wir davon profitiert, dass die Werkstätten viel Erfahrung mit Freilicht haben“, schwärmt Miriam Brunnert von der guten Zusammenarbeit. Sie hat an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert und kümmert sich gemeinsam mit Gromer um die Ausstattung.
Ein eingespieltes Team sind Nora Johanna Gromer (links) und Miriam Brunnert. Foto: Roberto Bulgrin
„Frankenstein ist ein spannender Stoff“, findet Nora Johanna Gromer. Die Theaterfassung von Alexander Schreuder nimmt nicht nur die Geschichte des jungen Arztes, der aus Leichenteilen ein künstliches Monster erschafft, in den Blick. Mit der Regisseurin Eva Lemaire, seiner Ehefrau, nimmt er die Lebensgeschichte der Autorin Mary Shelley in den Blick. Die britische Autorin traf sich mit dem Dichterkreis um ihren Kollegen Lord Byron. Er lud 1816 in eine Villa am Genfer See ein. Weil das Wetter schlecht war, vertrieben sich die Intellektuellen die Zeit mit Spielchen und mit Geschichten. „Mary Shelleys poetische Welt und ihr Leben in Bilder zu übersetzen, hat uns gereizt.“ Deshalb beschäftigte sich Miriam Brunnert intensiv mit der Mode der damaligen Zeit. Brücken in die Vergangenheit zu schlagen, reizt die Künstlerinnen.
Historische Kostüme mit Pop-Elementen
Mit Eva Lemaire und Alexander Schreuder verbindet Nora Johanna Gromer eine langjährige Zusammenarbeit. „Der ehemalige WLB-Intendant Friedrich Schirmer hat uns zusammengebracht“, verrät die Künstlerin, die mit ihrer Familie bei Tübingen lebt. Seitdem haben die drei auch an der WLB viele gemeinsame Projekte realisiert. Für Molières „Der eingebildete Kranke“ hat Gromer historische Kostüme geschaffen, die nicht mit Pop-Elementen geizten. „Ein Marie-Antoinette-Porn“, kommentierte die Regisseurin Lemaire damals die Bilderwelt, inspiriert vom französischen Hofleben im 17. Jahrhundert. Mit ihren Kostümen akzentuiert Gromer die Charakterzüge der Figuren. Da ist ihr der enge Austausch mit den Spielerinnen und Spielern besonders wichtig.
Wie sehr ein Kleidungsstück einen Menschen prägt, hat Nora Johanna Gromer bei ihrer Ausstattung für die Uraufführung von „Heimatlos auf hoher See“ erlebt. Da hat sie für Christian A. Koch, der den Kapitän spielte, einen Mantel geschaffen, der die Autorität dieses mutigen Mannes stark in Szene setze. Er hat versucht, jüdische Geflüchtete vor den Nationalsozialisten zu retten. Diesen Mut und die Kraft des Menschen im Kostüm widerzuspiegeln, hat der Künstlerin gefallen.
Für das Freilichtspektakel auf der Maille haben Brunnert und Gromer den Ort sehr genau angeschaut. Die Bäume denken sie ebenso mit wie die Nikolauskapelle und den Fluss. Die Wetteranfälligkeit des Freilichttheaters stört die beiden Frauen nicht. „Manchmal hat so ein herannahendes Unwetter auch eine besondere Faszination“, findet Nora Johanna Gromer. Da denkt sie an ihre Ausstattung für den „Freischütz“ bei den Ettlinger Schlossfestspielen zurück. Da habe die Schlechtwetterkulisse den dunklen Stoff mit einer grandiosen Atmosphäre unterstrichen. Dass die Vorstellungen bei Sturm, heftigem Regen oder Gewitter abgebrochen werden müssen, sein für alle Beteiligten bedauerlich.
Bei den Endproben sind Miriam Brunnert und Nora Johanna Gromer hoch konzentriert dabei. Denn die Entwürfe, die sie vor Monaten ersonnen haben, entwickeln sie kontinuierlich weiter. Den engen Kontakt mit den Spielerinnen und Spielern genießen sie. „Manches Detail passen wir da auch noch an“, sagt Miriam Brunnert: „Es bleibt spannend bis zuletzt.“
„Frankenstein“ als Freilichttheater
Die Fassung
Das Ehepaar Eva Lemaire und Alexander Schreuder arbeitet seit Jahren an der Esslinger Landesbühne. Die beiden Niederländer haben ihr eigenes Theater in Rotterdam. Als Regisseurin ist Lemaire regelmäßig an der Esslinger Landesbühne und an anderen Theatern in Deutschland tätig. Der Dramaturg Alexander Schreuder hat für „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ eine eigene Theaterfassung geschrieben.
Unter freiem Himmel
Für das Theaterspektakel unter freiem Himmel hat Moritz Finn Kleffmann eine eigene Musik geschrieben. Bewegungscoach ist Ricardo Camillo. Dir Premiere ist am Samstag, 14. Juni, um 20 Uhr in der Maille in Esslingen. Die nächsten Termine: 20. bis 22. sowie 26. und 27. Juni (weitere Termine bis 26. Juli).