Mit Ablegern in Asien setzt die Koelnmesse auf Wachstum, auf der Expo 2025 betreibt sie derzeit den Deutschen Pavillon. Die Messe Düsseldorf ist mit einem ähnlichen Konzept ebenfalls international erfolgreich.
Auf ihrem Rundgang über die Orgatec Tokio kommen Henriette Reker und Gerald Böse auch am Stand des Herstellers Kokuyo aus Osaka vorbei. Die Kölner Oberbürgermeisterin und ihr Messechef sinken in zwei Bürostühle des Modells ingCloud. „Wie leicht der ist“, sagt die Rathaus-Chefin und genießt die kurze Ruhepause. Zuvor hatte sie die Messe mit einer Rede auf Englisch eröffnet. Böse testet derweil alle Möglichkeiten des variablen Stuhls aus. „Damit kann man sich auch richtig in die Kurve legen.“ Rund 1800 Euro kostet das Modell, das in Tokio vorgestellt wurde. Vielleicht sei der ingCloud bald auch in Deutschland zu bekommen, erklärt Projektleiter Yohiro Kinoshita.
Von Dienstag bis Donnerstag fand in Tokio die vierte Orgatec statt, in Köln gibt es die Messe bereits seit 1953. Vor vier Jahren habe man in Japan mit 21.000 Besuchern begonnen, 2024 waren es bereits 40.000, berichtete Messechef Böse. Und weil die Geschäfte in Tokio so gut liefen, gehen die Kölner im September in Saudi-Arabien und im November in Indien mit einer eigenen Orgatec an den Start. Seit vergangenem Jahr gibt es in Japan auch Ableger der Nahrungsmittelschauen Anuga und ISM. Mittlerweile erwirtschaftet die Koelnmesse elf bis 15 Prozent ihrer Umsätze im Ausland, je nach Messejahr und Zahl der Veranstaltungen, 2025 sind es 38 Messen, mit Schwerpunkt in Asien und Südamerika. Premieren stehen unter anderem in Indonesien und Singapur an, in dem Stadtstaat unterhalten die Kölner ihre größte Tochter in Asien, gefolgt von China und Japan. Dass die Kölner so stark auf Südamerika und vor allem Asien setzen, liegt an den dortigen Wachstumsraten. Prognosen gehen für Asien von einem Wachstum der Ausstellungsfläche um 33 Prozent bis 2030 aus, während in Europa nur zwei Prozent erwartet werden.
Düsseldorf macht es ähnlich wie Köln
Vor diesem Hintergrund setzt auch die Messe Düsseldorf auf eine ähnliche Strategie und führt Ableger ihrer erfolgreichen Messen wie der Medica und der Pro Wein in Asien durch. Beide NRW-Messeveranstalter sind in etwa gleich groß und gehören ihren jeweiligen Städten und der Landesregierung. Doch die große Konkurrenz geht von Messeriesen wie Reed, Clarion und Informa aus, die von Großbritannien aus mit viel Kapital weltweit agieren, ohne eigene Messegelände zu besitzen; in Japan ist Reed bereits größter Messeveranstalter. Und so wollen die Kölner und Düsseldorfer möglichst viele ausländischen Messeplätze mit ihren eingeführten Messen bespielen, bevor sich dort Newcomer mit vergleichbaren Produkten ausbreiten. Zudem setzen beide Gesellschaften auf eine Sogwirkung in Richtung NRW: „Wer eine unserer asiatischen Orgatecs besucht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch irgendwann nach Köln kommen“, sagt Gerald Böse.
Davon geht auch Eiichi Nukina aus. Der Geschäftsführer der Japan Office and Institutional Furniture Association (Joifa), des hiesigen Verbandes der Büromöbelbranche, reist bereits seit mehr als 20 Jahren regelmäßig zur Kölner Orgatec. Dass sich der Ableger an der Bucht von Tokio so gut entwickelt habe, liege auch an einer Sonderkonjunktur, die seine Branche seit Ende der Corona-Pandemie in Japan entwickelt habe, so Nukina zu WELT AM SONNTAG. Im Wettbewerb um Arbeitskräfte, der auch in der überalterten japanischen Gesellschaft in vollem Gange ist, müsse man seinen Mitarbeitern mittlerweile etwas bieten, um sie aus dem Homeoffice zurückzuholen. So seien zuletzt aufwendiger ausgestattete Büro- und Arbeitslandschaften entstanden, wo vor Corona vielerorts eher Nüchternheit mit Einheitsmobiliar vorherrschte. Und wer im Homeoffice bleiben wolle, werde heute von seinem Arbeitgeber teilweise auch entsprechend ausgerüstet.
Wie das aussehen kann, war auf der Orgatech am Stand der Firma Karimoku zu sehen: Stühle und Schreibtische aus Naturholz, die eher an Wohn- oder Esszimmer erinnern als an Büros, zugleich aber mit Verkabelung und Steckern für moderne Bürokommunikation ausgestattet sind. Und weil man in Japan an ein weiteres Wachstum der dortigen Orgatec glaubt, wurde bei der Eröffnung eine Verlängerung des Vertrages mit der Koelnmesse bis 2031 verkündet.
Mittlerweile sind die Kölner seit 20 Jahren mit einer eigenen Tochterfirma in Japan vertreten. Das wurde Montagabend mit einem Empfang in der deutschen Botschaft gefeiert, mit etwa 80 geladenen Vertretern japanischer Industriezweige und der Messewirtschaft. „Sie haben Köln und die Koelnmesse zu einem echten Bindeglied der deutsch-japanischen Freundschaft gemacht“, würdigte Botschafterin Petra Sigmund das Engagement. Das zeige sich aktuell auch auf der Weltausstellung 2025 in Osaka, wo die Koelnmesse über sechs Monate den Deutschen Pavillon betreibt. Die Expo sei „exzellent organisiert“ und der deutsche Pavillon „einer der Besuchermagneten“, so die deutsche Diplomatin, die bei der Eröffnung im April in Osaka zugegen war.
Messen bringen Besucher nach NRW
Die Messe Düsseldorf wiederum ist bereits seit mehr als 30 Jahren mit einer Tochtergesellschaft in Tokio vertreten. Damit, so ihr Chef Wolfram N. Diener gegenüber WELT AM SONNTAG, habe man „ein starkes Aushängeschild für das Wirtschaftszentrum Düsseldorf und NRW geschaffen“. Der Ableger bringe nicht nur japanische Unternehmen und Messegäste zu den Düsseldorfer Weltleitmessen, sondern trete auch zunehmend als Veranstalter im Land der aufgehenden Sonne auf. „Unser Neugeschäft in Japan haben wir zuletzt mit der Premiere der Pro Wine Tokyo 2024 vorangetrieben, im Juli folgt die Erstausgabe der Arbeitsschutzmesse JIOSH+W in Osaka.“ Japan trage somit zu den Wachstumsambitionen in Asien bei, so der Düsseldorfer Messechef, der lange in Asien beruflich unterwegs war. „Wir sind mit fünf Tochtergesellschaften und aktuell mit 54 von insgesamt 76 Auslandsmessen auf dem Kontinent aktiv.“ Um dieses Potenzial bestmöglich auszuschöpfen, koordiniere man das Asiengeschäft seit 2024 von Singapur aus.
Bei der Koelnmesse hofft man unterdessen für die Orgatec auf einen weiteren Schub ab 2027, bis dahin wird das am Meer aufgeschütteten Messe-Gelände in Tokio renoviert. Erst dann seien weitere Hallen buchbar, wie Gerald Böse erläuterte. In Düsseldorf hat man ähnliche Probleme: Bei der zweiten Pro Wine Tokyo 2025 gebe es mehr Anfragen und eine Warteliste, wegen der Modernisierungsarbeiten am Messezentrum Tokio sei eine Weiterentwicklung jedoch nicht möglich gewesen.
Im Schnellzug von Tokio zur Expo Osaka 2025
Bei der Orgatec in der vergangenen Woche verteilten sich die knapp 160 Aussteller aus 15 Ländern auf zwei Hallen. In der unteren Halle, in der vor vier Jahren alles relativ bescheiden begonnen hatte, präsentierten sich Zulieferer für die Möbelindustrie, etwa mit Stoffen und Beschlägen. Als einziges deutsches Unternehmen war hier die Firma Dewert Okin aus Kirchlengern in Nordrhein-Westfalen mit einem kleinen Stand vertreten. Der Mittelständler, der heute zu einer chinesischen Gruppe gehört, baut unter anderem die Technik für höhenverstellbare Schreibtische und auch Krankenbetten. Die Messe sei gut angelaufen, sagte Verkaufsmanager Gerrard Hu am Eröffnungstag. Und gab sich für den weiteren Verlauf äußerst zuversichtlich.
Von Tokio aus reisten Henriette Reker und ihre Messemanager mit dem Schnellzug Shinkansen weiter nach Osaka, um dort die Weltausstellung 2025 zu besuchen. Denn die Koelnmesse betreibt im Auftrag der Bundesregierung den Deutschen Pavillon mittlerweile bereits zum zehnten Mal.
Vor Osaka hatte die Koelnmesse zuletzt bei den Weltausstellungen 2010 in Shanghai und 2020 in Dubai das deutsche Haus gemanagt, 2015 hatte die Frankfurter Messegesellschaft das Rennen gemacht. „Wir zittern immer noch bei jeder Bewerbungsrunde“, sagt Denis Steker, der bei der Koelnmesse für das Auslandsgeschäft zuständig ist. Denn diese Aufträge werden europaweit ausgeschrieben, wohl auch wegen ihres Volumens: 56 Millionen Euro hat das Bundeswirtschaftsministerium an Budget über fünf Jahre für den Deutschen Pavillon in Osaka freigegeben. Wie viel davon bei der Koelnmesse an Umsatz verbleibt, könne man schwer sagen, sagt Steker. Natürlich schaue man, dass unter dem Strich auf den Expos Geld verdient werde. Wichtig sei aber auch der Prestigegewinn, denn die Expo-Pavillons seien die „Königsdisziplin“ auf einem hart umkämpften Markt, auf dem sich die Kölner offenbar besonders gut behaupten. Die Messe Düsseldorf etwa konnte zuletzt auf der Expo 2000 in Hannover das Deutsche Haus betreiben. Dafür konnte die Truppe aus der Landeshauptstadt mehrfach deutsche Häuser bei Olympischen Spielen managen, zuletzt in Paris, dann wieder 2026 in Cortina d‘Ampezzo und 2028 in Los Angeles, immer im Auftrag des Deutschen Olympischen Sportbunds.
Henriette Reker zeigte sich beim Besuch des Deutschen Pavillons beeindruckt. Auf ihrem Weg durch das in Fachwerk-Art ohne Verbundstoffe gebaute Holzgebäude wurde sie von kleinen Plastik-Guides in japanischer Niedlichkeitsästhetik begleitet. Die können sich die täglich etwa 130.000 erwarteten Gäste an den einzelnen Stationen ans Ohr halten und kurze Vorträge zum Thema Nachhaltigkeit anhören, ergänzt durch interaktive Lehreinheiten und Multimedia-Elemente, begleitet von sphärischer Musik. Leitmotiv des deutschen Auftritts ist die zirkuläre Kreislaufwirtschaft, wie Pavillon-Leiter Christopher Hecker der Rathaus-Chefin und ihrer Delegation erläuterte. Deshalb dürften auch etwa 90 Prozent der verwendeten Baustoffe nach Ende der Expo im Herbst wiederverwendet werden.
Geführt wird das Haus, für das die Koelnmesse ein internationales Team von etwa 100 Mitarbeitern zusammengestellt hat, unter dem Schlagwort „Wa! Germany“. Der Begriff „Wa“ hat im Japanischen gleich mehrere positiv besetzte Bedeutungen: Er bedeutet einmal „Kreis“, womit er perfekt zum Leitmotiv der Zirkularität passe. „Wa“ bedeutet aber auch „Harmonie“, womit der Begriff den Einklang von Natur und Technik repräsentiert, der Hecker zufolge das Ziel der Kreislaufwirtschaft ist. Und: „Wa“ steht auch für „Wow!“ und damit für die Begeisterung, die Deutschland und sein Pavillon auf der Expo möglichst hervorrufen sollen.
Doch sind Weltausstellungen überhaupt noch zeitgemäß, was bringen sie dem Ausrichter und den Teilnehmer-Ländern? Wie Melanie Saxinger, deutsche Generalkonsulin für West-Japan, dieser Zeitung beim Rundgang sagte, habe die letzte Expo in Osaka 1970 für ein spürbares Wirtschaftswachstum in der Region gesorgt. Auf solche Effekte hoffe man auch diesmal im Ballungsraum Osaka-Kobe, wo deutsche Konzerne wie Bayer aus Leverkusen seit Langem präsent sind.
Das Handelsvolumen zwischen Nordrhein-Westfalen und Japan lag allein im vergangenen Jahr bei zehn Milliarden Euro, so das NRW-Wirtschaftsministerium. Damit gehöre Japan zu den wichtigsten Handelspartnern Nordrhein-Westfalens. „Die Expo in Osaka zeigt eindrucksvoll, wie technologische Innovation und kulturelle Tradition miteinander verwoben sind – Werte, die auch Nordrhein-Westfalen prägen“, sagt NRW-Wirtschaftsstaatssekretär Paul Höller, der die Weltausstellung in den kommenden Tagen besuchen möchte. „Der Austausch mit unseren japanischen Partnern stärkt nicht nur die wirtschaftlichen Beziehungen, sondern auch das gegenseitige Verständnis.“ Japan sei für NRW ein wichtiger Zukunftspartner – „in der Industrie, in der Wissenschaft und in der gemeinsamen Gestaltung globaler Herausforderungen“, so Höller.
Für den Kölner Architekten, Publizisten und Künstler Thomas Schriefers sind Weltausstellungen immer noch „Kristallisationspunkte ihrer Zeit“ und „Foren der Weltzivilgesellschaft“. Wichtig sei auch der Perspektivwechsel, das Hineinversetzen in eine andere Kultur, so Schriefers, der gerade einen großen Bildband über die Geschichte der Weltausstellungen veröffentlicht hat und die Kölner Delegation in Osaka über das Expo-Gelände führte. Das Hineinversetzen in andere Kulturen versuchten Henriette Reker und ihr Messeteam unter anderem bei einem Besuch des chinesischen Hauses, wo der Rundgang mit einem Film über die schöne bunte Welt des heutigen Chinas endete.
Eher ein Heimspiel war der Besuch des auf Kunst setzenden brasilianischen Pavillons. Zum einen ist Rio de Janeiro seit 2011 Partnerstadt Köln, zum anderen betreibt die Koelnmesse in Brasilien unter anderem erfolgreiche Ableger ihrer Leitmessen Anuga und Gamescom.
Dass Henriette Reker und ihr Messeteam offenbar bereits an die nächste Weltausstellung denken, war beim abendlichen Besuch im Pavillon von Saudi-Arabien zu erahnen, den der britische Star-Architekt Sir Norman Foster entworfen hat. Die Saudis sind mittlerweile auch als Messeausrichter erfolgreich und laden 2030 zur Expo in ihre Hauptstadt Riad.
Auch in Riad wird Deutschland wieder mit einem Pavillon für sich werben. Die Ausschreibungen des Bundeswirtschaftsministeriums dürften 2026 starten, sagt Koelnmesse-Auslandschef Denis Steker. „Wenn es nach mir persönlich geht, werden wir unseren Hut für Riad wieder in den Ring werfen.“
Die Teilnahme an der Reise wurde von der Koelnmesse unterstützt. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie im Internet unter: go2.as/unabhaengigkeit