Was das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Consult) über die geplante Stellenstreichung bei Thyssenkrupp und die drohende Schließung von HKM im Duisburger Süden in einer Studie herausgearbeitet hat und als Konsequenz daraus fordert, macht nur wenig Mut. Das Gutachten wurde bereits im März veröffentlicht, doch es ist in mehrfacher Hinsicht aktueller denn je. So hat Thyssenkrupp-Konzernchef Miguel López inzwischen die Zerschlagung des Konzerns als Ziel ausgegeben, und Arbeitsdirektor Dirk Schulte hat gegenüber der „WAZ“ erklärt, man halte am Abbau von insgesamt 11.000 Arbeitsplätzen fest.
Zudem hat sich der Duisburger Ratsausschuss für Wirtschaft in der vergangenen Woche mit der Studie befasst, am Donnerstag ist der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheit an der Reihe, bevor sie dann in der nächsten Sitzung des Rates der Stadt am 23. Juni auf der Tagesordnung steht. Bezeichnend dabei: Alle drei Gremien können davon „Kenntnis nehmen“ – mehr ist nicht drin.
Die Studie untersucht die Bedeutung des Stahlstandorts, beschreibt mögliche Szenarien und kommt am Ende zu daraus resultierenden Forderungen: Fünf Maßnahmen richten sich an den Wirtschaftsstandort Duisburg, fünf an die Stahlindustrie. Ihnen ist jeweils gemeinsam, dass es nicht einfach wird und auch keinen Königsweg gibt, um aus dem Dilemma in eine vielversprechende Zukunft zu gelangen.
Die Stahlbranche ist in Duisburg mit Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE), den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) und Arcelor Mittal vertreten. Zusammen sichern die drei Unternehmen rund 18.000 Arbeitsplätze, laut Studie wohnen 9000 Stahl-Beschäftigte – also rund die Hälfte davon – in Duisburg. Außerdem ist die wirtschaftliche Wertschöpfung überproportional hoch. In der Studie heißt es dazu: „Relativ betrachtet ist die Stahlindustrie in Duisburg besonders bedeutend. Sie trägt mit einem knapp 47-mal höheren Wertschöpfungsanteil zum Bruttoinlandsprodukt bei als im deutschen Durchschnitt. Diese Konzentration macht Duisburg überdurchschnittlich abhängig von der Branche, sodass Veränderungen besonders starke Auswirkungen auf die Stadt haben.“
TKSE plant den Abbau von 11.000 Stellen, HKM mit 3000 Beschäftigten droht die Schließung, Arcelor Mittal will den Duisburger Standort mit 1000 Beschäftigten umbauen.
Allein der Abbau von 1000 Stahl-Arbeitsplätzen würde laut Studie einen Rückgang des Gesamtwerts der hergestellten Waren und Dienstleistungen um 420 Millionen Euro bedeuten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Stadt würde um 120 Millionen Euro sinken. Weiter heißt es: „Insgesamt wären 1200 Erwerbstätige betroffen, da neben den 1000 direkt gestrichenen Stellen weitere 200 Arbeitsplätze in Zuliefererbetrieben oder durch indirekte Effekte wegfallen würden. Die jährlichen Steuerverluste würden drei Millionen Euro betragen.“ Die Auswirkungen wären aber auch in NRW und in ganz Deutschland zu spüren: NRW gingen rund zwölf Millionen Euro Steuern verloren, in ganz Deutschland wären es rund 70 Millionen Euro.
Beim Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen wären die wirtschaftlichen Auswirkungen in Duisburg deutschlandweit am stärksten. Das städtische BIP würde um 6,2 Prozent zurückgehen, der Rückgang in NRW und Deutschland würde nur jeweils 0,1 Prozent betragen. Der Rückgang der Stahlbeschäftigung in Duisburg würde zu einem deutschlandweiten jährlichen Verlust von 773 Millionen Euro an Steuereinnahmen führen. Die Verteilung: Duisburg 30 Millionen Euro, Land NRW 132 Millionen, weitere Gemeinden und Bundesländer 296 Millionen und der Bund 315 Millionen. Der größte Teil des Rückgangs fiele auf das Lohnsteueraufkommen mit 420 Millionen Euro.
Weiter heißt es wörtlich: „Bei einem Anstieg der Arbeitslosenzahl schon um 5000 hätte Duisburg die höchste Arbeitslosenquote in Deutschland.“ Insgesamt 35.405 Menschen waren im Mai in Duisburg arbeitslos gemeldet, mit weiteren 5000 würde die Gesamtzahl bei über 40.000 liegen. Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt hier bei 13,3 Prozent und wäre dann bei mehr als 15 Prozent.
Zehn Forderungen als Konsequenz
Um die negativen Auswirkungen zu dämpfen, schlägt die Studie zehn Forderungen vor – fünf für den Standort Duisburg und fünf für die Stahlbranche. Für die künftige Wirtschaftsstruktur Duisburgs wird vorgeschlagen:
Daneben soll die (verbliebene) Stahlindustrie in Duisburg gestärkt werden. Die Forderungen hierfür:
Die Studie zeigt, wie stark Duisburg unter einer geschrumpften Stahlindustrie leiden würde. Es gibt keinen einfachen monokausalen Ansatz wie in Rheinhausen, wo mit Logport ein Logistik-Standort als Ersatz entwickelt wurde. Die Perspektive geht nun eher über in eine Diversifizierung des Wirtschaftsstandortes Duisburg. Die Arbeitsplätze in der Duisburger Stahlindustrie können aber nicht 1:1 ersetzt werden – schon gar nicht zu den Leistungen, die die von der IG Metall ausgehandelten Tarifverträge in der Stahlindustrie derzeit noch bieten.