Dresden – Den jüngsten Bürokratiewahnsinn Deutschlands finden Touristen in der Dresdner Altstadt. Wer künftig den Rathausturm erklimmen will, muss eine sogenannte „Selbstrettungerklärung“ unterschreiben.

Ab Anfang Juli soll es nach zwölfjähriger Schließung wieder möglich sein, die bekannte Aussichtsplattform des Dresdner Rathausturmes zu besteigen – anfangs nur testweise. Zuvor muss im Buchungsportal der Stadt ein Termin gebucht werden.

Stadt fordert Erklärung von Besuchern

Doch die Verwaltung fordert von Besuchern eine ungewöhnliche Erklärung: „Die Personen, die den Turm besteigen, müssen gehfähig und in der Lage sein, den Aufstieg und den Abstieg zu bewältigen“, so ein Sprecher von Baubürgermeister Stephan Kühn (45, Grüne). „Der Aufstieg umfasst 270 Stufen.“

Bislang wurden 100.000 Euro in die Turmsanierung investiert. Brandlasten wurden laut Stadt entfernt, die Sandsteinfassade an der Aussichtsplattform gereinigt und neu verfugt. In den Turm wurde eine Brandmeldeanlage, Sicherheitsbeleuchtung und Fluchtwegpiktogramme

Bislang wurden 100.000 Euro in die Turmsanierung investiert. Brandlasten wurden laut Stadt entfernt, die Sandsteinfassade an der Aussichtsplattform gereinigt und neu verfugt. Im Turm wurden eine Brandmeldeanlage, Sicherheitsbeleuchtung und Fluchtwegpiktogramme installiert

Foto: Dirk Sukow

Eigentlich logisch, dass man gehfähig sein muss, um Treppen zu steigen. „Es gibt verschiedenste Türme in der Stadt, dort ist solch eine Erklärung nicht erforderlich“, wundert sich auch Fraktions-Chef André Schollbach (46, Linke) im Dresdner Stadtrat „Hier wiehert mal wieder der Amtsschimmel“, sagt der Rechtsexperte für Verwaltungsrecht.

Der Blick vom Dresden Rathausturm – oben ein ikonisches Foto von 1945, nach der Bombardierung der Stadt. Unter ein Blick von der gleichen Stelle im Jahr 2025

Der Blick vom Dresdner Rathausturm – oben ein ikonisches Foto von 1945, nach der Bombardierung der Stadt. Unten ein Blick von der gleichen Stelle im Jahr 2025

Foto: Dirk Sukow

Feuerwehr rettet Besucher nach Notfall

Die Landeshauptstadt betont jedoch, dass der Rathausturm nur über eine Wendeltreppe verlassen werden kann – nicht anders als in der Dresdner Frauenkirche.

Hier musste Pfingstsonntag ein 71-Jähriger gerettet werden. „Der Mann war auf der Aussichtsplattform kollabiert und musste reanimiert werden“, so Feuerwehrsprecher Michael Klahre (46). Die Rettung gestaltete sich aufgrund „enger Treppenaufgänge“ schwierig, doch es gelang „mit vereinten Kräften“. Der Patient kam ins Krankenhaus.

Rettungskräfte trugen einen Patienten nach einem Notfall von der Aussichtsplattform

Feuerwehrleute retteten einen 71-Jährigen von der Aussichtsplattform der Frauenkirche

Foto: Roland Halkasch

Erklärung sorgt für Verwirrung

Unklar ist, was die Stadt mit ihrer Erklärung bezweckt. Nach BILD-Nachfragen wurde ein zugesagter Foto-Termin kurzfristig ohne Begründung abgesagt. „Wir (…) können Ihnen derzeit auch keinen neuen anbieten“, heißt es schriftlich.

Dann erklärt die Stadtverwaltung Dresden, dass auch Menschen mit Selbstrettungserklärung vom Rathaus gerettet werden. „Für eine Rettung, die aufgrund eines medizinischen Notfalls oder aufgrund einer Verletzung erforderlich wird, entstehen keine Kosten für den Besucher“, so ein Stadtsprecher.

Für Fraktions-Chef Holger Zastrow (56, Team Zastrow) im Stadtrat ist das nur noch absurd: „Die Verwaltung ist weit weg von der Lebenswirklichkeit. Wir sind offensichtlich komplett unter das Dogma der Bürokraten zu geraten.“