Berlin – Könnte ein russischer Angriff auf Nato-Gebiet bevorstehen? Davor warnt jetzt sogar der Bundesnachrichtendienst (BND).
Der scheidende Chef Bruno Kahl (62, soll als Botschafter in den Vatikan wechseln) am Montag im Podcast „Table.Today“: „Wir sind sehr sicher und haben dafür auch nachrichtendienstliche Belege, dass die Ukraine nur ein Schritt auf dem Weg nach Westen ist.“
Bruno Kahl (62) steht seit 2016 an der Spitze des deutschen Auslandsnachrichtendienstes BND. Er soll laut Medienberichten Botschafter beim Heiligen Stuhl in Rom werden
Foto: Britta Pedersen/dpa
Im Klartext: Einen Angriff Russlands auf Nato-Gebiet hält der deutsche Auslandsnachrichtendienst für wahrscheinlich. Laut Kahl gibt es in Moskau „Leute, die glauben nicht mehr, dass Artikel 5 der Nato funktioniert. Und sie würden das gerne testen“.
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Artikel 5 der Nato (Bündnisfall) bedeutet: Greift einer an, verteidigen alle! Wird ein Nato-Land attackiert, stehen die anderen Mitgliedstaaten ihm bei – notfalls auch mit Waffen. Dieses Versprechen schützt jedes Mitglied. Und genau das will Russland-Diktator Wladimir Putin (72) laut BND-Chef Kahl auf die Probe stellen. US-Präsident Donald Trump (78) hatte mehrfach damit gedroht, die Nato zu verlassen und den europäischen Mitgliedern vorgeworfen, nicht genug für die Verteidigung zu tun.
Das Ziel der russischen Machthaber sei es, den russischen Einflussbereich nach Westen auszudehnen, so Kahl. „Sie wollen die Nato zurückkatapultieren auf den Stand von Ende der 90er-Jahre. Sie wollen Amerika aus Europa herauskicken, und dazu ist ihnen jedes Mittel recht.“
▶︎ Vor 1999 bestand die Nato aus 16 Staaten (darunter Deutschland, USA, Türkei). Im März 1999 kam die Osterweiterung: Polen, Tschechien und Ungarn schlossen sich dem Bündnis an. Die baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen) sind erst seit 2004 Mitglieder. Sie werden immer wieder als mögliche Angriffsziele der Russen ausgemacht.
Das meint auch Kahl: Russland müsse für einen Bündnisfall-Test „keine großen Bombenangriffe fliegen oder Panzerarmeen in Bewegung setzen“. Es reiche schon, „kleine grüne Männchen“ nach Estland zu schicken, um vorgeblich unterdrückte russische Minderheiten zu schützen. „Das ist der Test aufs Bündnis, der gemacht werden wird“, so Kahl. Hintergrund: 2014 setzte Putin russische Truppen ohne Hoheitsabzeichen („grüne Männchen“) auf der Krim ein, um die ukrainische Halbinsel einzunehmen.
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Angesichts der russischen Pläne mahnt Kahl: „Die Abschreckung ist der unblutigste Weg, um Krieg zu verhindern.“ Verhandlungen des Westens mit Russland hält er derzeit hingegen nicht für einen vielversprechenden Weg. „Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass Putin an seiner Denke, in seiner aggressiven Art und Weise, dieses Problem zu Ende bringen zu wollen, etwas geändert hat“, sagte Kahl.
Die Forderungen Russlands, die bei Verhandlungen in Istanbul vor rund einer Woche gestellt worden waren, seien ein Beweis dafür, dass eine Kapitulation der Ukraine verlangt werde „und sonst nichts“.