Berlin – Immer mehr Kinder unter 14 Jahren werden straffällig. Die Zahl der Tatverdächtigen in diesem Alter verdoppelte sich im Zeitraum 2016 bis 2024 bundesweit auf 13.755. Allein von 2023 auf 2024 nahm die Zahl der tatverdächtigen Kinder um 11,3 Prozent zu.
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Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt besorgt darüber geäußert, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich an Verbrechen beteiligen, ständig zunehme. Kinder würden mit Messern Raubüberfälle verüben oder sich gegenseitig angreifen.
Dabei wird die Frage immer drängender, wie mit diesen Kindern zu verfahren sei. In Deutschland setzt die Strafmündigkeit erst im Alter von 14 Jahren ein. Immer, wenn ein besonders schweres Verbrechen von einem Kind verübt wird, flammt die Debatte über diese Altersgrenze neue auf.
So war es auch am 22. Mai, als an der Grundschule am Weinmeisterhorn in Spandau ein 13-jähriger Schüler der 6. Klasse auf einen Klassenkameraden einstach und ihn lebensgefährlich verletzte. Der Täter kam anschließend in psychiatrische Behandlung.
Noch im Bundestagswahlkampf hatten sich CDU und CSU für die Senkung der Strafmündigkeit ausgesprochen, nach dem Vorbild anderer EU-Länder. In Frankreich liegt die Grenze bei 13 Jahren, in den Niederlanden bei zwölf und in England bei zehn Jahren. „Ich bin klar für 12 Jahre“, sagte im Februar CDU-Generalsekretär Linnemann dem Sender WELT TV.
Doch im Koalitionsvertrag mit der SPD ruderten die Christdemokraten zurück. Nun wird eine Studie in Auftrag gegeben, die „gesetzgeberische Handlungsoptionen benennen wird.“ So gewunden formuliert es die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, Susanne Hierl (CSU).
Angesichts dieses Zögerns brachte am Donnerstag die AfD einen Gesetzesvorschlag in den Bundestag ein, der vorsieht, die Strafmündigkeit auf 12 Jahre zu senken und das Jugendstrafrecht nur noch bis zu einem Alter von 18 Jahren (bisher 21) anzuwenden.
Die CDU wird diesen Vorschlag ablehnen, weil er von der AfD stammt, obwohl er dem Inhalt nach den Vorstellungen der Union entspricht. Die SPD lehnt eine frühere Strafmündigkeit als nicht notwendig rundweg ab.
Kinder werden früher straffällig
Dafür aber sprechen mindestens vier gute Argumente: Erstens ist die juristische Aufarbeitung nach einem schweren Verbrechen von großer Bedeutung für die Opfer, für die Öffentlichkeit, aber auch für den Täter. Im Falle von Kindern bleibt die Aufklärung der nähren Umstände vollkommen aus.
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Zweitens kann der Prozess Folgetaten verhindern, wenn das Täterkind angemessen bestraft wird. Drittens wurde die Strafmündigkeit im Jahre 1923 willkürlich von 12 auf 14 Jahre angehoben, mit dem Argument, dass in diesem Alter die Schulpflicht endete. Diese Altersgrenze hat also nichts mit der tatsächlichen Straffähigkeit zu tun. Und viertens werden Kinder heute eben früher straffällig, wie sie Statistik zeigt.
Alles spricht dafür, Kinder, die Verbrechen begehen, künftig ab 12 Jahren vor Gericht zu stellen. Der Bundestag aber verstellt abermals den Weg dorthin.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de