Das Zentrum für Physik des Lebens untersucht zum Beispiel, wie elektrische Felder in einem Embryo eine Zellwanderung starten. Visualisierung: Julien Marcetteau for the Barriga Lab/PoL
Dem Geheimnis des Lebens auf der Spur
Dresden, 9. April 2025. Um auf der Suche nach den tieferen Geheimnissen des Lebens besser voran zu kommen, soll das Exzellenzzentrum Physik des Lebens“ (englisch: Physics of Life, kurz: PoL) am Tatzberg in Dresden einen eigenen Institutsneubau bekommen. Das hat das sächsische Finanzministerium auf Oiger-Anfrage bestätigt. Zu erwarten ist durch diese Investition ein weiterer Schub für Dresden als als Standort der Lebenswissenschaften wie Medizin, Genetik und Molekularbiologie.
Genaue Kosten- und Baupläne liegen zwar noch nicht vor – auch mit Blick auf die nahenden Sparhaushalte für den Freistaat: „Aufgrund der frühen Planungsphase können noch keine Angaben zu den zu erwartenden Kosten sowie zum Realisierungszeitraum gemacht werden“, heißt es dazu aus dem Finanzministerium. Doch es dürfte sich voraussichtlich um einen Komplex für etwa 15 Forschungsgruppen mit insgesamt rund 300 Wissenschaftlern und eine Investition im niedrigen zweistelligen Millionenbereich handeln.
Wie fügen sich Atome zu Lebewesen zusammen?
Der Ausgangspunkt dieser Pläne: 2017 richteten die TU Dresden sowie die Max-Planck-Institute für für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) und für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS) gleich neben dem Uniklinikum ein „Zentrum für Systembiologie“ ein. Ein Jahr später bekam die TU Dresden einen Förderzuschlag von Bund und Ländern, um ein Exzellenzzentrum für die Physik des Lebens aufzubauen. Die Idee für beide Zentren zielt in eine ähnliche Richtung: über den Tellerrand der Biologie hinauszuschauen und endlich zu verstehen, welche physikalischen und chemischen Kräfte wirken, wenn sich Atome zu organischen Molekülen, die dann zu Zellen und Gewebe verbinden – und daraus schließlich ein Mensch wächst. Dafür arbeiten Biologen, Physiker, Chemiker, Informatiker und andere Experten fachübergreifend zusammen, setzen dabei auch Hochleistungsrechner und Künstliche Intelligenzen (KI) ein.
Prof. Stephan W. Grill ist Direktor und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt
Forscher übers Stadtgebiet verstreut
Während aber das Zentrum für Systembiologie beizeiten ein eigenes Gebäude gleich neben den Planck-Zellbiologen an der Pfotenhauer Straße bekam, ist das Exzellenzcluster PoL bisher immer noch ein eher ein Netzwerk aus Wissenschaftlern, die über ganz Dresden verstreut sind. „Das war als Einstiegslösung auch richtig so“, betont der PoL-Mitbegründer Prof. Stephan Grill, der inzwischen auch einer der Direktoren am MPI-CBG ist. „Aber wir wollen diese Gruppen endlich zusammenziehen.“ Zudem haben er und seine Kollegen erst kürzlich über 40 Millionen Euro für einen neuen Forschungsbereich „Biomedizinische Künstliche Intelligenz – BioAI“ eingeworben – auch dort entstehen zwei neue Forschungsgruppen. Und noch mehr Platzbedarf dürfte entstehen, wenn das PoL-Kollektiv mit seinem Antrag um weitere Exzellenzmillionen für die nächsten Jahre an die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ (DFG) durchkommt.
Neubau entsteht modular am Tatzberg
Aber unabhängig davon, ob die Dresdner „Physik des Lebens“ in der nächsten Verteilrunde für Bundes-Exzellenzgelder zum Zuge kommt oder nicht: In jedem Fall soll ein eigenes Pol-Gebäude her. „Das interdisziplinäre Forschungszentrum „Physik des Lebens“ wird als eines der Exzellenzcluster der Technischen Universität Dresden geplant. Es bildet damit eine wichtige Säule für den Standort Dresden als Exzellenzuniversität“, streicht das Finanzministerium heraus. „Der Neubau soll im Quartier ,Tatzberg’ in der Johannstadt entstehen, für welchen ein verbindlicher Bebauungsplan besteht.“ Ins Auge gefasst haben die Planer laut DNN-Informationen ein Grundstück zwischen dem Bioinnovationszentrum (Bioz) I und dem Stadtreinigungs-Areal. Angesichts der Haushaltslage und der noch offenen weiteren Exzellenzförderung für das PoL ist ein modularer Aufbau angedacht: „ Die Größe der Gebäude wird unter anderem in Abhängigkeit zu der Zahl der dort in Zukunft beschäftigten Mitarbeitenden und Studierenden geplant werden“, heißt es aus dem Finanzministerium. „Die Errichtung des Forschungszentrums PoL soll durch schrittweisen Aufbau von Modulen realisiert werden.“
Exzellenzzentrum „PoL“ stärkt lebenswissenschaftlichen Campus in Dresdner Johannstadt
Das Exzellenzzentrum „Physik des Lebens“ ist Teil einer langfristigen Strategie, die die Landesregierung zur Jahrtausendwende mit ihrer „Biotechnologie-Offensive“ eingeschlagen hatte: Neben der Autoindustrie und der Mikroelektronik sollte ein neues Standbein für Sachsen entstehen. Damals investierte der Freistaat rund 200 Millionen Euro in den Aufbau von Biotech-Gründerzentren und -Instituten vor allem in Dresden und Leipzig. Rings ist seither in Dresden-Johannstadt ein ganzer lebenswissenschaftlicher Campus entstanden. Ankerpunkte sind heute das Uniklinikum, das Planck-Genetikzentrum MPI-CBG (Start im Jahr 2001), das Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden (Biotec, ebenfalls 2001) das Zentrum für Systembiologie, das Zentrum für regenerative Therapien Dresden (CRTD, 2006), das „Center für Molecular Bioengineering“ (B-Cube, 2008), das Zentrum für Systembiologie (2017), „Physics of Life“ (2018) sowie viele weitere außeruniversitäre Institute, die sich beispielsweise mit neurodegenerativen Krankheiten, Krebsforschung und Zelltherapien beschäftigen. Außerdem wuchs mit dem Bioz 1 am Tatzberg ein Firmenausbrüter, ein zweites Biotech-Gründerzentrum (Bioz II) entsteht derzeit an der Fiedlerstraße. Aus diesem Forschungs-Konglomerat haben sich auch bereits zahlreiche lebenswissenschaftliche Unternehmen wie Dewpoint, Katana Labs, Lipotype, Novaled, und viele andere ausgegründet.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: SMF, Prof. Grill/MOI-CBG, Oiger-Archiv, TUD
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