1. Startseite
  2. Wissen

DruckenTeilen

Die Urknall-Theorie lässt grundlegende Fragen offen. Nun präsentieren Forschende eine alternative Erklärung für die anfängliche Entstehung des Universums.

Portsmouth – Das Universum ist riesig und dehnt sich immer weiter aus – und das bereits seit dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren. Als „Urknall“ bezeichnet die Astrophysik die explosive Geburt des Universums – innerhalb eines einzigen Momentes entstanden Raum, Zeit und Materie. Der Urknall, im englischen „big bang“ genannt, ist in der Forschung relativ unumstritten. Doch immer wieder gibt es Forscherinnen und Forscher, die überlegen, ob es nicht vor dem Urknall schon etwas anderes hätte geben können oder ob der „big bang“ überhaupt so stattgefunden hat.

Der Urknall: In einem einzigen Moment entstand das gesamte Universum

„Was, wenn der Urknall gar nicht der Anfang war?“, fragt Enrique Gaztanaga von der University of Portsmouth in einem Gastbeitrag auf dem Portal The Conversation. Er fährt fort: „Was wäre, wenn unser Universum aus etwas anderem entstanden wäre – etwas Vertrauterem und gleichzeitig radikalem?“ Gemeinsam mit einem Forschungsteam hat Gaztanaga sich dieser Frage gewidmet. Die Forschungsergebnisse wurden im Fachjournal Physical Review D veröffentlicht.

Blick in die Tiefen des Universums – So sieht „Hubble“ das WeltallDiese Aufnahme der elliptischen Radiogalaxie Hercules A stammt ebenfalls vom „Hubble“-Weltraumteleskop der Nasa. Die Galaxie ist 2,1 Milliarden Lichtjahre entfernt und befindet sich im Sternbild Herkules. Zu sehen sind riesige Plasma-Jets, die vermutlich von einem supermassereichen schwarzen Loch im Innern der Galaxie angetrieben werden.Fotostrecke ansehen

„Unsere Berechnungen deuten darauf hin, dass der Urknall nicht der Anfang von allem war, sondern eher das Ergebnis eines Gravitationsknalls oder -kollapses, der ein sehr massives schwarzes Loch bildete – gefolgt von einem Aufprall in dessen Inneren“, schreibt Gaztanaga. Das Forschungsteam nennt die radikale Idee „Schwarzes-Loch-Universum“. Gaztanaga betont: „Sie beruht vollständig auf bekannten physikalischen Grundlagen und Beobachtungen.“

Forscher übt Kritik an der Urknall-Theorie – „lässt grundlegende Fragen unbeantwortet“

Da stellt sich die Frage: Was spricht eigentlich gegen die Urknall-Theorie? Der Forscher betont, dass sie „erstaunlich erfolgreich darin ist, die Struktur und Evolution des Universums zu erklären“. Trotzdem übt er Kritik: „Sie lässt einige der grundlegendsten Fragen unbeantwortet.“ Unter anderem merkt Gaztanaga an, dass die Forschung dunkle Energie zu den Theorien hinzugefügt habe, um beispielsweise die beschleunigte Expansion des Universums zu erklären – und das ganz, ohne dunkle Energie überhaupt zu kennen.

„In Kürze: Das Standardmodell der Kosmologie funktioniert gut, aber nur, indem Zutaten hinzugefügt werden, die wir nie direkt beobachtet haben“, fasst der Wissenschaftler zusammen. „Währenddessen bleiben die grundlegenden Fragen offen: Wo kam alles her? Warum hat es so angefangen? Und warum ist das Universum so flach, glatt und groß?“

Der Urknall soll der Anfang unseres Universums gewesen sein. Doch was, wenn es vorher bereits etwas anderes gab? (Symbolbild)Der Urknall soll der Anfang unseres Universums gewesen sein. Doch was, wenn es vorher bereits etwas anderes gab? (Symbolbild) © MontageForschungsteam hat Alternative zur Urknall-Theorie entwickelt

Das neue Modell, das das Forschungsteam erarbeitet hat, schaut aus einem neuen Blickwinkel auf das Problem: „Statt mit einem expandierenden Universum zu beginnen und zurückzuverfolgen, wie es begann, überlegen wir, was passiert, wenn eine überdichte Sammlung von Materie unter ihrer Schwerkraft zusammenbricht“, so Gaztanaga. Das sei ein bekannter Prozess im Weltall: Sterne kollabieren und werden zu schwarzen Löchern – doch was im Inneren von schwarzen Löchern passiert, bleibt bis heute ein großes Rätsel.

Dem Forschungsteam zufolge gibt es jedoch eine „einfache mathematische Lösung“, die beschreibe, wie eine kollabierende Materiewolke „einen Zustand hoher Dichte erreichen kann, um dann abzuprallen und in eine neue Expansionsphase überzugehen“. Dieser Abprall sei unter den richtigen Bedingungen unvermeidlich. Die wichtigste Erkenntnis des Forschungsteams: „Auf der anderen Seite des Abpralls entsteht ein Universum, das dem unseren bemerkenswert ähnlich ist.“ Das alles geschehe „komplett innerhalb der Relativitätstheorie – keine exotischen Felder, Extradimensionen oder spekulative Physik werden benötigt“, betont Gaztanaga.

Esa-Weltraumteleskop kann die Theorie im Weltall testen

Eine der Stärken des Modells sei es, dass es testbare Vorhersagen mache. Beispielsweise das „Euclid“-Weltraumteleskop der Esa könnte einen Hinweis darauf finden, ist der Forscher überzeugt. „Dieses Modell behebt nicht nur technische Probleme der Standardkosmologie. Es könnte auch ein neues Licht auf andere tiefgreifende Rätsel in unserem Verständnis des frühen Universums werfen – wie den Ursprung supermassereicher schwarzer Löcher, die Natur der dunklen Materie oder die hierarchische Entstehung und Entwicklung von Galaxien.“

Zum Schluss verdeutlicht Gaztanaga noch einmal die neue Perspektive, die die Theorie gibt: „In diesem Rahmen liegt unser gesamtes beobachtbares Universum im Inneren eines schwarzen Lochs, das in einem größeren ‚Mutteruniversum‘ entstanden ist. Wir sind nichts Besonderes. Wir sind nicht Zeuge der Geburt von allem aus dem Nichts, sondern vielmehr der Fortsetzung eines kosmischen Zyklus, der von der Schwerkraft, der Quantenmechanik und den tiefgreifenden Zusammenhängen zwischen ihnen geprägt ist.“ (tab)