Das polnische Parlament hat Ministerpräsident Donald Tusk das Vertrauen ausgesprochen. Der EU-freundliche Regierungschef erhielt 243 der 453 Stimmen. Damit sprach mindestens ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete aus Reihen der Opposition der Regierung das Vertrauen aus: Tusks Drei-Parteien-Koalition verfügt über 242 der insgesamt 460 Stimmen im Parlament. Sieben Abgeordnete nahmen an der Abstimmung nicht teil.
Die Regierung des polnischen Ministerpräsidenten war seit ihrem Amtsantritt Ende 2023 in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Reformentwürfe, etwa zum Justizsystem, wurden vom Präsidenten
Andrzej Duda aus den Reihen der nationalkonservativen PiS blockiert.
Neuer Präsident will Regierungsvorhaben blockieren
Nach dem knappen Wahlsieg des rechtskonservativen Karol
Nawrocki bei der Präsidentenwahl Anfang Juni ist zu erwarten, dass der neue
Präsident den Kurs Dudas fortsetzen und die Reformbemühungen der Tusk-Regierung
weiter blockieren wird.
Auch Nawrocki selbst kündigte an, der Regierungschef müsse sich
auf „starken Widerstand aus dem Präsidentenpalast“ einstellen und erklärte den
Sturz der aktuellen Regierung zu seinem Ziel. Dabei deutete er an, es gehe ihm dabei um Tusk persönlich: „Wenn die Koalition weiter bestehen will, dann sollte sie den Regierungschef besser auswechseln“, sagte Nawrocki zuletzt.
Nach der Wahl hatten Koalitionspartner Tusks öffentlich ein vorzeitiges Ende der Regierung erwogen. Damit stellte sich die Frage, ob die Koalition bis zur nächsten Parlamentswahl durchhält, die Ende 2027 stattfinden soll.
Der Ostcast – :
Vom Hooligan zum Präsidenten
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„Ich kenne das Wort Kapitulation nicht“
Als Reaktion darauf hatte Tusk die
Vertrauensabstimmung angekündigt. Er wolle damit demonstrieren, „dass wir ein
Mandat zum
Regieren haben“, sagte der Ministerpräsident vor der Abstimmung – und zeigte sich kämpferisch: „Ich kenne die Bitterkeit einer Niederlage, aber ich kenne das Wort Kapitulation nicht.“ Zudem stellte er eine Regierungsumbildung für Juli in Aussicht.
© Lea Dohle
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Zugleich räumte der Regierungschef die schwierige Lage seiner Koalition ein. „Wir können die Augen nicht vor der Realität verschließen. Diese Herausforderungen sind größer, als wir nach den Präsidentschaftswahlen erwartet haben.“ Bei der
Präsidentschaftswahl hatte Tusks Regierung den liberalen Warschauer
Bürgermeister Rafał Trzaskowski unterstützt.
Der ehemalige EU-Ratspräsident Tusk war angetreten, um das politische System Polens wieder zu demokratisieren. Die PiS-Regierungen der Jahre zuvor hatten ihren Einfluss auf das Justizsystem gesteigert und die in Polen ohnehin sehr restriktive Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen weiter verschärft. Vor allem die Einflussnahme auf die Justiz hatte zu heftigem Streit mit EU-Institutionen geführt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits 2023 geurteilt, dass die PiS-Reformen gegen EU-Recht verstießen.
Polen
Karol Nawrocki:
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Polen:
Was Deutschland aus der Wahl eines rechten Präsidenten lernen kann
Politikpodcast:
Polen – ein Labor für die Zukunft Europas