Legendärer Banküberfall bei „XY gelöst”Bankräuber verhöhnen Polizei und fliehen durch selbstgegrabenen Tunnel in Berlin-ZehlendorfTunnel-Bankraub Berlin 1995

Polizisten mit kugelsicheren Westen betreten die überfallene Commerzbank-Filiale – nach 18 Stunden konnten alle 16 Geiseln unverletzt befreit werden.

picture-alliance / dpa | Peter Kneffel11. Juni 2025 um 18:20 Uhr

von Sebastian Stöckmann

Es ist einer der spektakulärsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte.
Vier Männer stürmen am 27. Juni 1995 in eine Bankfiliale in Berlin-Zehlendorf. Sie nehmen Angestellte und Kunden als Geiseln und fordern 17 Millionen D-Mark Lösegeld. Als die Polizei die Filiale stürmt, sind die Täter weg – geflohen durch einen selbstgegrabenen Tunnel. Das ZDF rekonstruiert den Fall am 11. Juni in der True-Crime-Reihe „XY gelöst”.

Damaliger SEK-Einsatzleiter äußert sich in ZDF-Reihe „XY gelöst” zu Banküberfall in Berlin-Zehlendorf 1995

Um 10.15 Uhr fährt ein weißer Lieferwagen vor die Commerzbank-Filiale in Berlin-Zehlendorf. Vier maskierte und bewaffnete Männer springen heraus und stürmen die Bank. Sie bringen sechs Bankangestellte und zehn Kunden in ihre Gewalt. Die Gangster schalten Überwachungskameras aus, verdunkeln Fenster, legen Handgranaten vor die Tür.

Weil in der Bank ein Alarm ausgelöst wurde, umstellt die Polizei eine halbe Stunde später das Gebäude. SEK-Einsatzkräfte und Präzisionsschützen bringen sich in Stellung. „Die wissen, dass sie die Ersten sind, wenn sie da rein müssen”, sagt der damalige SEK-Einsatzleiter Martin Textor in „XY gelöst”. „Die kommen in eine Situation, die sie selbst gar nicht so schnell einschätzen können. Und da kann es auch sein, dass sie schnell von einer Kugel getroffen werden.” Immer mehr Journalisten und Schaulustige verfolgen das Spektakel.

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Geiselnahme in Berliner Bank ist nur Ablenkungsmanöver für Millionenraub

Die Bankräuber schicken eine Kundin mit einem Brief nach draußen. In dem Schreiben fordern sie einen vollgetankten Fluchtwagen, einen Hubschrauber und 17 Millionen D-Mark Lösegeld – innerhalb von sechs Stunden. „Eine unmögliche Forderung”, erklärt Textor. So viel Bargeld wäre in allen Banken Berlins zusammen nicht aufzutreiben gewesen.

Am Telefon sprechen die Geiselnehmer nicht selbst mit der Polizei, sondern lassen den stellvertretenden Filialleiter der Bank reden. Sie drohen, einer Geisel ins Knie zu schießen, falls ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Später platzieren sie eine Geisel am Fenster der Bank.

Was die Polizei nicht ahnt: Die Geiselnahme ist nur ein Ablenkungsmanöver und Teil eines ausgeklügelten Plans der Gangster.

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Gegen 20 Uhr stellt die Polizei 5,6 Millionen D-Mark in Plastiksäcken vor die Bank – der stellvertretende Filialleiter holt das Geld in die Filiale. Die Täter fordern auch das restliche Geld und drohen, einen Mann und eine Frau zu erschießen. Sie verlängern das Ultimatum bis 2 Uhr nachts: um Zeit zu gewinnen, wie sich später herausstellt.

Die Polizei erreicht die Geiselnehmer per Telefon nicht mehr. Als die Geiseln, denen die Gangster Jutebeutel über den Kopf gestülpt haben, nachts aufwachen, hören auch sie nichts mehr von den Kriminellen. Der stellvertretende Filialleiter erklärt der Polizei am Telefon, die Täter seien nicht in der Nähe – sofort stürmt das SEK das Gebäude. Um 3.45 werden die erschöpften Geiseln befreit, doch die Gangster sind über alle Berge: geflohen durch eine Kombination aus einem Abwasserkanal und einem Tunnel, den sie rund ein Jahr lang zum Keller der Bank gegraben hatten. Die Staatsanwaltschaft spricht später von einer „handwerklichen Meisterleistung”; die Polizei wird von der Presse verhöhnt.

Während der Geiselnahme haben die Räuber im Keller 207 Schließfächer ausgeräumt. Ihre Beute beträgt insgesamt rund 16 Millionen D-Mark.

Tunnel-Räuber von Berlin-Zehlendorf zu Haftstrafen verurteilt

Die 61-köpfige Sonderkommission „Coba” (für Commerzbank) arbeitet effizient: Nach fünf Wochen sitzen sechs von wahrscheinlich elf Bankräubern in Untersuchungshaft – drei Syrer, ein Libanese, ein Italiener und ein Deutscher. Sie werden zu Freiheitsstrafen zwischen zweieinhalb und 13 Jahren verurteilt, ein siebter Täter später zu drei Jahren Haft. Die Polizei kann im Laufe der Zeit mehrere Teile der Beute sicherstellen. Ob sie alles gefunden hat, ist ungewiss.

Die Commerzbank-Filiale in der Nähe des Berliner Wannsees existiert heute nicht mehr. Doch die dramatischen Ereignisse vom Juni 1995 bleiben unvergessen.