Dresden – Nach Deutschland, sagt Hasim R. (27), kam er eigentlich „aus Versehen“. Der Mann aus Tunesien wurde registriert, bekam ein paar Papiere in die Hand und blieb einfach. Bei den Behörden meldete er sich nie, und sie interessierten sich offenbar auch nicht für ihn.
Die Geschichte von Hasim R., der kürzlich in Dresden vor Gericht stand, sagt vieles darüber aus, was bei der Migration nach Deutschland alles schiefläuft. R. stellte nie einen Asyl-Antrag, war von Tag 1 an ausreisepflichtig – und blieb trotzdem. Einfach so. Heute führt die Polizei den Tunesier als gefährlichen Intensivtäter. Im Prozess ging es um zahlreiche Straftaten – u.a. unerlaubte Einreise und Aufenthalt, Waffenbesitz (Elektroschocker), Hausfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung (Attacken mit abgebrochenen Flaschen).
Tunesier reiste „aus Versehen“ nach Deutschland
Mit dem Zug kam der Tunesier nach Deutschland. Seine Station: Freiburg im Breisgau
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Laut Akten wurde Hasim R. am 1. November 2023 in Trier und am 27. November 2023 in Freiburg aufgegriffen worden. Vor Gericht sagte er, er sei „aus Versehen“ von Frankreich nach Deutschland gefahren, um eine Frau zu treffen. Beide Male hätte er sogenannte Anlaufbescheinigungen ausgefüllt. Er sollte sich bei Asyl-Behörden melden, um Anträge zu stellen. Der Tunesier: „Ich habe es nicht verstanden, was sie mir gegeben haben.“ Also machte er gar nichts. Folgen hatte das keine. Die Bundespolizei sagt auf BILD-Anfrage, dass sie „aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes“ keine Informationen zu R. gibt.
Julia Klement (53) ist Staatsanwältin in diesem Fall
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Illegal Eingereister verschwand spurlos
BILD fragte diverse andere Dienststellen und Behörden an, die sich entweder für nicht zuständig erklärten, nie von R. erfuhren oder ebenfalls aus Gründen des Datenschutzes keine Auskunft geben. Am 4. Mai 2024 – rund sieben Monate später – vermerkte das Bundesverwaltungsamt im Ausländerzentralregister schließlich: „Fortzug nach unbekannt“. Was der Tunesier monatelang in Deutschland trieb, ist bis heute unklar.
Eine Vielzahl an Straftaten beging der Tunesier im Szeneviertel der Dresdner Neustadt
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Drogenhandel finanzierte Lebensunterhalt
Sicher ist nur eins: Ab dem Sommer 2024 fiel Hasim R. immer wieder mit Straftaten auf, war in einen Streit mit abgebrochenen Bierflaschen verwickelt. Im Oktober 2024 wurde er deshalb in der Dresdner Neustadt festgenommen.
Sein Lebensunterhalt hatte er offenbar mit Rauschgifthandel bestritten. Die Staatsanwältin im Prozess zum Tunesier: „Sie sagten dem Gutachter, sie hätten Drogen verkauft, weil sie Geld benötigt hätten, weil sie keinen Asylantrag gestellt hätten.“ Der Angeklagte bestreitet diese Aussage. Der Dolmetscher hätte angeblich falsch übersetzt. Geld vom Staat bekam R. nie, denn für den Staat existierte er nicht.
Peter Hollstein (56) ist der Pflichtverteidiger des Tunesiers
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Ausreisepflichtiger in Psychiatrie untergebracht
Von Oktober 2024 bis Januar 2025 saß der Tunesier in der JVA Dresden, anschließend in der Psychiatrie in Arnsdorf. Der Verdacht: drogeninduzierte Psychosen. Im Verfahren musste durch Gutachter Prof. Dr. Dr. Markus Donix (47) geklärt werden, ob der Intensivtäter tatsächlich psychisch krank ist.
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Insider berichten BILD, dass der Mann, der nie hätte hier sein dürfen, den Staat sehr viel Geld kostete. Laut sächsischen Justizministerium fallen für einen Gefangenen 165,53 Euro pro Tag an. Der Tunesier saß 86 Tage in U-Haft, macht allein 14.235,58 Euro.
In der JVA Dresden saß der Intensivtäter ein, bevor er in die Psychiatrie wechselte
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Das Dresdner Sozialministerium kann dagegen nicht konkret beziffern, wie hoch die Unterbringungskosten in der Psychiatrie sind. Insider berichten BILD, dass die Beträge in etwa dreimal höher als in der U-Haft sind. Macht bei Hasim R. (121 Tage) rund 60.000 Euro.
Heißt: Es sind bereits mehr als 74.000 Euro Kosten aufgelaufen – Polizei, Staatsanwaltschaft, Pflichtverteidiger, mehrere Dolmetscher, Gutachter und Gerichtskosten noch nicht eingerechnet.
Intensivtäter wieder auf freien Fuß
Für die illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt sowie weitere Straftaten wurde er schließlich zu sieben Monate Haft verurteilt. Die Bierflaschen-Attacke war ihm nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Die verhängte Haftstrafe wurde mit der U-Haft verrechnet. Heißt: Hasim R. kam wieder auf freiem Fuß – und ist weiter ausreisepflichtig. Abgeschoben wurde er aber nicht – u.a., weil er angeblich seinen Ausweis verloren hatte.
Pflichtverteidiger Peter Hollstein (56) zu BILD: „Wo er sich jetzt befindet, weiß ich nicht.“ Den Behörden in Deutschland geht es genauso.