Blick in die Zukunft
„Mördertool“ soll in Großbritannien mögliche Täter vorhersagen
09.04.2025, 13:45 Uhr
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Wer wird zum Gewalttäter? Ein Tool zur Mordvorhersage soll diese Frage der britischen Regierung künftig beantworten. Das klingt innovativ, doch es gibt auch Kritik.
Das britische Justizministerium entwickelt zurzeit ein Programm, das anhand von Personendaten mögliche Mörder identifizieren soll. Genutzt werden sollen dafür Daten von Personen, die Polizei und Behörden bereits bekannt sind, berichtet der „Guardian“.
Das Projekt, das mittlerweile von „homicide prediction project“ (Projekt zur Vorhersage von Tötungsfällen) in „sharing data to improve risk assessment“ (Datenaustausch zur Verbesserung der Risikobewertung) umbenannt wurde, soll zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit beitragen. Untersucht werden Tätermerkmale, die das Risiko eines Mordes erhöhen, heißt es vom britischen Justizministerium. Quellen dafür seien Daten der Bewährungshilfe und der Polizei.
Die britische Bürgerrechtsbewegung Statewatch kritisiert allerdings, dass neben Daten von Straftätern angeblich auch die von Opfern, Zeugen und Vermissten ausgewertet werden sollen. „Die Daten enthalten auch Informationen über Menschen in prekären Lebenssituationen. Dazu gehören Daten zur psychischen Gesundheit, zu Sucht, Selbstverletzung, Suizid, Verletzlichkeit und Behinderung“, heißt es in einer Mitteilung von Statewatch.
Vorverurteilung und Diskriminierung?
Statewatch hält das Projekt für „erschreckend“ und kritisiert: „Studien zeigen immer wieder, dass algorithmische Systeme zur Kriminalitätsvorhersage grundsätzlich fehlerhaft sind. Dennoch treibt die Regierung KI-Systeme voran, die Menschen als Kriminelle profilieren, bevor sie überhaupt etwas getan haben.“ Die Bürgerrechtsbewegung befürchtet zudem, das Projekt könnte strukturelle Diskriminierung verstärken und zulasten ethnischer Minderheiten gehen. Statewatch fordert stattdessen eine Investition der Gelder in unterstützende Sozialleistungen.
Die britischen Behörden betonen, dass sie keine Daten von unschuldigen Personen verwenden würden. Untersucht würden nur Daten von Personen mit mindestens einer Vorstrafe. Zudem würde das Projekt in der aktuellen Phase ausschließlich der Forschung dienen. Ziel sei es, das Risiko schwerer Straftaten bei Straftätern auf Bewährung besser zu verstehen und zu prüfen, ob die Einbeziehung solcher Daten die Risikobewertung künftig optimieren könne.
Die Zahl der Tötungsdelikte stieg in den vergangenen Jahren in Großbritannien deutlich an, insbesondere im Bereich der Messergewalt und Jugendkriminalität. Allein im Jahr 2021/22 stieg die Zahl der durch Messerattacken Getöteten einer Analyse des britischen Statistikamtes zufolge um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und damit auf den höchsten Wert seit 1946. Auch die hohe Rückfallquote bei verurteilten Straftätern steht in der Kritik. Die Mordrate in Großbritannien lag im Jahr 2021 bei 1,15 vorsätzlichen Tötungen pro 100.000 Einwohner. In Deutschland lag sie zuletzt bei 0,8 Fällen pro 100.000 Einwohner.