Ein stillgelegtes Gleisbett, kein Zug in der Nähe, Brombeersträucher suchen sich ihren Weg zwischen Geröll und Metall – dieses beinahe pittoreske Bild kennen viele Passagiere der Linie S1 seit einigen Wochen. Seit dem 2. Mai ist der Abschnitt zwischen Düsseldorf Hauptbahnhof und Solingen Hauptbahnhof gesperrt – und das für einige Monate. Der Grund: die Deutsche Bahn führt umfassende Bauarbeiten im Bereich durch, die die Pünktlichkeit verbessern sollen.

„Geplant ist ein modernes elektronisches Stellwerk in Düsseldorf-Rath ab 2028, das Personal dort steuert dann weitere Technikstellwerke in Düsseldorf-Eller, Hilden und Immigrath“, erklärt Christian Walge, Projektmanager bei DB InfraGo. Aktuell arbeitet das Stellwerk in Rath noch mechanisch, also mit Muskelkraft – zukunftsträchtig ist das nicht, das neue Werk wird elektronisch laufen. Damit der Plan aufgeht, müssen aber unter anderem jede Menge Kabel verlegt werden, von mehr als 480.000 Metern spricht man bei der Deutschen Bahn. Dazu kommen 470 neue Signale, vier zusätzliche Weichenverbindungen und mehr als 55 Kilometer neue Kabelkanäle. Weil diese Arbeiten nur schwer während des laufenden Betriebs zu bewerkstelligen sind, steht der Personenverkehr still. „Das tut dann einmal richtig weh, das wissen wir, in Zukunft erhoffen wir uns davon aber weniger und kürzere Sperrpausen“, sagt Ulrich Konopka, Leiter der Bauausführung. Der Güter- und Fernverkehr rollt währenddessen noch – allerdings nur bis zum 14. Juni, bis September fahren dann dort auch keine Züge.

Die Vorteile dieser umfassenden Bauarbeiten: ein deutlich flexibleres System mit weniger Anfälligkeit für Störungen und Verspätungen. „Die Strecke ist ein sehr viel befahrenes Gebiet“, sagt Christian Walge. „In Hinblick auf weitere Bauprojekte wie den Rhein-Ruhr-Express ist es daher für uns wichtig, eine zuverlässige Ausweich- und Umleitungsmöglichkeit zu haben.“ Und auch der Güterverkehr könnte von einer neuen Strecke profitieren – Stichwort Umspannung. Aktuell muss bei jedem Grenzwechsel eine neue Lok vor die Waggons gespannt werden – bei einer so wichtigen Transportachse, von Genua bis Rotterdam, ein immenser Zeit- und Geldverlust. Mit dem neuen Zugbeeinflussungssystem European Train Control System (ETCS) soll die Digitalisierung der Schiene vorangehen, das Stellwerk in Rath ist dafür ein erster Schritt.

Der Sprung von der Theorie in die Praxis wird in Düsseldorf – Eller deutlich, in Form eines großen Materiallagers. Kabelkanäle werden dort abgeliefert, Aushub abgeholt – erst hier werden die Dimensionen der Arbeiten deutlich. Während des Pressetermins fährt ein Lastwagen auf das Gelände unweit der Bahnhaltestelle Düsseldorf-Eller, beladen ist er mit Kabelkanälen, für Laien sehen sie aus wie Betonplatten. Eine Ladung entspricht ungefähr 180 Metern – angesichts der Distanz, über die sich die Baustelle erstreckt, ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Bis zum 14. November um 21 Uhr ist die Strecke noch gesperrt, bis dahin muss der Großteil der Bauarbeiten abgeschlossen sein.

„Der aktuelle Plan sieht vor, dass wir bis dahin mit den Arbeiten abschließen können. Alles, was wir bis dahin nicht abschließen konnten, werden wir in kürzeren Sperrpausen umsetzen“, sagt Christian Walge. Sperrungen, die mehr als vier Wochen dauern, sind aktuell auszuschließen, rund um die Eröffnung der Stellwerke 2028 wird es aber noch einmal zu Behinderungen kommen. Ein Risiko für die Baustelle bleibt der immer auftretende Diebstahl von Kupferkabeln, bis jetzt wurde die Baustelle davon verschont. „Aktuell haben wir sehr hohe Lieferzeiten für diese Art von Kabeln, weswegen ein Diebstahl ein großer Rückschlag wäre“, erklärt Christian Walge. Man setze daher auf Vorlagerung in Hallen, Bewachung durch Streifen und einen Anschluss an die Oberleitung direkt nach dem Verlegen der Kabel.

Und auch in Hilden werden die Fortschritte der Bauarbeiten bemerkbar – wenn auch am Bahnhof statt am Bahngleis. Die Bahnsteige der S-Bahn erhalten ein neues Dach, das in den nächsten Tagen montiert werden soll. Bis es zum Einsatz kommen wird, dauert es noch ein paar Wochen – in der Zwischenzeit werden die Brombeersträucher auf Hildener Gleisen noch einige Zentimeter wachsen.