Liebe Leserin, lieber Leser,
ist Ihnen aufgefallen, dass Hamburg gerade einem, vorsichtig ausgedrückt,
nicht ganz kleinen Unglück entronnen ist? Denn wie sonst soll man die Folgen
beschreiben, die ein Ende der Mietpreisbremse für viele in Hamburg mit sich
gebracht hätte – wäre es dazu gekommen.
Persönlich betrifft mich das Thema nicht, ich bin weder Mieter noch
Vermieter. Aber für zahlreiche Angehörige von Mieterhaushalten geht es hier
nicht um etwas mehr oder weniger Wohlstand, sondern darum, Hausaufgaben unter
dem Küchentisch zu machen, ab Monatsmitte nur noch das Nötigste zu essen oder
mit Fremden Wohnungen zu teilen. Es geht, anders gesagt, um den Abstieg in Lebensverhältnisse,
die mangels einer besseren Bezeichnung Armut genannt werden müssen.
Durch die Mietpreisbremse darf weiterhin die Miete für neu vermietete Immobilien
maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Vergleichssatz liegen. Aber
die Rede ist hier nicht von der aktuellen Verlängerung der Hamburger Regelung
durch den Senat, die war absehbar. In der vergangenen Woche hat die
schwarz-rote Bundestagsmehrheit in erster Lesung die Verlängerung des
bundesweiten Mietpreisbremsen-Gesetzes bis 2029 beschlossen – ohne diese
Entscheidung gäbe es die Regelung ab Jahresende nicht mehr.
Dass die Konservativen sich dazu durchringen würden, war nicht
selbstverständlich. Die Mietpreisbremse, so erklärte es kurz vor der
Bundestagswahl ein CDU-Vertreter im Wohnungsausschuss, sei „an vielen Stellen
sozial ungerecht, weil am Ende Menschen geholfen wird, die ein hohes Einkommen
haben, die sich ohne Weiteres eine teurere Wohnung leisten könnten“. Wo noch
etwas zu holen ist, also aus Vermieterperspektive, da soll es demnach geholt
werden.
© ZON
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Nun liegt der Einwand nahe, in Wirklichkeit seien die Vermieter gar nicht
so. Sind sie auch nicht, jedenfalls nach meiner Erfahrung. Wie allerdings in
deren Interessenverband gedacht wird, war vor vier Jahren in einem Podcast des
Hamburger Grundeigentümerverbands zu hören. Vor der Mietpreisbremse, so
schwärmte dessen Vorsitzender Torsten Flomm, „haben wir Mieterhöhungen gemacht,
da war noch richtig Musik drin“. Und ein Jurist des Verbands präsentierte
passend dazu ein „Pauschalrezept“ für Vermieter: erst die normale Mieterhöhung
bis zur Grenze des Erlaubten, dann die Wohnung sanieren, damit man „dort eine
Modernisierungsmieterhöhung draufsattelt“.
Später ist Flomm zahmer geworden. „Moral ist da ausgesprochen schwierig als
Maßstab“, erklärte er vor zwei Jahren. Auch Vermieter müssten auf ihre Kosten
kommen: Handwerker, energetische Modernisierung, Rücklagen bilden – das seien
die wahren Gründe, „die Mieten zu erhöhen. Der muss die erhöhen, da bleibt ihm
gar nichts anderes übrig.“
Vielleicht sollte ich etwas vorsichtiger über die Verlängerung der
Mietpreisbremse urteilen: Es gibt auch Hamburgerinnen und Hamburger, denen
diese Entscheidung schadet.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Ihr Frank Drieschner
Wollen Sie uns
Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas, worüber wir berichten sollten? Schreiben
Sie uns eine E-Mail an hamburg@zeit.de.
WAS HEUTE WICHTIG IST
© Marcus Brandt
Nach dem Aus seines Nachfolgers Demis Volpi hat sich nun Hamburgs ehemaliger
Ballett-Intendant John Neumeier geäußert. „Ich denke, es ist gut, wenn Ruhe
eintritt im Ballett“, sagte Neumeier dem NDR. Nach 51 Jahren an der Spitze
hatte Neumeier die Leitung des Hamburg Balletts im vergangenen Sommer an Volpi
übergeben. Nach Kritik einiger Tänzerinnen und Tänzer zu Volpis Arbeitsweise
hatte die Hamburger Kulturbehörde am Dienstag mitgeteilt, dass
der Vertrag von Demis Volpi aufgelöst wird. Bis die Nachfolge geklärt ist,
sollen der stellvertretende Ballettintendant Lloyd Riggins, Ballettbetriebsdirektor
Nicolas Hartmann und die stellvertretende Direktorin der Ballettschule Gigi
Hyatt das Hamburg Ballett leiten. Dazu sagte der 86-jährige Neumeier: „Ich habe
das Gefühl, dass das ein höchst kompetentes Team sein wird, das das Ballett
leitet. Und ich kann nur mein Bestes wünschen.“
Hamburg will erreichen, dass die Bundesländer besser zusammenarbeiten, um
bei Menschen mit psychischer Erkrankung frühzeitig Risiken zu erkennen und zu minimieren.
Hintergrund sind jüngste Gewalttaten wie die Messerattacke einer 39-Jährigen am
Hamburger Hauptbahnhof. Sie war erst einen Tag zuvor aus einer psychiatrischen
Klinik in Niedersachsen entlassen worden und war bereits durch Gewalttaten
aufgefallen. Die Innenbehörde will dafür einen Beschlussvorschlag für die nun in
Bremerhaven beginnende Innenministerkonferenz vorlegen. Ziel sei unter anderem
eine bessere Abstimmung der Sicherheits- und Gesundheitsbehörden der Länder.
In einem
Industriegebiet in Wilhelmsburg ist gestern eine Fliegerbombe aus dem
Zweiten Weltkrieg entschärft worden. Die britische 250-Kilo-Bombe lag
in sieben Metern Tiefe im Wasser. Eine Spezialfirma hatte sie bei
Sondierungsarbeiten vor einer geplanten Baumaßnahme entdeckt. Laut Polizei und
Feuerwehr wurde ein 300-Meter-Sicherheitsradius um die Fundstelle eingerichtet.
Es musste aber niemand seine Wohnung verlassen, da in der Gegend keine Menschen
wohnen.
In aller Kürze
• Bis Freitagmittag noch liegt eines der größten Containerschiffe der
Welt am Hamburger Eurogate-Terminal. Die CMA CGM Seine ist knapp 400 Meter
lang und kann mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden • Von Freitag an
sind in Hamburg alle Freibäder geöffnet. Am Samstag werden Temperaturen
bis zu 28 Grad Celsius und Sonnenschein erwartet • Bundesliga-Aufsteiger
Hamburger SV hat den Transfer von Abwehrspieler Jordan Torunarigha perfekt
gemacht, der ehemalige Profi von Hertha BSC kommt ablösefrei vom belgischen
Fußball-Erstligisten KAA Gent. Torunarigha ist der zweite Neuzugang des HSV
nach dem defensiven Mittelfeldspieler Nicolai Remberg von Holstein Kiel
THEMA DES TAGES
© Laszlo Beliczay/dpa
Luftballons für Clara
Der
Hamburgerin Clara W. droht eine Auslieferung nach Ungarn – dorthin, wo Maja T.
wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen gerade in den Hungerstreik getreten
ist. ZEIT:Hamburg-Autorin Elke Spanner hat den Fall aufgeschrieben; lesen Sie
hier einen Auszug aus ihrem Artikel.
Rund 30 weiße Luftballons
schweben langsam Richtung Himmel, über die Mauer der Hamburger
Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder hinweg. Auf jedem einzelnen ist die
Aufschrift „Free Clara“ gedruckt. Die Ballons sind zusammengebunden. An
ihnen hängt ein Transparent. „Antifaschistische Aktion“ steht darauf. Die
Luftballons sind ein Gruß.
Es ist der 31. Mai 2025,
gegen 12 Uhr, und vor der JVA Billwerder haben sich mehrere Männer und Frauen
versammelt, um kurz bei Clara W. zu sein, wenn auch durch dicke Mauern
getrennt. Dabei wissen sie nicht einmal, ob Clara W. die Sprechchöre und
Redebeiträge, die sie für sie halten, in ihrem Frauentrakt überhaupt hören
kann. Seit Ende Januar ist die 24-Jährige in der Untersuchungshaft. Seitdem
halten Aktivistinnen und Aktivisten regelmäßig Kundgebungen für sie ab, und wie
lange das noch so weitergehen wird, ist nicht abzusehen. Denn die Zukunft von
Clara W. ist nach wie vor ungewiss.
Im Januar hatte sich Clara W. zusammen mit sechs weiteren jungen Männern und Frauen
freiwillig der Polizei gestellt (Z+). Sie alle hatten sich zwei
Jahre lang versteckt gehalten, weil ihnen die Auslieferung nach Ungarn droht.
Die jungen Menschen sollen im Februar 2023 in Budapest beim alljährlichen
Neonaziaufmarsch zum sogenannten Tag der Ehre Rechtsextremisten körperlich angegriffen und verletzt haben
(Z+). Die ungarischen Behörden wollen sie dafür vor Gericht
stellen. Und Deutschland schließt eine Auslieferung nicht aus. Bis heute.
Wie der Fall von Maja T. vorausdeutet, was Clara W. in
Ungarn erwarten würde, sollte sie ausgeliefert werden, lesen Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf
ZEIT ONLINE.
DER SATZ
© [M]: Getty Images
„Es ist in Mode gekommen, eine Waffe zu tragen, in der Fachliteratur ist
von ›Gefühlen von Macht, Durchsetzungskraft und Sicherheit‹ durch Waffen die
Rede sowie einer ›symbolischen und praktischen Bedeutung‹.“
In Hamburg häufen sich seit Monaten Angriffe mit
Schusswaffen und Messern. Erst am Montag wurde ein 41-jähriger Mann in Farmsen-Berne
von einem unbekannten Täter durch Schüsse lebensgefährlich verletzt. Polizeibeamte
warnen: Die Politik müsste längst alarmiert sein. Tom Kroll und Christoph
Heinemann aus der ZEIT:Hamburg-Redaktion haben zu dem Thema recherchiert. Lesen Sie ihren Artikel, der vor vier Monaten in der gedruckten
Ausgabe der ZEIT erschienen ist, noch einmal hier.
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
In Hamburg findet vom 17. bis 21. Juni das erste „Nature
Writing Festival“ statt, mit Lesungen, Gesprächen und Vorträgen
– und einer Exkursion zum Ende des Festivals.
„Nature Writing Festival“, 17.–21.6., verschiedene
Orte, das umfangreiche Programm und die Möglichkeit Tickets zu kaufen, finden Sie hier
MEINE STADT
Großstadtidyll im Eulenkamp © Silke Hoops
HAMBURGER SCHNACK
Im EC von Hamburg
nach Kopenhagen. Kurz vor Schleswig kommt die Durchsage des Zugbegleiters: „An
die Person in Wagen fünf, die sich von der Lautstärke der Kindergruppe
belästigt fühlt: Suchen Sie sich doch einfach einen anderen Platz. Kinder in
der Gruppe sind nun mal lauter als andere Reisende. Das ist völlig normal.“
Gehört von
Juliana Volkmar
Das war die Elbvertiefung, der tägliche
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