Diese Analysen haben nun Tanguy Bertrand von der Sorbonne Universität in Paris und seine Kollegen durchgeführt. Sie werteten dafür Daten des MIRI-Spektrometers im mittleren Infrarot zwischen 4,9 und 27 Mikrometern aus. Das Webb-Teleskop hatte Pluto dafür im Laufe einer Woche mehrfach ins Visier genommen, um alle Seiten des fernen Zwergplaneten und seines Monds Charon sehen zu können.

Kohlenwasserstoffe, Nitril-Eis und organische Schwebteilchen

Das Ergebnis: Plutos Atmosphäre ist noch ungewöhnlicher als zuvor vermutet. Denn sie enthält nicht nur einfache Gase wie Stickstoff, Methan und Kohlenmonoxid, sondern auch komplexere organische Moleküle und Eiskristalle. Unter ihnen sind Ethan, Acetylen, Cyanwasserstoff und Nitrile, aber auch größere Kohlenwasserstoffe, wie Bertrand und seine Kollegen ermittelten. Diese Komponenten bilden zusammen mit Eispartikeln die Schwebteilchen, die den geschichteten Dunstschleier um den Zwergplaneten erzeugen.

„Die beobachteten Werte zeigen, dass der Nebelschleier des Pluto ähnlich wie beim Saturnmond Titan aus organischen Partikeln und aus Wolken aus Kohlenwasserstoffen und gefrorenen Nitrilen besteht“, berichten die Astronomen. Dieser Dunst des Zwergplaneten ist zwar viel dünner als die dichten Schleier des Titan, wirkt sich aber dennoch auf den Wärmehaushalt des Zwergplaneten aus, wie die Infrarotmessungen enthüllen.

Dunstschleier als Kühlschicht

Das Spannende daran: Die neuen Beobachtungen bestätigen eine Hypothese, die Koautor Xi Zhang von der University of California in Santa Cruz schon 2017 aufgestellt hat. Er postulierte, dass Plutos Atmosphäre solche Dunstpartikel enthält, aber auch, dass sie wie eine Kühlschicht wirken: Sie reflektieren das wenige bis zum Pluto reichende Sonnenlicht und strahlen beim Aufsteigen aus unteren Schichten zusätzlich Wärme ab. „Das war eine verrückte Idee“, sagt Zhang. Viele Kollegen waren daher eher skeptisch.

Doch die neuen Daten geben ihm nun Recht: „Unsere Ergebnisse bestätigen eindeutig, dass das Wärme-Budget von Plutos Atmosphäre von den Eigenschaften des Dunstes bestimmt wird“, schreiben die Forschenden. „Sie zeigen, dass dieser Dunstschleier die Mesosphäre des Pluto von rund 110 Kelvin bis auf rund 70 Kelvin abkühlt.“

„Sonderstellung unter den Planetenatmosphären“

Damit hat der Pluto eine im Sonnensystem einzigartige Atmosphäre: „Pluto nimmt eine absolute Sonderstellung unter den Planetenatmosphären und ihrem Verhalten ein“, erklärt Zhang. Der Dunst und sein Einfluss auf den Wärmehaushalt des Planeten seien eine Besonderheit. „Gleichzeitig bietet er uns die Chance besser zu verstehen, wie sich solche Dunstschleier unter so extremen Bedingungen verhalten.“

Doch die neuen Erkenntnisse haben auch Bedeutung über den Pluto hinaus: „Wir wissen, dass der Neptunmond Triton und der Saturnmond Titan ähnliche Gashüllen aus Stickstoff und Kohlenwasserstoffen haben, die voller Dunstpartikel sind. Möglicherweise müssen wir auch bei diesen Monden die Rolle dieser Schwebteilchen überdenken“, sagt Zhang. Und auch die frühe Erde könnte eine ähnlich dunstige Atmosphäre besessen haben, bevor sie sich mit Sauerstoff anreicherte.

“Indem wir Plutos Nebelschleier erforschen, könnten wir daher auch neue Einblicke in die Bedingungen erhalten, unter denen das erste Leben auf der frühen Erde entstand“, so der Forscher. (Nature Astronomy, 2025; doi: 10.1038/s41550-025-02573-z)

Quelle: University of California Santa Cruz







11. Juni 2025

– Nadja Podbregar