Berlin – Der Grunewald ist die grüne Lunge Berlins. Seine 45 Millionen Quadratmeter produzieren jährlich bis zu 135.000 Tonnen Sauerstoff. Unzählige Pflanzen und Tiere haben hier ihren Lebensraum. Biotope sollen nun sterben – ausgerechnet für den Klimaschutz!
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Brachial-Politik, die zerstört, was sie zu schützen vorgibt: unsere Natur. Dort, wo jetzt Wald steht, sollen Bäume und Sträucher abgeholzt, Wiesen und Heidelandschaft zubetoniert werden. Im Grunewald und an weiteren sieben Standorten in Berlin sind Flächen mit Windrädern geplant. Seit dem 10. Juni läuft dafür die Bürgerbeteiligung.
Darum geht es: Um die Klimaschutzziele zu erreichen, beschloss die Ampel-Regierung 2022, dass 80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen sollen. Berlin wurde verpflichtet, bis Ende 2027 einen Anteil von 0,25 und bis Ende 2032 einen Anteil von insgesamt 0,5 Prozent der Landesfläche als Windenergiegebiete auszuweisen (etwa 446 Hektar).
Todesurteil für drei Gebiete im Grunewald
Dafür hat der Senat acht Gebiete ausgewählt. „Aufgrund der stadt- und landschaftsräumlichen Situation in Berlin gibt es keine völlig konfliktfreien Flächen, die für Windenergie ausgewiesen werden können“, so eine Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung zu BILD. Waldflächen sind laut Planungsunterlagen eigentlich tabu, aber: „Ein vollständiger Ausschluss aller Waldflächen in Berlin würde jedoch zum Nicht-Erreichen des gesetzlich vorgegebenen Flächenbeitragswertes führen.“
Todesurteil für drei Gebiete im Grunewald (Steglitz-Zehlendorf) mit insgesamt 72 Hektar Größe (100 Fußballfelder)! Dort sollen die Windräder nahe der Avus mitten im Landschaftsschutzgebiet aufgestellt werden! Inmitten von EU-Vogelschutzgebieten! Gesäumt von sieben Naturschutzgebieten!
Über 80 Jahre wurde der Wald behutsam renaturiert. Der Boden ist dicht mit Kiefern, Eichen, Buchen, Linden, Ahornen, Birken bestanden. Seeadler, Schwarzmilan, Habichte, Wespenbussard, seltene Fledermausarten wie der Große Abendsegler haben hier ihr Zuhause. Farne, Kräuter und Totholz sind zu einem Dickicht verwachsen. Heldbock, Eremit, Springspinne, Schwalbenschwanz, Grasnelke, das Gemeine Blutströpfchen, die Blauflügelige Ödlandschrecke, Xylobionte Käfer und die Zauneidechse sind beheimatet. Wegen seiner Natürlichkeit wurde der Grunewald 2015 zum „Waldgebiet des Jahres“ gekrönt.
Der Grunewald ist naturbelassen und wird nur behutsam durch die Berliner Forsten bewirtschaftet
Foto: Sven Meissner
Was der Aufbau der Windräder für die betroffenen Gebiete bedeutet, führt die Senatsverwaltung selbst in den Beteiligungsunterlagen aus: Mit einem größeren dauerhaften Vegetationsverlust sei zu rechnen. „Ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“ für Wespenbussarde sei zu erwarten. Für alle anderen Vogelarten ergebe sich eine „Scheuchwirkung“ und ein „Kollisionsrisiko“.
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Urban Aykal (Grüne), Umweltstadtrat von Steglitz-Zehlendorf, tobt: „Der Artenschutz und insbesondere der Vogelschutz dürfen nicht nachhaltig gestört werden. Die Problematik besteht vor allem auch darin, dass nicht nur für das Windrad, sondern auch die Stromtrassen zu den Windenergieanlagen sowie das Fahren von großen Fahrzeugen mit Übergrößen und -breiten einen größeren Eingriff in die Natur bedeuten werden.“
NABU-Chef Rainer Altenkamp (60) kritisiert: „Der Schaden ist so groß, dass der Nutzen dazu in keinem Verhältnis steht.“
Auf den Gatower Rieselfeldern und in Karolinenhöhe sind viele geschützte Arten beheimatet, darunter Bodenbrüter, verschiedene Fledermausarten und sogenannte Arten der offenen Feldflur. Der Bau und Betrieb von Windkraftanlagen würde diese Lebensräume massiv stören
Foto: Sven Meissner
Auch aus Spandau, in dem ein weiteres Planungsgebiet, die Gatower Rieselfelder und Karolinenhöhe, liegt, kommt Protest: „Windräder auf den Gatower Rieselfeldern sind ein absolutes NoGo“, sagt Baustadtrat Thorsten Schatz (CDU). „Die Fläche ist nicht nur ein Landschaftsschutzgebiet mit hoher naturschutzfachlicher Bedeutung, sondern auch eine der letzten in Berlin verfügbaren Kompensationsflächen für Eingriffe in Natur und Landschaft. Man würde der Natur einen Bärendienst erweisen, würde man hier ernsthaft Windkraftanlagen errichten wollen.“
Die geplanten Windenergiegebiete: 1a, 1b, 1c: Blankenfelde/ Arkenberge, 02: Buchholz Nord, 03a, 03b, 03c: Landschaftsraum Wartenberg/ Falkenberg, 04: Krummendammer Heide, 05a, 05b, 05c: Grunewald, 06: Teufelsberg, 07a, 07b, 07c: Gatower Rieselfelder/Karolinenhöhe, 08: Jungfernheide
Foto: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
Der Bezirk lehne die Pläne entschieden ab. Selbst innerhalb der Senatsumweltverwaltung stoßen die Pläne auf Ablehnung, wie BILD erfuhr.
Bis zum 11. Juli sind die Pläne der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung im Internet einzusehen.
Indira C. geht mit ihrem Hund regelmäßig in der Jungfernheide spazieren
Foto: Sven Meissner
Hier sollen auch Windräder gebaut werden
Jungfernheide: Das geplante Windenergiegebiet befindet sich im Berliner Bezirk Reinickendorf und umfasst rund 68 Hektar. Es liegt zwischen dem Tegeler See und dem ehemaligen Flughafen Tegel im Forst Tegel. Der NABU hat für das große Biotop Naturschutz beantragt. Indira C. geht mit ihrem Hund oft im Wald spazieren. Sie sagt zu den Plänen: „Ich bin gegen Windräder. Sie töten die Vögel. Sie fliegen in die Windräder rein, werden zerfetzt. Und die Windräder sehen auch nicht schön aus, sind ein Schandfleck. Schade um die Bäume, denn sie geben uns Sauerstoff zum Leben.“
Das Planungsgebiet Arkenberge liegt im Norden Berlins im Bezirk Pankow
Foto: Sven Meissner
Arkenberge: Das Windenergiegebiet liegt im nördlichen Teil von Blankenfelde in der Ortslage Arkenberge südlich und westlich angrenzend zu den Arkenberger Kiesseen und zur ehemaligen Deponie Arkenberge in Pankow. Es setzt sich aus drei Teilflächen zusammen, die insgesamt rund 101 Hektar umfassen. Das geplante Gebiet befindet sich größtenteils im Landschaftsschutzgebiet Blankenfelde, zudem im Gebiet Tegeler Fließ. Hier leben Rot- und Schwarzmilan, die Rohrweihe und der Weißstorch.
Der Teufelsberg liegt im Landschaftsschutzgebiet, im Naturpark und ist unter Denkmalschutz gestellt – trotzdem sollen auf einer Teilfläche Windräder installiert werden
Foto: Sven Meissner
Teufelsberg: Das geplante Windenergiegebiet befindet sich im Südwesten Berlins im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und umfasst rund 12 Hektar. Es liegt im nördlichen Teil des Waldgebiets Grunewald im Revier Eichkamp des Forstamtsbereichs Grunewald beiderseits der Teufelsseechaussee zwischen der Julius-Hirsch-Sportanlage und auf beziehungsweise an der Anhöhe des Teufelsbergs.
Es ist geprägt durch Wald und die Nutzung als Erholungsgebiet. Der westlich der Teufelsseechaussee liegende Teil des geplanten Windenergiegebiets befindet sich im Denkmalbereich „Teufelsberg“ auf den Flächen des ab 1950 entstandenen Trümmerbergs. Dieser Bereich wird im
Landschaftsprogramm als erosionsgefährdetes Gebiet eingestuft. Es ist laut Beteiligungsunterlagen mit einem schwierigen Baugrund zu rechnen. Die Windräder dürften mit einer Höhe von bis zu 270 Metern den Teufelsberg (120 Meter) mit der ehemaligen US-Abhörstation überragen.
In der Krummendammer Heide in Friedrichshagen sollen die Bäume einem Windenergiepark weichen
Foto: Sven Meissner
Krummendammer Heide: Das geplante Windenergiegebiet ist im Südosten Berlins im Bezirk Treptow-Köpenick und umfasst rund 81 Hektar. Es liegt im nördlichen Teil des Waldgebiets Krummendammer Heide zwischen Stadtgrenze und Schöneicher Landstraße, in den Revieren Friedrichshagen und Müggelsee des Forstamtsbereichs Köpenick.
Es befindet sich im Landschaftsschutzgebiet und wird als Erholungsgebiet genutzt. Der Planungsraum liegt im Vorsorgegebiet Bodenschutz sowie jeweils zur Hälfte in den Schutzzonen III A und III B des Wasserschutzgebiets Friedrichshagen. Es handelt sich gemäß Umweltatlas bei den Waldbiotopen überwiegend um Kiefernforste, teils auch mit Laubholzarten. Es kommen hier viele Brutvogel- und Fledermausarten vor.
Weitere Planungsgebiete: Buchholz Nord (Pankow), Landschaftsraum Wartenberg/Falkenberg (Pankow/Lichtenberg)