Gibt es eine rote Linie, die Trumps Außenpolitik kennzeichnet?

Immer wieder werden Trump irgendwelche Rationalitäten unterstellt, etwa der Versuch, China und Russland durch raffiniertes Taktieren gegeneinander auszuspielen und damit Richard Nixon nachzueifern. Solche Analogien greifen ins Leere. Trump folgt lediglich kurzfristigen Gewinnerwartungen. Das schien bei seinem bizarren Vorschlag durch, aus Gaza eine Art Riviera zu machen. Und wenn daraus nichts wird, baut er seine Trump-Towers eben an anderer Stelle. In Moskau zum Beispiel.

Donald Trump wollte den Ukraine-Krieg eigentlich binnen 24 Stunden beendet haben, nun tobt dieser Konflikt weiter. Warum tritt Trump Russland nicht energischer entgegen?

Trump hat mit dem untrüglichen Sinn eines Straßenschlägers erkannt, dass Putin Stärke simulieren muss, um seine Schwäche zu kaschieren. Davon abgesehen, interessiert ihn die Ukraine nicht, allenfalls als Quelle von Rohstoffen. Auf China hingegen ist er manisch fixiert, dessen Stärke treibt ihn um. Er sieht in Peking einen Konkurrenten, den man zurechtweisen und degradieren muss. Im Umkehrschluss sollte man das dortige Regime nicht idealisieren. Aber für den Umgang mit einem Staat wie China fehlen Trump alle Voraussetzungen. Er ist für sein Amt in jeder Hinsicht ungeeignet, er hat keine Geduld, ist leicht erregbar, ausgesprochen rachsüchtig und unwillig, sich mit komplexen Zusammenhängen auseinanderzusetzen.

Sie hatten Europa zu einer Unabhängigkeitserklärung an die USA aufgefordert. Würde dies in Washington nicht wiederum eine Gegenreaktion zeitigen?

Die USA sehen es prinzipiell nicht gern, wenn ihr hegemonialer Führungsanspruch infrage gestellt wird. Die Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt hat Richard Nixon seinerzeit die Wände hochgejagt: Ein wichtiger Bündnispartner, eine europäische Mittelmacht, nahm für sich das Recht in Anspruch, eigene Interessen zu verfolgen und selbstbewusst gegenüber Washington aufzutreten. Unerhört! Dennoch lässt sich mit kluger Diplomatie vieles erreichen, zumal die USA ihren Zenit überschritten haben und mehr denn je an die Grenzen ihrer Macht stoßen – auch wenn Trump und seine Entourage das nicht anerkennen wollen oder können.