Tabak, US-Beef, aber kein Whiskey: Die EU schlägt zurück und verhängt «schlaue» Zölle auf Waren von 22 Milliarden Euro

Die Reaktion aus Brüssel auf Trumps Zölle hätte aggressiver ausfallen können. Dass sie es nicht tut, hat mit China zu tun. Und weil man die eigenen Konsumenten schützen will. Für den Notfall behält man aber noch eine «Bazooka» in der Hinterhand.

Werden jetzt teurer: Harley-Davidson-Motorräder aus den USA. Werden jetzt teurer: Harley-Davidson-Motorräder aus den USA.

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Clemens Bilan / EPA

Jetzt ist sie da: Die EU-Reaktion auf die massiven Zölle von US-Präsident Donald Trump. Am Mittwoch winkten die Mitgliedstaaten eine 66 Seiten lange Liste von US-Produkten durch, auf die nun bis zu 25 Prozent Strafzölle draufgeschlagen werden. Erfasst wird ein Handelsvolumen von über 22 Milliarden Euro.

Ein Teil der Zölle wird Mitte kommender Woche in Kraft gesetzt. Die zweite Stufe wird dann Mitte Mai gezündet. Und manche Zölle, zum Beispiel auf Sojabohnen, gelten erst ab Dezember. Die USA sind der zweitgrösste Sojaproduzent weltweit, und die EU will ihren Bauern, die Soja als Futtermittel verwenden, Zeit zur Anpassung geben.

Entgegen ersten Vorschlägen sind alkoholische Getränke wie Whiskey oder Wein nicht mehr auf der Liste. Trump hatte mit Gegenzöllen von 200 Prozent gedroht, was in grossen Weinländern wie Frankreich und Italien, aber auch im Whisky-Land Irland für einen Aufstand gesorgt hätte.

Die USA schaden sich selbst schon genug – die EU kann sich zurücklehnen

Der Gegenschlag der EU hätte weit massiver ausfallen können. Aber die EU-Kommission hat sich bewusst zurückgehalten. «Wir sind nicht daran interessiert, Cent für Cent zu reagieren», sagte Handelskommissar Maros Sefcovic am Dienstag. Stattdessen entschloss sich Brüssel, gezielt oder, wie es EU-Beamte formulieren, «intelligent» vorzugehen.

Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens lautet der Plan A noch immer Verhandlungen. Und zweitens findet man in den EU-Hauptstädten, dass man gar nicht viel tun müsse. China führt den Zollkrieg bereits mit voller Wucht und die USA schaden sich daneben schon selbst genug. Mit der abstürzenden US-Börse und den zu erwarteten Preissteigerungen für das amerikanische Volk erledigt der Markt die Arbeit. Ausserdem schaden Gegenzölle vor allem den eigenen Konsumenten in Europa, was man unbedingt verhindern will.

Gar nichts tun war aber auch keine Option. Nun wurden Produkte mit Zöllen belegt, die man erstens einfach ersetzen kann. Und die zweitens jene Kreise treffen, die Trump besonders nahestehen. Zum Beispiel Tabak und Orangensaft aus dem republikanischen Bundesstaat Florida. Oder Rindfleisch aus Kansas und Nebraska. Cranberry-Saft aus dem Swing State Wisconsin. Oder natürlich die Sojabohnen aus Louisiana, der Heimat von Speaker Mike Johnson, dem Trump-Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus. Auch Make-up, Lippenstift oder Eyeliner stehen auf der Liste.

Erpressen, re-industrialisieren oder Geld abschöpfen? Was will Trump?

In Brüssel rechnet man damit, dass der US-Präsident ungehalten reagieren könnte. In einem Statement betonte die EU-Kommission am Mittwoch: «Die Gegenmassnahmen können jederzeit aufgehoben werden, sollten die USA einer fairen und ausgewogenen Verhandlungslösung zustimmen.» Bereits Anfang Woche hatte man das Angebot erneuert, sämtliche Industriezölle abzuschaffen.

Nur weiss man selbst in höchsten Kommissionskreisen ebenso wie alle anderen nicht, was Trump wirklich will. Einmal heisst es, er wolle verhandeln. Ein anderes Mal sagt er, er wolle mit den Zöllen den Staatshaushalt sanieren. Und dann will er wieder das ganze Wirtschaftssystem umkrempeln.

Wahrscheinlich ist es ein Mix aus allen dreien. Bei den sogenannten «Big Five» geht die EU-Kommission mittlerweile davon aus, dass die USA nachhaltig an den Zöllen festhalten werden. Die «grossen fünf», das sind Metalle wie Stahl-, Aluminium und Kupfer sowie Autos, Halbleiter, Holz und Medikamente. Letztere sind zwar noch von den Zöllen ausgenommen, aber dürften bald dazukommen. Bei den «Big Five» wollen die USA sich re-industrialisieren, also die Produktion ins Land holen und so weit wie möglich unabhängig werden. Deshalb dürften die Zölle auf absehbare Zeit bleiben.

Bei den Universalzöllen hingegen ist die Annahme eher, dass Trump sie als «Erpressungspotenzial» einsetzen will. Zum Beispiel hat der US-Präsident in Aussicht gestellt, sie wieder aufzuheben, wenn Europa für 350 Milliarden Dollar amerikanisches Flüssiggas (LNG) kaufen würde.

Die EU ist durchaus offen dafür, mehr Gas aus Amerika zu kaufen, zumal der Import von russischem Flüssiggas im Moment ansteigt. Aber die USA sind schon heute der grösste LNG-Lieferant, und von Russland hat man gelernt, dass es unklug ist, sich von einer einzigen Quelle abhängig zu machen. Am Schluss ist es auch eine Preisfrage. Es gibt andere Länder wie Algerien oder Katar, die auch gute Angebote machen.

Die «Bazooka» bleibt auf dem Tisch

Kommende Woche wird die EU-Kommission den Mitgliedstaaten erstmals eine Auslegeordnung präsentieren, wie es weitergeht und welche Massnahmen noch auf dem Menü stehen, sollte sich der Konflikt weiter zuspitzen. Immer mehr zeichnet sich ab, dass auch US-Dienstleistungen und speziell die Geschäfte der grossen Digitalkonzerne ins Visier genommen werden könnten. Hier haben die USA ein massives Plus gegenüber Europa und sind verwundbar. Es ist die «Bazooka», die Brüssel in der Hinterhand behält. Aber dieser Weg ist auch umstritten. Irland zum Beispiel, wo viele US-Konzerne wie Apple oder Facebook ihr Europa-Hauptquartier haben, ist alarmiert.

Parallel dazu muss die EU die internationalen Handlungsflüsse im Auge behalten. Da China aktuell mit einem US-Zoll von 104 Prozent belegt und quasi aus dem amerikanischen Markt gedrängt wird, könnte eine riesige Warenflut aus dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Reich auf Europa überschwappen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mit dem chinesischen Premierminister Li Qiang am Dienstag vereinbart, gemeinsam die Auswirkungen zu überwachen. Dem Vernehmen nach hat ihr Li Qiang versprochen, dass China den Konsum im eigenen Land hochfahren und eine Flutung Europas mit chinesischer Ware verhindern wolle. Insofern schafft Trump mit seinen Zöllen nicht nur weltweites Chaos, sondern auch etwas, was definitiv nicht im US-Interesse ist: Nach den Spannungen der letzten Jahre nähern sich Europa und China wieder an.