Aus den USA in die Äbtestadt: Die Wil Pirates erhalten besondere Unterstützung
Die Baseballer der Wil Pirates erhalten vorübergehend Verstärkung von zwei Schweizern, die in den USA in College-Teams spielen. Die beiden sollen die Pirates in vielerlei Hinsicht weiterbringen.
Die zwei neue Spieler aus den USA für die Wil Pirates: Marc Willi (links) und Trevin Long.
Bild: Andrea Tina Stalder
Trevin Long steht auf der Sportanlage Lindenhof in Wil und kann es immer noch nicht richtig glauben, dass er hier Baseball mit den Wil Pirates spielt. Der 20-Jährige stammt aus der kleinen Stadt Battle Ground im US-Gliedstaat Washington. Sein Vater ist Amerikaner, seine Mutter Schweizerin mit Wurzeln im Kanton St.Gallen. Ihre Eltern wohnen in Salez im Rheintal. Longs Urgrossmutter Elsbeth Eugster hat in Wil gelebt. «Ich war als Kind etliche Male zu Besuch bei ihr und habe gute Erinnerungen an jene Zeit, die Stadt und das Baseballfeld», erzählt er. Am letzten Maisonntag hat er dort in der höchsten Schweizer Liga mit den Pirates gegen die Sissach Frogs mit zwei Siegen debütiert.
Trevin Long kann noch nicht so recht glauben, dass er in Wil Baseball spielt.
Bild: Andrea Tina Stalder
Baseball ist eine der vier grossen Sportarten in den USA, fristet in der Schweiz hingegen ein Randsportdasein. Long erlebt den Unterschied gerade hautnah. Er ist mit dem Sport aufgewachsen und für das Clark College in Vancouver im US-Gliedstaat Washington aktiv. Und er ist in Wil nicht allein: Auch Marc Willi verstärkt seit Anfang Juni die Pirates. Der 21-Jährige ist in Boston gross geworden. Sein Vater ist Schweizer, seine Mutter slowenischen Ursprungs. Willis Grossmutter kam aus Appenzell. Willi steht im Kader der University of Massachusetts Amherst.
Spieler erhalten Kost und Logis
Wieso spielen die beiden jetzt in Wil? Wie lange bleiben sie? Wer trägt die Kosten? Und wie gut sind sie? Für die Antworten landet man unweigerlich bei Andrea Girasole. Der 38-Jährige spielt seit drei Jahren für die Pirates, ist deren technischer Leiter, Schweizer Nationalspieler und seit kurzem Präsident der Swiss Baseball and Softball Federation. Er ist sehr gut vernetzt und wusste, dass Long und Willi als Schweizer Bürger den Sport in den USA auf hohem Niveau betreiben. «Es ging mir darum, die zwei für das Nationalteam zu rekrutieren und für die Pirates», erläutert er.
Girasole rannte mit seiner Kontaktaufnahme offene Türen ein. Willi wie Long sehen ihren Aufenthalt in der Ostschweiz als ideale Kombination von Ferien und Sport. Während Willi bei einem Unterstützer der Pirates in Wil untergebracht ist, lebt Long während seines Aufenthalts in einer Gastfamilie in Zuzwil. Lohn erhalten sie von den Pirates nicht. Sponsoren ermöglichen Kost und Logis. Geplant ist ihr Aufenthalt bis Ende Juli. In dieser Zeit haben die Pirates noch vier Heim- und zwei Auswärtsspiele und – sofern qualifiziert – den Playoff-Halbfinal. Derzeit sind sie mit drei Siegen und drei Niederlagen auf dem fünften Rang der NLA-Tabelle klassiert. Die ersten vier von sieben Teams sind für die Playoff-Halbfinals qualifiziert. «Mit dem Zuzug von Trevin und Marc sind wir stärker geworden», sagt Girasole und ergänzt: «Deshalb wäre das Verfehlen der Playoffs eine herbe Enttäuschung.»
Marc Willi ist während seiner Zeit in der Schweiz bei einem Unterstützer der Pirates in Wil untergebracht.
Bild: Andrea Tina Stalder
Unterschiede zwischen den USA und der Schweiz
Long und Willi ist die Ausgangslage bekannt. Sie haben rasch festgestellt, dass es einige bedeutsame Unterschiede zwischen dem Sport in den USA und jenem in der Schweiz gibt: «Baseball wird bei uns mit höherer Geschwindigkeit gespielt. Die meisten Spieler beginnen als Kids mit spezifischem Training und haben deshalb ein grösseres natürliches Spielverständnis. Und die Infrastruktur ist in den USA markant besser.» Sie sehen sich als Botschafter des Sports, die ihr Know-how mit den Erwachsenen und den Junioren der Pirates teilen können. Sie sind überzeugt, dass sie in der kurzen Zeit einen spürbaren Einfluss haben können.
Baseball ist eine der vier grossen Sportarten in den USA, in der Schweiz fristet es hingegen ein Randsportdasein.
Bild: Andrea Tina Stalder
In der ersten Juniwoche durften die Pirates am Federation Cup in Slowenien teilnehmen, als Nachrücker für die eigentlich qualifizierte Schweizer Mannschaft. Long und Willi waren an diesem Clubturnier dabei. Die Pirates gewannen gegen das bulgarische Team, verloren gegen die slowenischen Gastgeber, die slowakische und die schwedische Equipe und belegten den fünften und letzten Rang. «Die Erfahrung mit dem höheren Rhythmus war wichtig für alle», sagt Willi. Zudem sei das Team durch die Reise und die vier Spiele zusammengewachsen. Dies werde sich hoffentlich im Schweizer Ligabetrieb auszahlen.
Rückkehr für EM ist denkbar
Und wie gut sind nun die zwei College-Imports? Gian Gladig, langjähriger Spieler der Wiler, der in Slowenien ebenfalls teilgenommen hat, spricht von Spielern, die «den Unterschied ausmachen können». Die Gegner am Federation Cup seien sehr stark gewesen, weshalb die Bilanz trotz der drei Niederlagen positiv ausfalle. Von Longs und Willis Fähigkeiten und Erfahrungen seien alle Mitspieler beflügelt gewesen. Das soll auch in der Nationalmannschaft so sein. Vom 20. bis 27. September findet die EM in Italien und den Niederlanden statt, für die sich die Schweiz qualifiziert hat und mehrere Spieler der Pirates aufdrängen könnten. Long und Willi werden dann wieder in den USA sein, aber nach Möglichkeit für die EM nach Europa zurückkommen.
Der Traum, in der Major League Baseball (MLB) zu spielen, der weltbesten Liga, besteht bei beiden. Dabei ist Willis Ausgangslage besser. Sein Team ist Teilnehmer in der stärksten Division I des College-Baseballs. «Ich bin seit Highschool-Zeiten im Kontakt mit einigen der MLB-Teams, sie kennen und beobachten mich», sagt Willi. Von der University of Massachusetts Amherst haben es in der Geschichte bisher 17 Studenten in die MLB geschafft, vom Clark College immerhin deren vier. Gute Auftritte mit der Nationalmannschaft könnten sich als nützlich erweisen. Wenn alles klappt, soll an der EM nämlich der einzige Schweizer in der MLB, Dominic Scheffler von den Cincinnati Reds, teilnehmen. Ihn kennen in Nordamerika inzwischen wohl alle Baseball-Protagonisten.
Hinweis
Nächste Spiele der Pirates am Sonntag, 15. Juni um 11 und 14 Uhr im Lindenhof in Wil gegen den Tabellenzweiten Zürich Barracudas. Spielplan und Tabelle.