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Wenn Renate Damm in ein paar Tagen ihre letzte Reise antreten wird, dann steht fest, welches Lied laufen wird: „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef. Das hat die ehemalige Chefjustitiarin von Axel Springer so bestimmt vor ihrem Tod. Sie war vorbereitet. Wie immer. Am 7. Juni ist die Ausnahmefrau, Juristin und Feministin, mit 89 Jahren gestorben.

Heute würde man eine wie sie ein „Role Model“ nennen, eine Verfechterin von Women Empowerment. Als sie 1963 vor Axel Cäsar Springer stand, noch nicht einmal 30 Jahre alt, und ihm ihre Meinung sagte, gab es für Frauen wie Renate Damm noch gar keinen Begriff, der annähernd wohlmeinend gewesen wäre. Sie selbst sagte Jahre später in einem Interview: „Ich gehe mal davon aus, dass Axel Springer eine solche Person weiblichen Geschlechts, wie ich es war, noch nie erlebt hatte.“

Renate Damm (damals 39) als einzige Frau inmitten von Männern. Hier an Silvester 1974 mit Verleger Axel Cäsar Springer (✝︎1985). Sie arbeitete 33 Jahre lang für Springer, gründete später eine eigene Kanzlei

Renate Damm (damals 39) als einzige Frau inmitten von Männern. Hier an Silvester 1974 mit Verleger Axel Cäsar Springer (✝︎1985, l.). Sie arbeitete 33 Jahre lang für Springer, gründete später eine eigene Kanzlei

Foto: Ronald Sawatzki

„Mutig“ ist vermutlich das netteste Adjektiv, das die männlichen Kollegen ihr damals attestiert hätten. Sie hatte dem großen Verleger auf den Kopf zugesagt, dass er im Unrecht sei und einen Prozess, zu dem er ihre Meinung wissen wollte, auf gar keinen Fall gewinnen werde.

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Axel Springer gab der Rechts-Referendarin daraufhin eine Festanstellung und nannte sie später „den einzigen Mann im Haus“. Der Rest ist Geschichte. Sie machte in- und außerhalb des Verlages eine Wahnsinns-Karriere. Für ihre Verdienste, unter anderem erkämpfte sie, dass Vergewaltigung in der Ehe bestraft wird, bekam sie 1990 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Sie trug dazu bei, dass Frauen nach der Hochzeit nicht verpflichtend den Nachnamen des Mannes annehmen mussten.

Die erfolgreiche Juristin mit John Leslie Humphreys (✝︎2007) von den „Les Humphries Singers“, den sie 1976 vor dem Kieler Landgericht freiboxte. Ihm war Körperverletzung vorgeworfen worden

Die erfolgreiche Juristin mit John Leslie Humphreys (✝︎2007) von den „Les Humphries Singers“, den sie 1976 vor dem Kieler Landgericht freiboxte. Ihm war Körperverletzung vorgeworfen worden

Foto: Friedrich Magnussen/Stadtarchiv Kiel/CC BY-SA 3.0 DE

Sie war ihrer Zeit weit voraus, führte in der Springer-Rechtsabteilung eine 50-Prozent-Frauenquote ein, als vor Gericht noch von gegnerischen Anwälten moniert wurde: „Herr Richter, die Anwältin ist in Hosen erschienen“. Ihre Antwort: „Jawohl, Herr Anwalt, derer sogar zwei und ich hoffe, Sie auch.“ Für ihre Mitarbeiterinnen mit Familie schuf sie Möglichkeiten zum Jobsharing, auch ein Konzept, das es bis dahin nicht gab. Während die Männer mit den dicken Notizbüchern noch „Software-Hardware-Tupperware“-Witzchen machten, beauftragte sie ihre Kolleginnen Anfang der 80er, erste digitale Archive anzulegen.

Der letzte Geburtstag im September 2024. Ihr Faible für auffällige Kleidung pflegte Renate Damm bis zuletzt. Vor Gericht erschien sie gern in knallrot oder, wie ein Richter es mal nannte: ihrem„Nahkampfkostüm“

Der letzte Geburtstag im September 2024. Ihr Faible für auffällige Kleidung pflegte Renate Damm bis zuletzt. Vor Gericht erschien sie gern in Knallrot oder, wie ein Richter es mal nannte: in ihrem„Nahkampfkostüm“

Foto: soenksen.de

Der viele Gegenwind, so erzählt ihr Sohn Ulrich (57), habe ihr schon zugesetzt, sie aber auch angespornt. Liebe fand sie vor allem bei ihren vielen Freunden, denen sie immer eine fantastische Gast- wie Ratgeberin war. Mit einem riesigen Herzen. Zuletzt wurde es immer schwächer und hat nun aufgehört zu schlagen. Und jetzt wird die Knef für die Damm singen, mit Worten, die passender nicht sein könnten: „Ich kann mich nicht fügen. Kann mich nicht begnügen. Will immer noch siegen. Will alles, oder nichts.“