Der Absturz einer Boeing 787 am Donnerstag in Indien ist der erste tödliche Vorfall in der Geschichte des vor 14 Jahren in Betrieb genommenen Flugzeugmodells. Die Langstreckenmaschinen, die von ihrem US-Hersteller den Namenszusatz „Dreamliner“ erhalten haben, zählen zu den modernsten Flugzeugen und gelten nach bisherigen Erfahrungen als besonders sicher.

Allerdings war Boeing in den vergangenen Jahren immer wieder wegen Sicherheitsproblemen in die Schlagzeilen geraten. Bei den Unglücken mit Flugzeugen des Modells 737 Max im Oktober 2018 und März 2019 waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Luftfahrtbehörden in aller Welt hatten daraufhin Flugverbote für das Modell erlassen. Erst letzten Monat erklärte sich Boeing bereit, 1,1 Milliarden US-Dollar zu zahlen, um eine strafrechtliche Verfolgung im Zusammenhang mit den beiden Abstürzen zu vermeiden 

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Das Flugzeugunglück in Indien rückt die Sicherheitsbilanz von Boeing erneut ins Rampenlicht. In einer Anhörung vor dem US-Senat im April 2024 wies ein Whistleblower auf erhebliche Sicherheitsmängel bei dem „Dreamliner“-Modell hin. „De facto stellen sie fehlerhafte Flugzeuge her“, sagte der Boeing-Ingenieur Sam Salehpour damals. „Ich war Zeuge von schweren Montagefehlern beim Zusammenbau des Flugzeugs.“

Ein weiterer Whistleblower, der Boeing-Ingenieur Martin Bickeböller, warf seinem Arbeitgeber wenig später ebenfalls vor, Mängel in der Produktion des 787 „Dreamliner“ über Jahre nicht behoben zu haben. Unter anderem sollen Zehntausende Teile in der Frontsektion der Boeing 787 ohne Nachweis verbaut worden sein, dass sie auch den Eigenschaften in der Zulassung entsprechen.

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Boeing wies damals alle Vorwürfe zurück. Nach dem Absturz am Donnerstag sackte die Boeing-Aktie um knapp acht Prozent ab. Boeing teilte auf Anfrage mit, sie seien mit der Fluggesellschaft Air India in Kontakt. „Unsere Gedanken sind bei den Passagieren, der Crew, den Ersthelfern und allen Betroffenen“, teilte Boeing mit. 

Das Video zeigt den Absturz der Air India-Maschine kurz nach dem Start:

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Boeing hat bisher mehr als 2500 Flugzeuge des Modells 787 an Fluggesellschaften oder Leasinggeber verkauft und davon 1189 Exemplare ausgeliefert. 47 Maschinen wurden an Air India verkauft. Boeing kämpfte jedoch mit Produktionsschwierigkeiten und musste einräumen, zu viele Aufgaben an Zulieferer ausgelagert zu haben.

Die Konstruktion der 787 gilt als besonders fortschrittlich. Aufgrund leichter Verbundwerkstoffe und bestimmter elektrischer Systeme soll die Treibstoffersparnis gegenüber Vergleichsmodellen bei 20 Prozent liegen. Infolge seiner Größe, Reichweite und Effizienz löste der Dreamliner vielerorts die Modelle Boeing 747 und Airbus A380 ab. Der Boeing-Rivale Airbus folgte mit der Entwicklung des Modells A350.

Experten warnen vor Spekulationen zur Absturzursache

Experten warnen vor voreiligen Spekulationen über die Absturzursache. „Es ist nicht wahrscheinlich, dass die ersten Informationen über den Unfall wirklich zutreffend sind. Auch wenn die Menschen sich Tools wie FlightRadar 24 ansehen, werden sie uns nichts über das Warum des Unfalls verraten. Wir sollten uns davor hüten, über die Ursache zu spekulieren, wenn nur so wenige zuverlässige Informationen vorliegen“, sagte Graham Braithwaite, Direktor für Luft- und Raumfahrt an der Universität Cranfield, dem britischen Science Media Centre.

„Angesichts des Mangels an öffentlich zugänglichen Informationen zu diesem frühen Zeitpunkt wäre es unvorsichtig, darüber zu spekulieren, was in diesem Fall schiefgelaufen ist“, sagte zudem David Birch, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität von Surrey. Die meisten Zwischenfälle in der Luftfahrt ereigneten sich jedoch bei Start und Landung.

Schwierige Witterungsbedingungen gab es offenbar nicht. „Zum Zeitpunkt des Abflugs scheinen die Wetterbedingungen am Flughafen sehr gut gewesen zu sein. Es war ein trockener und sonniger Tag in Ahmedabad, mit Temperaturen um die 40°C“, sagte Paul Williams, Professor für Atmosphärische Wissenschaft an der Universität Reading. „Die Sicht war gut und es herrschte leichter Wind aus westlicher Richtung. In der Umgebung herrschte kein schlechtes Wetter.“ Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Hinweise darauf, dass Turbulenzen oder andere Wetterbedingungen eine Rolle bei dem Absturz gespielt haben. (Tsp)

Das in den aktuellen Absturz verwickelte Flugzeug wurde im Januar 2014 an Air India ausgeliefert und hatte nach Angaben mehr als 41.000 Flugstunden absolviert, schreibt die „New York Times“. Das Flugzeug sei während seiner Lebensdauer fast 8000 Mal gestartet oder gelandet, was für einen Dreamliner dieses Alters typisch sei.

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In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu kleineren Vorfällen mit der 787. Im Juli 2013 fing eine leere 787 der Ethiopian Airlines am Boden des Londoner Flughafens Heathrow Feuer, was später mit einem Kurzschluss in einem Notrufsender in Verbindung gebracht wurde.

Ebenfalls 2013 verhängten Behörden ein vorübergehendes Flugverbot für die gesamte 787-Flotte, nachdem in zwei japanischen Flugzeugen in Tokio und Boston Lithiumbatterien überhitzt waren. Im März 2024 wurden mindestens 50 Menschen verletzt, als eine 787 der Fluggesellschaft LATAM Airlines auf dem Weg von Sydney nach Auckland während des Flugs absackte. Im Zentrum der Untersuchung steht eine plötzliche Vorwärtsbewegung des Pilotensitzes. (Tsp/Reuters/dpa)