Wahlergebnisse sind immer spannend. Nicht nur, wenn es darum geht, mögliche Sieger zu ermitteln. Man kann auch vergleichen mit früheren Wahlen, mit anderen Kommunen und Land und Bund. Man kann Trends aufzeigen. Und das tut das Amt für Statistik und Wahlen in dem jetzt vorgelegten „Wahlbericht zu den Wahlen 2024 und 2025“ auch ausgiebig. Aber der Bericht enthält erstmals auch eine ausführliche Darstellung zu Desinformationskampagnen, die vor allem die Bundestagswahl im Februar 2025 betrafen.

Solche Kampagnen gab es auch schon vorher, doch noch nie so massiv und auffällig wie in diesem Februar. Den für den Kreml-Herrscher Putin geht es inzwischen um alles. Nichts hätte ihm besser in den Kram gepasst als der Wahlsieg einer Partei, die seine Kapitulationspläne für die Ukraine unterstützt und die Unterstützung auch mit Waffen für die Ukraine einstellt.

Und so beschreibt der „Wahlbericht zu den Wahlen 2024 und 2025“ erstmals ausführlich, wie direkt in Leipzig versucht wurde, die Wahl mit Desinformationen zu beeinflussen.

Das klingt dann im Ton des Berichts schon ziemlich deutlich, wenn man da lesen kann: „Im Vorfeld der Bundestagswahlen gab es diverse Versuche, die Wahl zu manipulieren und zu diskreditieren. Im Zentrum dieser hybriden Angriffe standen gezielte Diskreditierungskampagnen, in denen mit Falschinformationen das Vertrauen bei den demokratischen Prozess untergraben werden sollte.

Dies betraf insbesondere Videos mit fingierten Sachverhalten und gefälschten Unterlagen zur Briefwahl in Leipzig und Hamburg, die über Social-Media-Plattformen verbreitet wurden. Näher waren in den Videos Unterlagen und Vorgänge zu sehen, aus denen sich eine systematische Benachteiligung der Partei AfD ergab bzw. die die Stimmabgabe für die AfD systematisch verhinderten. In einem der Videos war zu sehen, wie gezielt Hamburger Briefwahlunterlagen mit Stimmen für die AfD aussortiert und in einem Schredder vernichtet wurden.

In den insgesamt vier Videos, die der Stadt Leipzig vorliegen, beklagen sich vermeintliche Briefwählerinnen bzw. Briefwähler darüber, dass auf den Stimmzetteln für Wahlkreis 151 – Leipzig I die Zeile für die AfD und damit Erst- und Zweitstimmabgabemöglichkeit für diese Partei fehlten. In allen Videos sind keine Personen zu sehen, sondern es werden Stimmzettel in Großaufnahme gezeigt, in der Rangplatz 1, der der AfD zugeordnet ist, fehlt.

Der Vortrag des Fehlens der Stimmmöglichkeit für die AfD wird teils mit deutlicher Entrüstung und Abscheu vorgetragen, teils werden die Adressaten der Videos direkt angesprochen und nachgefragt, ob man selbst ähnliche vermeintlich manipulierte Stimmzettel erhalten habe.“

Nur das von all diesen Behauptungen in den Videos nichts stimmte. Aber darum geht es bei den Desinformationen aus in der Regel russischen Quellen und ihren Ablegern nicht. Da geht es schlicht um Verunsicherung. Mit allen Mitteln, die den Erzeugern solcher Clips nur recht sind.

Leicht identifizierbare Fälschungen

„Die Stimmzettel selbst konnten selbst sehr schnell als eindeutige Fälschungen identifiziert werden“, stellen die Autoren des Wahlberichts fest. „Die Kriterien für die Identifizierung der Fälschung wurden unmittelbar im Anschluss an das Bekanntwerden der Videos dem Staatsschutz zur Kenntnis gegeben.“

Nicht alles wurde an die Presse gegeben, stellen die Autoren fest: „In der anschließenden medialen Aufarbeitung und Pressearbeit wurden die eindeutigen Fälschungskriterien bewusst nicht kommuniziert, um Nachahmern keine Blaupause für zukünftige Fälschungen an die Hand zu geben. Was die gezeigten Fälschungen ebenfalls als solche identifizierbar machte war – neben den genannten Merkmalen – die Tatsache, dass alle Stimmzettel in einer Charge produziert werden und das Fehlen eines exakten Abschnitts auf vereinzelten Stimmzetteln drucktechnisch ausgeschlossen werden kann.

Die Videos wurden zunächst über die Plattform X (ehemals Twitter) verbreitet. Spätere Verbreitungswege beinhalteten die Social-Media-Plattformen TikTok und Facebook. Im Falle der Fälschungen mit Fokus Leipzig wurden der Anschein erweckt, die Videos würden von vermeintlich besorgten Briefwählerinnen und Briefwählern erstellt.

Tatsächlich ließen sich unmittelbar keine individuellen Accounts finden, die den im Video gezeigten Personen bzw. Urhebern zuordenbar gewesen wären oder allgemein den Anschein von Privatkonten hätten. Stattdessen finden sich die Ursprünge der Leipziger Videos bei anonymen Accounts, die inhaltlich auf angeblichen Enthüllungsjournalismus ausgerichtet waren, und die Verbreitung erstreckte sich bis auf internationale Multiplikatorenaccounts mit großer Reichweite, die einschlägige Narrative verbreiten (bspw. @JimFergusonUK).“

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Videos hat die Stadt den Staatsschutz informiert.

Die Desinformation kommt aus russische Quellen

„Die Videos konnten als Teil einer Desinformationskampagne eingeordnet werden. Als Urheber wurde die russische Gruppierung Storm 1516 identifiziert, die bereits in der Vergangenheit über mediale Kanäle und insbesondere Social-Media-Diskreditierungskampagnen gegen westliche Länder im Kontext demokratischer Wahlen konzipiert und umgesetzt hat (May, 2025) (Smirnova, et al., 2025). Die genannten Vorgehensweisen sind Belege einer bereits vorliegenden Bedrohungslage durch hybride Angriffe“, stellen die Autoren im Bericht fest.

„Letztere beinhalten neben physischen Angriffen auf Infrastruktur auch die Verbreitung von Desinformationskampagnen, insbesondere über Social Media (Capaul, 2024). Viele der Angriffe gehen von mit Russland assoziierten Quellen mit dem allgemeinen Ziel der Destabilisierung westlicher Demokratien aus (vgl. Bendiek & Bossong, 2022). Die Stoßrichtung der Kampagnen sind häufig so ausgelegt, die Narrative und Ressentiments prorussischer Gruppierungen zu bedienen.“

Wie diese Desinformation wirkt, beschreiben die Autoren so: „Die Gefahr in diesem Vorgehen liegt darin, dass Grundwerte wie freie Meinungsäußerung und pluralistische Offenheit missbraucht werden um über bewusste Falschinformationen und Manipulationen liberalen Gesellschaften Doppelmoral und einen Mangel an ‚echter‘ demokratischer Grundorientierung zu unterstellen, die überhaupt erst Grundlage für die Möglichkeit der freien Verbreitung solcher Kampagnen sind.“

Kampagnen auch bei zukünftigen Wahlen befürchtet

Und aus gutem Grund befürchten die Autoren des Berichts, dass es bei künftigen Wahlen ebenfalls wieder solche Desinformationskampagnen geben wird.

„Für die Organisation freier Wahlen zeigt sich damit in Zukunft die Schwierigkeit sich auf solche Kampagnen einzustellen und vorzubereiten, was sich als Herausforderung für kommende Wahlen darstellt. Drei Elemente sind hierbei zentral

1) Vorbereitung und Resilienz, was die Stärkung von Prozessen und Abläufen beinhaltet, um die Angriffsfläche für tatsächliche Einflussnahme auf den organisatorischen Prozess ebenso einschließt wie die Vorbereitung auf Desinformationskampagnen.

2) Die mediale Aufarbeitung stellt hierbei eine besondere Herausforderung dar, nicht zuletzt, da der destruktiven Orientierung der Verbreitung von Falschinformationen nur begrenzt begegnet werden kann.

3) Die kriminologische und (straf-)rechtliche Aufarbeitung solcher Vorfälle, die Gegenwärtig häufig ein Grenzen stößt, da Akteure wie ‚Storm 1516‘ häufig über Grenzen und verdeckt operieren, was eine große Herausforderung für Strafverfolgungsbehörden darstellt und weil für die Verbreitung von Desinformationskampagnen im Einzelnen zu prüfen ist, wann es sich um strafbare Handlungen handelt, und wann dieses Vorgehen unter dem Deckmantel der freien Meinungsäußerung steht.

In der Summe stellt sich damit die Herausforderung für westliche Gesellschaften, im Hinblick auf die genannten Sachverhalte resilienter zu werden und gleichzeitig freiheitliche und demokratische Grundwerte zu schützen und zu bewahren. Eines der höchsten Güter ist hierbei nicht zuletzt die Organisation und Partizipation an freien Wahlen.“