Nach dem Absturz eines Flugzeugs der Gesellschaft Air India im westindischen Ahmedabad mit mehr als 240 Toten laufen die Ermittlungen weiter. Als einziger Passagier überlebte ein 40-jähriger Brite, der sich nach eigenen Angaben durch eine beschädigte Notausgangstür ins Freie retten konnte. Er liegt derzeit mit Verbrennungen und Prellungen in einem Krankenhaus in Ahmedabad. Premierminister Narendra Modi besuchte den Überlebenden am Freitag.
„Ich kann nicht glauben, dass ich überlebt habe“, sagte der Brite dem indischen Staatsfernsehen DD News. Eine Zeit lang habe er gedacht, er würde sterben. „Aber als ich meine Augen öffnete, merkte ich, dass ich noch lebte, und versuchte, mich aus dem Sitz zu befreien und zu fliehen, wo ich konnte. Ich sah mit eigenen Augen, wie die Stewardess und andere starben.“ Der Überlebende war zusammen mit seinem Bruder Ajay unterwegs, der in einer anderen Reihe gesessen hatte, wie seine Familienangehörigen berichteten.
„Die Seite des Flugzeugs, in der ich saß, landete auf dem Boden, und ich konnte sehen, dass außerhalb des Flugzeugs Platz war. Als meine Tür aufbrach, versuchte ich, durch sie zu entkommen, und das gelang mir auch“, sagte der Überlebende weiter. „Die gegenüberliegende Seite des Flugzeugs war durch die Gebäudewand blockiert, sodass niemand dort herauskommen konnte.“
Absturzursache weiter unklar
Die Boeing 787-8 war am Donnerstag kurz nach dem Start auf dem Weg nach London abgestürzt. Sie stürzte auf ein Wohnheim einer medizinischen Hochschule nahe dem Flughafen von Ahmedabad. Zuvor war aus dem Cockpit ein „Mayday“-Ruf abgegeben worden. Auf in Onlinenetzwerken veröffentlichen Videos war zu sehen, wie die Maschine mit nach oben gerichteter Nase schnell an Höhe verlor, in ein Gebäude krachte und in einem Feuerball explodierte. Laut Polizei wurden bislang 265 Tote geborgen – darunter auch zahlreiche Menschen, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks nicht im Flugzeug befanden. Der Flug AI171 hatte 242 Menschen an Bord, darunter 169 Inderinnen und Inder sowie 53 britische Staatsangehörige.
© Lea Dohle
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Die Absturzursache ist weiterhin unklar. Nach Angaben der Polizei wurde eine der beiden sogenannten Blackboxes gefunden. Das indische Amt für Flugunfalluntersuchungen bestätigte, dass es sich dabei um den Flugdatenschreiber handelt. Der Minister für zivile Luftfahrt, Ram Mohan Naidu, sprach in den sozialen Medien von einem wichtigen Fortschritt in den Ermittlungen zur Absturzursache.
Während der Stimmenrekorder die Kommunikation zwischen den Piloten und den Fluglotsen aufzeichnet, speichert der Flugdatenschreiber Daten wie Flughöhe, Geschwindigkeit und Kurs der Maschine.
Die britische Flugunfallbehörde AAIB will ein Team nach Indien schicken. Auch Boeing kündigte Unterstützung bei den Ermittlungen an. Nach Angaben von Air India werden die Untersuchungen einige Zeit andauern.
Daten aus Blackbox für Untersuchung entscheidend
Für die Aufklärung des Unglücks ist dem Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt zufolge die Auswertung der Daten der Blackbox entscheidend. Derzeit sei es für eine Einschätzung noch zu früh. „Eine Erklärung könnte zum Beispiel sein, dass die Startklappen nicht richtig gefahren sind“, sagte Großbongardt in der ARD-Tagesschau. Aber man könne im Augenblick wirklich nur spekulieren.
Der Fluglinie bescheinigte Großbongardt eine zuletzt zunehmend bessere Qualität. „Air India hatte lange Zeit einen sehr schlechten Ruf, solange sie in Staatsbesitz war.“ Der neue Eigentümer, die Tata Group, habe aber viel investiert und den Qualitätsstandard so weit hochgefahren, „dass die Air India Mitglied der Star Alliance sein konnte zusammen mit Lufthansa, United und anderen wirklich sehr renommierten Airlines“.
Nach Einschätzung des Luftfahrtexperten Jason Knight von der University of Portsmouth ist die wahrscheinlichste Absturzursache der Ausfall beider Triebwerke. Schließlich sei der 787-8 Dreamliner so konzipiert, dass er auch mit einem Antrieb fliegen könne. Ein solcher Ausfall werde häufig durch Vogelschlag verursacht.
Mutterkonzern kündigt Zahlungen an Hinterbliebene an
Die Tata Group kündigte an, den Hinterbliebenen zehn Millionen Rupien
(101.000 Euro) pro gestorbenem Menschen zu zahlen. Zudem werde der Konzern die
Behandlungskosten bei Verletzungen übernehmen.
Die indische Zivilluftfahrtbehörde wies Air India an, zusätzliche Wartungs- und Sicherheitsinspektionen an ihren Maschinen vom Typ Boeing 787-8 und 787-9 Dreamliner mit Turbinen von General Electric durchzuführen. Geprüft werden dabei unter anderem der Kabinenluftkompressor, die Motorsteuerung und das Hydrauliksystem. Air India besitzt mehr als 30 Flugzeuge des Modells, das am Donnerstag zum ersten Mal überhaupt abgestürzt war.