Anna Heringers Stampflehm-Architektur und Hermann Kaufmanns Holzbauten beschwören das Ursprüngliche und indirekt auch das Erfahrungswissen unserer Vorfahren. Mit einem Mal wird Materialwahl zur Frage, wie es weitergehen soll in einer Welt des Konsums. Manche Projekte antworten mit archaischer Sprache auf die hypermoderne Krise und zeigen, dass es keine Universalantwort mehr gibt, sondern nur geschickte Anpassungen vor Ort, mit den Materialien und Traditionen der Landschaft.

Es geht immer auch anders: Strohhaus von Proarh Architekten.

Damir FabijanićBastionen der Technologie

Manche Projekte gleichen Bastionen in einem aussichtslosen Kampf: Wir bauen gegen ein Klima an, das wir selbst heraufbeschworen haben. „Don’t fight forces, use them“, riet R. Buckminster Fuller bereits vor über einem halben Jahrhundert. Er versuchte es mit Leichtbau, heute haben wir High-Tech-Materialien und die Erkenntnis, dass es vor allem um Einstellungen geht und nicht mehr um Technologien allein. Dennoch leisten Forschungsprojekte wie „Nest Umar“ von Werner Sobek oder Experimental-Pavillons der Universität Stuttgart Außerordentliches. Sie verbinden wichtige Stränge: computerbasierte Konstruktionen, klare Materialkreisläufe und Strukturen, die mit weniger auskommen und doch mehr leisten: Weniger Stoff und mehr Kühlung. Weniger Stahl und mehr Atmosphäre.

Das ist intelligente Kreislaufwirtschaft. Die Urban Mining and Recycling Unit (UMAR) der Werner Sobek Group verwandelt sich mit neuen Werkstoffen immer weiter.

Zooey BraunWie wollen wir wiederverwerten?

Besonders wichtig wird die Wiederverwertung: Da wäre etwa die von Studio Buas renovierte Scheune auf Island oder das umgenutzte ehemaligen World Trade Center in Brüssel. Sie zeigen, dass Flexibilität viele Bauten auszeichnet. Es braucht nur einen geschärften Blick auf die Ziele der Architektur, um das zu erkennen und zu nutzen. Baukunst ist schließlich mehr als Recycling-Poesie oder kreative Aneignung des Vorhandenen. Sie bleibt nicht stehen und entwirft mit Blick auf morgen das Heute. Und auch die Bauindustrie begreift langsam, dass die Wende zum klimafreundlichen Produkt Chancen eröffnet. Neue Technologien sind ein Schlüssel, aber sie lindern bestenfalls Symptome.