Stand: 13.06.2025 14:00 Uhr
Auf den ersten Blick scheinen die Werke von Dali, Ernst und Toyen nur wenig mit denen der Romantiker gemein zu haben. Dabei ließen sie sich von ihnen inspirieren, wie die aktuelle Schau in der Hamburger Kunsthalle zeigt.
Caspar David Friedrichs berühmtes „Eismeer“ und sein „Mönch am Meer“ umringt von apokalyptischen Landschaften und Ungeheuern von Salvador Dali und Max Ernst aus den 1930er und 40er-Jahren? Wolkenstudien und nächtliche Mondlandschaften der Romantiker neben ironischen Kitschwolken Rene Magrittes? Was sich ziemlich verrückt anhört, funktioniert hervorragend, denn die Kuratorin und Surrealismus-Expertin Annabelle Goergen-Lammers hat surrealistisches Neuland entdeckt.
„Das Eismeer“ von Caspar David Friedrich, eine der Naturdarstellungen, auf die sich die Surrealisten bezogen.
Surrealisten sahen Romantiker als Geistesverwandte
„Wir wissen inzwischen, wie sehr der Surrealismus im Antifaschismus engagiert war“, sagt die Kuratorin der Schau „Rendezvous der Träume“ in der Hamburger Kunsthalle, die mehr als 230 Werke versammelt. Was aber weniger bekannt sei, sei die Tatsache, dass sich die Surrealisten in den 1930er- und 40er-Jahren ganz explizit auf deutsche Dichterinnen und Dichter, Denkerinnen und Denker der deutschen Romantik bezogen hätten, erklärt sie weiter.
Trotz deren meist religiös-mythischer Haltung erschienen sie den Surrealisten als frühe Geistesverwandte: Wie sie wehrten sich schon Novalis, Kleist oder die Arnims gegen eine rein rationale Sicht auf die Welt, wollten der Fantasie und dem Träumen mehr Raum geben.
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„Giorgio de Chirico: Magische Wirklichkeit“ heißt die Ausstellung, die in der Hamburger Kunsthalle gezeigt werden soll.
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Es gibt mehr als das Wachsein
Das Surreale im Realen aufzudecken bedeutet für Annabelle Goergen-Lammers Kategorisierungen und Schubladen wieder zu öffnen und so zu zeigen: „Es gibt eine andere Welt als nur die des Wachseins. Es gibt die ganze Traumwelt – und die ist genauso ernst zu nehmen.“
Die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Bewegungen enthüllen 15 ineinander fließende Kapitel: Es geht um Naturempfinden, Einsamkeit, die Bedeutung von Freundschaften oder die Lust am Sprengen künstlerischer Grenzen. So experimentierten beide Kunstbewegungen mit dem bei Kindern beliebten Abklatschverfahren, für das Tinte auf ein Stück Papier geträufelt und das Papier danach gefaltet wird.
Schwerpunkt sind die Traum- und Albtraumbilder
Den beeindruckenden Schwerpunkt aber bilden die Traum- und Albtraumbilder, die inmitten von Faschismus und Krieg, deutscher Besatzung und der Verfolgung der Surrealisten als „entartete“ Künstler entstanden: Die realen Albträume lassen die Fantasie explodieren, riesige Knochenfiguren, alles vernichtende Ungeheuer und Widerstand beschwörende Dämonen füllen die Leinwände. Damals, so Annabelle Goergen-Lammers, publizierte die jüdische Philosophin Madeleine Landsberg in einer surrealistischen Zeitschrift zum ersten Mal in Frankreich Bilder von Caspar David Friedrich.
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Noch immer sind seine sehnsuchtsvollen Bilder gefragt. Caspar David Friedrich wurde am 5. September 1774 in Greifswald geboren.
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„Sie interpretiert Friedrich als den ‚Maler der Angst‘ und kreiert damit ein ganz, ganz anderes Bild von unserem bekannten Friedrich, als zeitgleich die Nazis ihn als Propagandamittel gebraucht haben“, sagt die Kunsthistorikerin. „So haben die Surrealistinnenund Surealisten, die alle „Minotaur“ gelesen haben, diese Bilder vor Augen, und beziehen sich auf diesen in unserem Haus so bekannten Maler. Aber auf eine neue Weise.“
Symbolisch aufgeladene Naturdarstellungen
Die tschechische Künstlerin Toyen (1902-1980) schuf 1937 ihr Bild „Traum“.
Raoul Ubac, Toyen, Max Ernst oder Dali greifen Friedrichs symbolisch aufgeladenen Nebelbilder, Mondschein- und Meeresansichten auf und verwandeln sie in wüste Kriegslandschaften, in Barrikaden- und Raketen-Wälder.
Die beeindruckende Ausstellung vermittelt all die neuen Erkenntnisse völlig unprätentiös mithilfe kurzer, leicht verständlicher Texte, die historische Zusammenhänge benennen. Denn die Kuratorin wünscht sich vor allem Eines: „Dass man hier durch flaniert und erkennt, dass es sehr, sehr viel mit einem selber zu tun haben kann.“ Dass da Bezüge sichtbar würden, die bislang nicht gesehen wurden. „Und dass es ein sehr sinnliches Erleben ist.“
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Die Schau präsentiert rund 230 Werke bedeutender Surrealisten aus aller Welt. Zum Beispiel: Salvador Dalí, Max Ernst und René Magritte.
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Das Reale im Surrealen in der Hamburger Kunsthalle
Die Schau präsentiert rund 230 Werke bedeutender Surrealisten und setzt sie in Verbindung mit Romantikern – wie Caspar David Friedrich.
- Datum:
- 13.06.2025, 10:00 Uhr
- Ende:
- 12.10.2025
- Ort:
-
Hamburger Kunsthalle
Glockengießerwall 5
20095 Hamburg - Preis:
- ab 5 Euro
Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur |
Der Morgen |
13.06.2025 | 09:40 Uhr