Andrea Petkovic erinnert sich mit Schaudern an ihr Debüt in Berlin. „Ich habe hier mein erstes WTA-Turnier überhaupt gespielt. Gegen Kveta Peschke habe ich 0:6, 1:6 verloren. Sie hat 35 Stopps gespielt und ich habe dagegen null Punkte gemacht.“ Das war im Jahr 2005, in der ersten Runde der Qualifikation und auf der Anlage beim LTTC Rot-Weiß in Berlin-Grunewald wurde noch auf Sand gespielt.
Inzwischen kann Petkovic darüber lachen, als Director of Excitement ist sie bei den Berlin Tennis Open für die gute Laune zuständig. Und „Petko“, wie sie alle nennen, ist sowieso meistens fröhlich. Angesprochen auf ihren Anteil an der diesjährigen Austragung sagt sie dann auch passenderweise: „Ich habe gar nichts auf den Weg gebracht außer mein charmantes Lächeln.“
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Wieder einmal gibt es einen Neuanfang für das prestigeträchtige Turnier am Hundekehlesee. Die Emotion Sports Group hatte Berlin im Jahr 2020 auf die Tennislandkarte zurückgebracht. Die Zukunft für die Anlage mit dem ikonischen Steffi-Graf-Stadion sollte grün werden, mit tatkräftiger Unterstützung aus Wimbledon war ein Rasenturnier geplant.
Corona verzögerte zunächst die Premiere, inzwischen aber haben Berlin und seine Rasenplätze wieder einen festen Platz im weltweiten Turnierkalender. Wirklich zufrieden waren die Macher von Emotion aber nicht, die erhofften Zuschauermassen blieben trotz hochkarätigen Teilnehmerfeldern aus, und mit der Berliner Politik war das Verhältnis am Ende völlig zerrüttet.
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Das Stadion im Jahr 2025, am ersten Tag der Qualifikation am Samstag noch spärlich besetzt.
© Imago/Andreas Gora
Nun versuchen Perfect Match mit Gründer Markus Günthardt (der Bruder von Steffi Grafs langjährigem Trainer Heinz Günthardt) dem Turnier endgültig den alten Glanz zurückzugeben. Als Turnierdirektor ist mit Markus Zoecke der Mann für alle Fälle am Ruder. Am Samstag wirkt er bei der Eröffnungspresskonferenz auf der Anlage zufrieden mit dem neuen Look: „Der Public-Bereich ist schöner, der VIP-Bereich größer. Wir haben unheimlich hohe Ansprüche, denen wir auch gerecht werden wollen.“
Zoecke ist ein Kind des Clubs Rot-Weiß. „Ich habe hier vor 50 Jahren als Ballkind angefangen“, erzählt er. Wobei es 1975 noch kein Frauenturnier in Berlin gab, aber die Historie ist auf der Anlage immer präsent. Auch wenn es jetzt drei Rasenplätze gibt, kommt der Sand immer noch durch viele Ritzen. Rot-Weiß ist schließlich über 50 Wochen im Jahr ein Club, bei dem auf Asche gespielt wird.
Auslosung am Samstag
Am Samstag fand die Auslosung für die erste Hauptrunde in Berlin statt. 28 Spielerinnen kämpfen ab Montag um den Titel, wobei neun der zehn besten Profis laut Weltrangliste für das Turnier zugesagt haben. So wird die Weltranglistenerste Aryna Sabalenka genauso dabei sein, wie French-Open-Siegerin Cori „Coco“ Gauff. Beide greifen allerdings erst am Mittwoch bzw. Donnerstag ins Turnier ein, sie haben in Runde eins ein Freilos. Deutschlands Hoffnungsträgerin Eva Lys bekommt es zum Auftakt am Montag mit Paula Badosa aus Spanien zu tun.
1979 wechselten die damaligen German Open von Hamburg nach Berlin. „Beim ersten Turnier hatten wir 4000 Zuschauer in der ganzen Woche“, wird sich der langjährige Turnierdirektor Eberhard Wensky später an die Anfänge erinnern. Es folgte ein rasanter Aufstieg – dank Steffi Graf. Neunmal gewann sie den Titel, vor 40 Jahren stand sie erstmals im Finale gegen Chris Lloyd-Evert, wie die legendäre US-Amerikanerin damals noch genannt wurde.
Ein Jahr später besiegte sie erstmals die noch größere Martina Navratilova. Der Tagesspiegel schrieb damals: „In Berlin würde für Steffi Graf ein erster Traum Wirklichkeit. Die 29.000 Dollar für den Turniersieg sind dabei wirklich als zweitrangig einzustufen …, viel höher ist der psychologische ‚Schub‘ zu werten, den die junge Deutsche dadurch erhalten hat. ‚Ich könnte vor Freude die ganze Welt umarmen‘, sagte sie immer wieder, als sie nach der Siegerehrung mit Sekt über den roten Sand spritzte.“
Steffi Grafs Stern ging 1986 in Berlin endgültig auf.
© Imago/Norbert Schmidt
Das Tennis in Deutschland war dank Boris Becker schon im Aufwind und dann kam auch noch Steffi Graf. Ganz Berlin lag ihr fast 15 Jahre lang zu Füßen. „Tennis bei Rot-Weiß hatte so eine Outstanding-Situation in der Stadt, gemeinsam mit DFB-Pokalendspiel, Marathon und Istaf“, sagte Wensky 1997. Da kamen 50.000 Fans in der Turnierwoche auf die Anlage. Die Promidichte war gewaltig.
Im Jahr zuvor war der Center Court dank modernster Technik von 4500 auf über 7000 Plätze erweitert worden – auch weil der Berliner Senat 20 Millionen D-Mark aus Lottogeldern für den Ausbau des Stadions freigab. Wensky meinte stolz: „Mit dem Stadion bleibt Berlin erste Adresse im Welttennis, und die Zukunft unseres Klubs ist gesichert.“
Mit dem Stadion bleibt Berlin erste Adresse im Welttennis und die Zukunft unseres Klubs ist gesichert.
Der frühere Turnierdirektor Eberhard Wensky 1997 über den neuen 7000 Plätze fassenden Center Court
Berlin sah sich selbst als international „fünftgrößtes“ Tennisturnier für Frauen, Rot-Weiß-Präsident Wolfgang Hofer sagte bei seiner Eröffnungsrede des Stadions 1996: „Ich bin glücklich und zufrieden, schließlich haben wir hier in kurzer Zeit die schönste Anlage Europas, wenn nicht in der ganzen Welt, in den Grunewald gezaubert.“
Auch der Tagesspiegel schrieb damals begeistert: „Die mobilen Zusatztribünen an den Längsseiten sind innerhalb eines Tages verschwunden – zusammengeschoben und verstaut wie das Dach eines Cabriolets im Inneren des Wagens: Mit einem Kran wird dabei zunächst der obere Teil der Konstruktion abgeklappt, die Versenkung mit Motorkraft selbst dauert dann nur noch sechs Minuten.“
Steffi Graf bei der Stadionumbennung 2004 mit Turnierdirektor Eberhard Wensky, Ehrenpräsident Wolfgang Hofer (LTTC Rot-Weiß) und Bundesinnenminister Otto Schily.
© Imago/Camera 4
Plötzlich machte der Club Gewinne, nachdem das Turnier lange Zeit ein Minusgeschäft gewesen war. Doch irgendwann waren die fetten Tennisjahre vorbei, 2004 wurde der Center Court in Steffi-Graf-Stadion umbenannt – da hatte sie schon längst mit dem Profisport aufgehört und Tennis war in Deutschland praktisch tot. Und so kam es wie es kommen musste: 2008 wurde zum vorerst letzten Mal an der Hundekehle aufgeschlagen, vorbei war die Herrlichkeit. „Das Ende ist nicht bloß ein sportlicher Verlust, sondern auch ein gesellschaftlicher“, sagte Wensky später traurig.
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Was blieb, waren horrende Kosten für den Unterhalt eines verfallenden Tennisstadions und die Hoffnung, dass es hier irgendwann vielleicht noch mal großen Sport geben könnte. „Ich habe fünf Anläufe unternommen, um wieder ein Turnier nach Berlin zu holen“, sagt Zoecke heute.
Am Ende doch noch mit Erfolg und nun mit dem Kind des Clubs als Turnierdirektor. Dass in diesem Jahr neun der besten zehn Spielerinnen der Welt in Berlin antreten, ist auch sein Erfolg und bei den Sportfans angekommen, jetzt soll es als Event auch wieder seinen gehobenen Platz in der Stadtgesellschaft finden.