Eines vorweg: Der Rheiner Kaufmann Hans-Jürgen Borgmann ist in den vergangenen Jahren schon sehr konsequent auf seinem Kurs geblieben, viel Raum für Kompromisse war da nicht. Und der heute 68-Jährige hatte nach dem Abriss seines Edeka-Marktes am Klingenhagen in Halle 2018 auch keine Eile, einen Neubau umzusetzen. Zumindest nicht, wenn dieser nicht zu 100 Prozent seinen Vorstellungen entsprach.

Und so entspann sich über Jahre ein Pingpong der Argumente und Stellungnahmen zwischen Borgmann und der Stadt Halle, dessen Ergebnis nach ziemlich genau sieben Jahren äußerst ernüchternd ausfällt: Borgmann will sich als Kaufmann aus Halle endgültig zurückziehen und bietet das Grundstück am Klingenhagen zum Verkauf an. Wie mein Kollege Uwe Pollmeier in seiner Recherche erfuhr, gibt es offenbar auch schon konkrete Interessenten für das attraktiv gelegene Grundstück, weshalb das entsprechende Exposé bei Kleinanzeigen schnell wieder verschwand. Potenzielle Investoren dürften – so zeichnet es sich derzeit ab – allerdings eher Interesse an einem Konzept mit Wohnbebauung haben.

Und das, obwohl seit einigen Monaten die Baugenehmigung für einen gut 1.000 Quadratmeter großen Supermarkt besteht, die der clevere Kaufmann vor einigen Monaten beim Kreis Gütersloh erhalten hat. Es könnte also ein Markt in einem Umfang entstehen, der Borgmann vor sechs Jahren noch zu klein war. Was die Debatte um einen Doppelstock-Markt mit Aldi am Künsebecker Weg erst auf den Weg brachte.

Haller Kaufmann wollte mit Edeka neuen Einflussbereich erschließen

Denn dort wollte Borgmann seine Vorstellungen von einem modernen, größeren, attraktiven Markt direkt neben einem neuen Wohnviertel umsetzen. Nicht zuletzt vielleicht auch mit dem Hintergedanken, etwas vom mächtigen Marktkauf Speicher im Haller Zentrum wegzukommen und sich einen neuen, starken Einflussbereich zu erschließen.

Haller Einzelhandel im Wandel: Laden-Schließung, neue Geschäfte

Dass die BBE Handelsberatung mit ihrem Gutachten diesen Plänen einen Riegel vorschob, hat Borgmann bis heute nicht verwunden. Die Experten argumentierten damals, dass ein Doppelmarkt aus Edeka und Aldi dem Marktkauf als „zentraler Versorgungseinheit“ zu große Umsatzeinbußen zufügen könnte. Was den einstigen Edeka-Besitzer mächtig aufregte. Denn nicht ganz zu Unrecht führt er an, dass sich der Marktkauf zuvor ja auch Umsatz von seinem verschwundenen Markt einverleibt hatte.

Ironie der Geschichte: Heute werden Märkte von den großen Konzernen wieder etwas kleiner gebaut – es wäre nicht die erste verrückte Wende in dieser Geschichte, wenn plötzlich ein Handelskonzern auftauchte und mit einem Investor am Klingenhagen wieder durchstarten wollte. Interessant übrigens, dass ein Neubau hier aufgrund des Bestandsschutzes auch nicht zu beanstanden wäre – Umsatz würde er die anderen Märkte ja auch kosten …

Marktkauf hat beherrschende Position in Halles Zentrum

Seit 2018 Geschichte: Der Edeka am Klingenhagen. - © Uwe Pollmeier

Seit 2018 Geschichte: Der Edeka am Klingenhagen.
(© Uwe Pollmeier)

Allein, sehr wahrscheinlich ist das Comeback eben nicht. Denn der Marktkauf Speicher hat mittlerweile eine so marktbeherrschende Position im Haller Zentrum aufgebaut, dass potenzielle Investoren wohl scheuen würden, in direkter Nähe einen Vollsortimenter aufzubauen. Zumal dieser, wenn es ein Edeka wäre, noch aus dem gleichen Handelskonzern käme wie der Marktkauf.

Der Aldi wird am Künsebecker Weg expandieren, Lidl hat es an der ehemaligen B68 schon getan. Doch parallel hat der Rewe-Markt an der Berliner Straße sein Angebot stark eingedampft. Und der Edeka ist und bleibt eben weg. Unterm Strich hat die Vielfalt im Haller Einzelhandel für die Kundinnen und Kunden damit abgenommen – wenn am Klingenhagen nicht doch noch der seit Jahren auch von der BBE herbeigewünschte Baumarkt entsteht.

Und so wichtig Wohnungsbau auch ist: Ein funktionierendes Einzelhandelsunternehmen hätte noch mehr Kaufkraft im Ort gebunden und vor allem weitere Arbeitsplätze in der Stadt geschaffen. Nach sieben Jahren scheint dieser Traum nun ausgeträumt – und das Rennen um eine hochattraktive Fläche im Zentrum hat begonnen.

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