Eine Gewalttat in Spandau sorgt für Entsetzen: Opfer und Täter sind offenbar beide noch Kinder. Immer mehr Minderjährige bewaffnen sich – und stechen auch zu.

Der Vorfall, der den zwölfjährigen Jungen ins Krankenhaus brachte und Schüler, Lehrer und Eltern in Spandau geschockt zurückließ, ist kein Einzelfall in Berlin. Seit Jahren blicken Experten mit Sorge auf die offenbar immer weiter eskalierende Jugendkriminalität in der Hauptstadt.

Während die Anzahl aller Berliner Tatverdächtigen seit der Corona-Pandemie von Jahr zu Jahr leicht angestiegen ist, hat sie in den Altersgruppen der Jugendlichen und unter 21-Jährigen dagegen deutlich zugenommen. 2024 sanken die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr, sind jedoch immer noch auf deutlich höherem Niveau als in den Vor-Corona-Jahren.

Einen deutlichen Anstieg machte die Berliner Polizei dabei auch im vergangenen Jahr bei der sogenannten „Jugendgruppengewalt“ aus: Diese stieg um ganze 17,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf nun 2.410 Fälle, in denen die Polizei Ermittlungen einleiten musste. Darunter fallen für die Ermittler Raubdelikte, verschiedene Formen von Körperverletzung, Sachbeschädigung und Arten der Bedrohung und Nötigung.

Messerangriffe von Minderjährigen, wie es möglicherweise auch an der Grundschule in Spandau der Fall gewesen sein könnte, nahmen zuletzt ebenfalls deutlich zu: Zwar machen erwachsene Tatverdächtige bei solchen Vorfällen in Berlin seit Jahren etwas mehr als 70 Prozent aller Tatverdächtigen aus, jedoch ist der Anteil dieser Tätergruppe mittlerweile leicht rückläufig. Die Anzahl der jugendlichen Messerangreifer nimmt im Umkehrschluss in Berlin also seit Jahren zu.

Das erklärt sich so: Für 2024 ermittelte die Polizei 731 nicht-volljährige mutmaßliche Messerangreifer, 2020 waren es 555 – ein Anstieg um fast 32 Prozent innerhalb von vier Jahren. Zum Vergleich: Der Anstieg der erwachsenen mutmaßlichen Messerangreifer stieg im selben Zeitraum um rund 27 Prozent. Auch deutlich, aber eben doch geringer als bei den Minderjährigen.

Sogar unter Berliner Kindern (die Polizei zählt hier alle unter 14-Jährigen) wurde zuletzt demnach öfter zum Messer gegriffen als 2020: 117 Mal stach im vergangenen Jahr ein Kind in Berlin auf einen Menschen ein – das sind 108,93 Prozent mehr als im ersten Corona-Jahr (56 Fälle).

19 Menschen starben im vergangenen Jahr an den Folgen eines Messerangriffs in Berlin – das sind 0,4 Prozent aller Opfer (4.263) dieser Form von Gewalt. Eine Unterscheidung nach Altersgruppen veröffentlichte die Berliner Polizei in ihrer Kriminalitätsstatik nicht. 243 Menschen (5,7 Prozent) wurden zudem schwer verletzt.

Erst am Dienstag, also zwei Tage vor dem Vorfall an der Spandauer Schule, hatte Bernd Siggelkow, Pastor und Gründer der Arche aus Berlin-Hellersdorf, dem Fernsehsender Welt gesagt: „Wir erleben eine erhöhte Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen, weil ihnen häufig die Perspektive fehlt. Wir haben viele Jugendliche, die mit Messern herumlaufen, um sich zu schützen, aber auch weil die Gewaltbereitschaft größer geworden ist.“

Siggelkow zudem: „Das Messer ist fast so selbstverständlich geworden wie das Handy in der Hosentasche vieler Jugendlichen.“ Viele Berliner Jugendliche würden auch durch Hassprediger im Netz beeinflusst und litten unter Perspektivlosigkeit.