Für deutsche Augen ist es ein ungewohnter Anblick, der sich am Sonntagmittag vor dem Reichstagsgebäude bietet. Während sich die Besucher des ersten Veteranenfests in der prallen Sonne tummeln, gibt der Stabsmusikkorps der Bundeswehr schonmal „Sweet Caroline“ zum Besten. Überall laufen Soldaten in Uniform herum.
Klöckner fordert mehr Unterstützung für Veteranen
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) eröffnet die zentrale Veranstaltung zum ersten nationalen Veteranentag, eine von rund 130 in ganz Deutschland. Ausführlich dankt sie den Veteranen für ihren Dienst. „Manche trugen Wunden davon“, sagt sie. Diser Tag sei für die Soldaten ein Raum, von ihren Erlebnissen zu erzählen. Auch deren Angehörigen dankt Klöckner. „Sie haben gestützt, getragen und manchmal einfach nur geschwiegen.“
Für Veteranen brauche es verlässliche, unbürokratische Hilfe und „echte Fürsorge“, fordert die Bundestagspräsidentin. Dass sich Soldaten nach ihrem Einsatz in einen „Verwaltungskrieg“ begeben müssten, um Hilfe zu erhalten, schmerze sie. Zumindest beim Publikum kommt die Rede gut an, der Applaus ist groß.
Gut besucht, aber keine Massenveranstaltung
Zwischen der Nordseite des Reichstagsgebäudes und dem Paul-Löbe-Haus erstrecken sich mehrere Dutzend Infostände bis zur Spree. Die Bundeswehr ist mehrfach vertreten, auffällig viele Stände widmen sich der psychischen Betreuung von Veteranen. Daneben präsentieren sich auch viele eher unbekannte Organisationen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Externen Inhalt anzeigen
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
In knallig orangefarbenem Funktionsshirt samt Hut vertritt Matthijs van der Hoeven das Veteranenbüro seiner niederländischen Heimat.
„Wir haben in den Niederlanden seit über zwanzig Jahren schon einen Veteranentag“, erzählt er. „Bei uns wird das viel größer gefeiert, es kommen ungefähr hunderttausend Besucher.“
Ganz so viele sind es beim Bürgerfest vor dem Bundestag nicht, trotzdem ist die Veranstaltung gut besucht. Das Publikum ist bunt gemischt, von älteren Herren bis zu Familien mit Kindern sind alle vertreten. Der Durchschnittsbesucher ist mittelalt, Frauen sind ähnlich häufig gekommen wie Männer.
„Die deutschen Veteranen verdienen mehr Respekt“, findet van der Hoeven, der nach eigener Auskunft selbst mehr als zehn Jahre lang Soldat war.
Matthijs van der Hoeven vertritt beim Veteranenfest das niederländische Veteranenbüro in den Farben seines Heimatlandes.
© Nico Preikschat
Er würde es den Deutschen nicht übel nehmen, wenn auch sie ihre Veteranen noch größer feiern würden, sagt der Niederländer.
Viele Besucher mit Bundeswehrbezug
Grillwürste, Bier, Baumkuchen – fast so zahlreich wie die Infostände sind die Essenswagen. Der Bierpreis liegt bei fünf Euro für 0,4 Liter. Was bringt die Besucher abseits des gastronomischen Angebots zum Bürgerfest? „Mein Partner ist bei der Bundeswehr“, erzählt Helga Prüter, die mit ihrer Familie gekommen ist. „Ich finde es total schön hier. Man kann sich umschauen, und die Kinder können Fragen stellen, die sie anderswo nicht loswerden“, findet die 44-Jährige.
Viele, aber bei weitem nicht alle, die an diesem Mittag zum Veteranenfest gekommen sind, haben einen Bezug zur Bundeswehr. „Wir sind eher aus Zufall über diese Veranstaltung gestolpert“, erzählt Jan Rott aus Detmold, der mit seiner südafrikanischen Freundin Erin Sterkenburg gekommen ist.
Bei einem Freiwilligendienst in den USA sei er mit vielen Veteranen in Kontakt gekommen, erzählt der 24-Jährige. „Ich bin sehr glücklich, dass Soldaten jetzt auch in Deutschland mehr Rückendeckung aus der Gesellschaft erhalten.“
„In den USA ist das Ganze natürlich viel größer“, erzählt Sterkenburg, die in den USA studiert und auf Berlin-Besuch ist. Die amerikanischen Militärparaden würde er sich auch in Deutschland wünschen, bekennt Rott. „Wir können ruhig zeigen, was wir haben.“
Rund 300 Gegendemonstranten
Bei der Gegendemonstration zum Veteranentag ist die Polizeipräsenz massiv, entlang der Friedrichstraße stehen dutzende Mannschaftswagen. Laut Polizeiangaben haben sich rund 300 Demonstranten am Bahnhof Friedrichstraße versammelt, die Route verläuft entlang der Straße Unter den Linden bis zur Wilhelmstraße kurz vor dem Reichstag.
Beim Gegenprotest am Bahnhof Friedrichstraße fällt der Palästina-Konflikt stärker ins Auge als der Veteranentag.
© Nico Preikschat
Der Demonstrationszug teilt sich in zwei Hälften. Vorne wehen rote Linke-Fahnen, ein Banner trägt die Aufschrift „Wir feiern eure Kriege nicht“. Plakate rufen zur Entmilitarisierung auf. Ein Redner richtet sich mit drastischen Worten gegen die Wehrpflicht: „Man muss die Leute zu Kanonenfutter machen, weil freiwillig würden sie das nicht tun“, sagt er. Einzelne Teilnehmer haben sich mit Atemschutzmasken vermummt und schirmen sich mit Regenschirmen gegen Aufnahmen ab.
Mehr zum Veteranentag General a.D. über den Veteranentag „Für mich persönlich kann er nichts heilen“ „Sterben gehört dazu“ Ein Truppenpsychologe über den Soldatenberuf Der Geruch der Toten ist geblieben Ein Berliner Veteran erinnert sich an seinen Einsatz – und die Rückkehr
Im hinteren Teil der Demonstration dreht sich hingegen alles um den Gaza-Krieg. Es wehen Palästina-Flaggen, Demonstranten tragen Kufiyas und skandieren „Viva, Viva, Palästina“ oder „Kriegsverbrecher vor Gericht“. Auf den ersten Blick sind dort keine Bezüge zum Veteranentag erkennbar.
Laut der Berliner Polizei wurden zehn freiheitsbeschränkende Maßnahmen vorgenommen, unter anderem wegen Störung der Pressefreiheit und des Zeigens verfassungswidriger Symbole.