Die EU-Kommission bezahlt Vereine für politische Einflussnahme im Sinne grüner Politik. Kann das ein Skandal sein, auch wenn die Kritik von rechten Politikern kommt?
Jede Regierung nimmt Einfluss auf die Öffentlichkeit. Sie macht Pressearbeit, füttert Journalisten gezielt mit Informationen, betreibt Social-Media-Kanäle, veranstaltet Konferenzen, das Führungspersonal hält Reden, manchmal sogar gute. Soweit, so normal.
Nun jedoch rückt eine andere Form der Diskurslenkung in den Vordergrund: Regierungen bezahlen Teile der Zivilgesellschaft dafür, dass sie die Trommel schlägt. Vereine, modern ausgedrückt: Nichtregierungsorganisationen (NGOs), werben öffentlich für eine bestimmte Politik – etwa gegen Kohlekraftwerke oder Freihandelsabkommen. In Deutschland wenden sich viele Vereine „gegen Rechts“ und bekommen dafür Geld.
Nun berichtet die „Welt“ über ein Förderprogramm der EU-Kommission, aus dem unter anderem 350.000 Euro an die Umweltorganisation ClientEarth geflossen sein sollen. Als „Gegenleistung“, so insinuiert es die Zeitung, habe man beispielsweise von den Aktivisten erwartet, dass sie in Deutschland den Kohleausstieg vorantreiben, andere sollen sich gegen Glyphosat oder das Mercosur-Abkommen wenden.
„Geheime“ Verträge
Diese und ähnliche Vereinbarungen seien „geheim“, die Öffentlichkeit werde also von dieser Einflussnahme nicht informiert. Von „Schattenlobbyismus“ ist die Rede. Inzwischen haben sich rechte Fraktionen im Europaparlament zusammengetan, um einen Untersuchungsausschuss zu diesem Thema aufzusetzen.
Ist das nun ein Skandal? Es ist jedenfalls eine Täuschung: Das Wort „Zivilgesellschaft“ klingt edel: Hier tun sich Bürger zusammen, um etwas Gutes zu bewirken. Sie verfolgen keinen Profit und auch keine Parteipolitik, so lautet etwa eine Definition des Bundesentwicklungsministeriums. Wenn eine NGO für ein bestimmtes Programm einen großen Sack Geld erhält, etwa, weil sie gegen Kohlekraftwerke agitiert, dann ist das natürlich ein großer Anreiz.
Zudem agitiert eine Generaldirektion der Kommission mit dieser Förderung offenbar gegen eine andere. Steuerzahler blechen also für internen Politikzwist in der EU-Regierung – da wünscht man sich doch lieber eine Brücke ins Nichts, die hat wenigstens satirischen Mehrwert.
„Orchestrierte Kampagne“
In einer vernunftbegabten Öffentlichkeit müsste man sich nun eigentlich zusammensetzen, die Sache durchdebattieren, womöglich ein paar Änderungen anregen, darüber abstimmen und dann einen Kaffee trinken gehen.
Das scheint nicht mehr zu funktionieren und dafür gibt es einen Grund: Die Kritik kommt von rechts, nicht von links. Offenbar gilt „Links vor Rechts“ beim öffentlichen Streiten. Die Hauptkritik lautet, es handele sich um eine „orchestrierte Kampagne“ und zwar von „Springer“ und eben jenen rechten Abgeordneten, unter anderem der CSU-Politikerin Monika Hohlmeier. Gibt es rechts der Mitte keine gute Menschen?
Klar: Die Nachricht über die „Geheimverträge“ zwischen NGOs und Kommission ist zugespitzt. Die Verträge sind tatsächlich nicht öffentlich – öffentlich ist nur die Höhe der Zuwendungen an die jeweilige NGO. Kann man etwas als „geheim“ bezeichnen, das „nicht öffentlich“ ist? Ist doch schön, dass es noch Aufgaben für Germanisten gibt.
Erinnerungen an die DDR
Der Streit um vermeintlich linke NGOs ist längst zu einem Kulturkampfthema geworden – und wenn der ausbricht, geht es kaum noch um Fakten. Oder ums Recht: Denn man kann durchaus vertreten, dass eine Regierung der Bevölkerung nicht über den Transmissionsriemen einer NGO Meinungen als „zivilgesellschaftliches Engagement“ unterjubeln darf. Demokratie funktioniert von unten nach oben – nicht umgekehrt.
Vor ein paar Tagen habe ich mit dem Juraprofessor Hubertus Gersdorf von der Uni Leipzig zu diesem Thema telefoniert, der sich gar an die DDR erinnert fühlte. „Wehret den Anfängen“, sagte er, zumal so eine NGO-PR ja auch mal von den ganz Rechten genutzt werden könnte. Sendefreudige NGOs müssten also konsequenterweise wie Sender, also Medien, reguliert werden. Der Staat darf da also nicht die Feder führen.
Die Angelegenheit birgt enormes Verhetzungspotential. Brüssel ist fern, die EU-Skepsis ist ohnehin schon groß. Der Eindruck, die Kommission versuche sich wie ein Kraken in die Hirne der Bürger zu mogeln, lässt sich leicht hervorrufen. Aus einem Rechtsverstoß wird dann der „tiefe Staat“ – und schon steckt die Debatte tief im populistischen Schlamm.
DDR-Vibes
Und das ist das Bemerkenswerte: Mir ist keine grüne oder linke Stimme bekannt, die dieses psychologische Risiko ernst nimmt. Im Gegenteil: Die Reaktionen sind von Arroganz und Unerbittlichkeit gekennzeichnet. Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss sagte, es handele sich um eine „durchschaubare Kampagne gegen zivilgesellschaftliches Engagement“. So wird aus der Kritik an NGO-Förderung ein Kampf gegen brave Bürger, die Gutes tun, ohne Profit und ohne Parteipolitik.
Der Juraprofessor Gersdorf warnte noch, dass Ostdeutsche sehr empfindlich reagierten, wenn man sie manipuliert. Ich bin kein Ostdeutscher und neige auch deshalb nicht zu DDR-Vergleichen – aber man sollte solche Effekte wohl ernstnehmen, angesichts einer ziemlich blauen Landschaft östlich der früheren innerdeutschen Grenze.
Doch statt sich über Fakten und rechtliche Grenzen von Förderprogrammen zu streiten, geht es um den Kampf Gut gegen Böse: Wer NGOs hinterfragt, ist rechts, wer sie unterstützt ein guter Demokrat. Damit setzt sich die Schieflage fort, die in Deutschland anlässlich des „Demokratiefördergesetzes“ entbrannt ist.
Die Kommission als Diskurswächter
Eine Regierung, die nicht Resultat einer öffentlichen Debatte ist, sondern diese lenkt, ist anmaßend. In Brüssel lautet das Argument, es gäbe zu viel Industrielobbyismus, deshalb müsse man mit Verbraucher- und Umweltpolitik gegensteuern. Die EU-Kommision soll den Diskurs austarieren – das erinnert an die digitale Diskurskontrolle durch „Trusted Flagger“ in Sozialen Medien.
Der Markt der Meinungen funktioniert nur dann, wenn Links und Rechts gleichermaßen Gehör finden kann. Wer Kritik allein aufgrund ihres Absenders als gemeinschädlich verunglimpft, produziert einen Strudel der Empörung, der leicht ganze Institutionen beschädigen kann, etwa die EU – und eine Zivilgesellschaft, die diese Bezeichnung wirklich verdient.