Stand: 16.06.2025 06:00 Uhr
Die Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer hat gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin, der Künstlerin Katharina Zorn, den Roman „Else“ geschrieben – inspiriert durch das Leben der Großmutter von Katharina Zorn.
Der Mann arbeitet und bringt das Geld nach Hause, Else kümmert sich um den Haushalt und die beiden Töchter. Ein ganz normales Frauenleben in den 1960er-Jahren, aber: „In einem ganz normalen Leben, da passiert so viel“, sagt Katharina Zorn, die erst spät erfuhr, dass ihre Oma damals tatsächlich als vermutlich erste Frau in Frankfurt einen Taxischein machte. Vor ihrer Familie hielt sie das geheim. „Und wir wollten ihr eine Bühne geben, so ein bisschen.“
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Die Herausforderungen der 1960er-Jahre
„Guten Tag, Sie haben ein Taxi bestellt.“
„Tag, ja habe ich. Ich wollte allerdings schnell und sicher ankommen.“
„Na, dann steigen Sie gern ein. Ich bringe Sie schnell und sicher zum Hauptbahnhof.“
„Bevor ich mit einer Frau fahre, fahre ich lieber mit der Straßenbahn.“
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Der ältere Herr im Anzug geht tatsächlich zur Straßenbahnhaltestelle. So beschreiben es Katharina Zorn und Jasna Fritzi Bauer. Und so dürfte es gewesen sein: Männer hielten damals nicht viel von Frauen, die Auto fahren. Das macht auch ein Videoclip deutlich, den man über einen QR-Code im Buch öffnen kann – immer wieder sind solche Codes eingefügt.
Doch Else setzt sich durch, jahrelang fährt sie nachts Taxi. Nur einer Freundin erzählt sie davon. Ihr Mann Willy reist dienstlich viel ins Ausland, die Töchter schlafen. Ist Willy da, begleitet ihn die Familie am Wochenende perfekt zurechtgemacht in den Tennisclub. Hier geht es um den sozialen Aufstieg, man(n) will endlich dazugehören. Eines Tages kommt es tatsächlich zum entscheidenden Match mit einem der wohlbetuchten Männer:
Heute ist der Tag, an dem er das bekommen wird, wofür er schon immer gekämpft hat. Einen Platz in der Gesellschaft. Nicht irgendwo in der Mitte, nein, ganz weit oben.
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Frauen im Fokus der Geschichte
Jasna Fritzi Bauer und Katharina Zorn erzählen Elses Geschichte in Rückblenden. In der Gegenwart des Romans, 2010, reist Else mit ihrer 18-jährigen Enkelin Emma an die Cote d’Azur. So werden zwei sehr gegensätzliche Lebensentwürfe gegenübergestellt. Emma hat all die Möglichkeiten, die Else gerne gehabt hätte. Doch hat sie ihren Weg gefunden, sich heimlich allmählich emanzipiert – und ist trotz aller Schwierigkeiten bei „ihrem“ Willy geblieben. Emma hingegen verguckt sich in Nizza in Louise…
„Else“ ist im besten Sinne ein Frauenbuch. Neben Elses nur scheinbar so gewöhnlichem Leben steht das Miteinander der Generationen im Mittelpunkt: die Spannungen, auch die emotionale Nähe zwischen Müttern und Töchtern, die Großzügigkeit und Toleranz, mit der die Großmutter auf die Enkelinnen schauen kann.
Bauer und Zorn schreiben frisch und direkt: „Wir haben das auf Mallorca geschrieben, und das auch recht fix. Abends haben wir immer so ein Ritual gehabt, dass wir uns das vorlesen und gegenseitig kritisieren“, erzählt Zorn, und Bauer ergänzt: „Es gab einen großen Disput, weil ich eine große Indienreise in den Roman geschrieben habe, die rausgeflogen ist, weil sie sagt: Nee, das können wir nicht machen, das ist die falsche Perspektive.“
Eine Liebeserklärung an die Oma
Es macht Spaß, mit diesem Buch zu reisen – sowohl in die Vergangenheit als auch in den Süden Frankreichs. Wir gewinnen Einblicke in den Frauenalltag der 60er-Jahre, erfahren manches, wonach wir unsere Mütter und Großmütter vielleicht nie gefragt haben. Dann wieder kitzeln Düfte in der Nase, besonders, wenn Else und Emma in Grasse ihr eigenes Parfüm kreieren. Der Roman ist auch eine Liebeserklärung – an die Oma und weibliche Solidarität. Dabei kommen die Männer keineswegs nur schlecht weg.
Else
- Seitenzahl:
- 272 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Kiepenheuer & Witsch
- Bestellnummer:
- 978-3-462-00530-1
- Preis:
- 23 €
Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur |
Neue Bücher |
16.06.2025 | 12:40 Uhr
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Romane