Der Fahrgastverband PRO BAHN Mitteldeutschland zeigt sich tief besorgt über die geplanten Umstrukturierungen im Netz der Mitteldeutschen S-Bahn zum nächsten Fahrplanwechsel. Die haben nicht nur im Süden Folgen, sondern auch im Westen Leipzigs. Die Maßnahmen, die im Zuge der Sanierung der Südharzstrecke und der damit verbundenen Umverteilung von Fahrzeugen erfolgen, führen zu erheblichen Nachteilen für Fahrgäste im Raum Leipzig und insbesondere in Markkleeberg und nach Markranstädt.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass zentrale S-Bahn-Stationen in stark wachsenden Wohngebieten wie Markkleeberg-Großstädteln und Markkleeberg-Gaschwitz künftig nur noch von einer Linie mit zu kleinen Zügen bedient werden“, erklärt Carsten Schulze-Griesbach, Sprecher des Fahrgastverbands PRO BAHN für die Region Leipzig/Halle. „Die S3 ist bereits heute überlastet – eine weitere Reduzierung der Fahrzeuggröße wäre ein Rückschritt.“
Hintergründe der Umstrukturierung
Durch die Sanierung der Südharzstrecke in Sachsen-Anhalt soll das RE-Angebot Halle–Kassel verbessert werden. Betreiber Abellio benötigt dafür zusätzliche 5-teilige Talent-Triebwagen und entnimmt diese aus der Linie RB20 (Leipzig–Eisenach). In der Folge wird die RB20 auf den Abschnitt Naumburg–Eisenach gekürzt. Der Leipziger Abschnitt wird durch die neue Linie S6 ersetzt – allerdings nur mit kürzeren, 4-teiligen Zügen.
Dadurch werden die Fahrgäste im mitteldeutschen S-Bahn-Netz zwei Nachteilen ausgesetzt, stellt der Fahrgastverband PRO BAHN fest: Zum einen endet die neue S6 am Leipziger Hauptbahnhof oben, wodurch im Tunnel eine Taktlücke entsteht. Dadurch wird im Süden Markkleeberg weniger oft bedient.
Zum anderen müssen Fahrgäste künftig in den Westen nach Markranstädt und weiter bis Naumburg-Weimar und Erfurt in kleineren Fahrzeugen noch enger zusammenrücken. Denn schon jetzt sind die 5-teiligen RB20 Züge im Berufsverkehr völlig überfüllt.
„Wenn zukünftig nur noch vierteilige Züge unterwegs sein werden, ist zu befürchten, dass Fahrgäste, insbesondere mit Fahrrad, nicht mehr mitkommen“, kommentiert das PRO-BAHN-Sprecher Carsten Schulze-Griesbach.
„Zudem ist die Umbenennung einer Regionalbahn zu einer S-Bahn ohne Angebotsausweitung ein reiner Etikettenschwindel“, zeigt sich Schulze-Griesbach verärgert: „S-Bahn-Linien sollten mindestens im 30-Minuten-Takt verkehren, insbesondere wenn aus logistischen Gründen mit kleineren Fahrzeugen gefahren werden muss.“
Weitere Änderungen zum Fahrplanwechsel
Weitere Änderungen betreffen die Linien S3 und S4: Die S4 fährt künftig nicht mehr nach Markkleeberg-Gaschwitz, sondern nach Wurzen/Oschatz – mit nur noch 3-teiligen Zügen. Die S3 übernimmt stattdessen den Südast nach Borna/Geithain. Der Fahrgastverband PRO BAHN befürchtet, dass die S3 dafür Fahrzeuge an die S6 abgeben muss und noch kleiner wird.
Auch die Linie S2 wird betroffen sein: Sie endet künftig nicht mehr in Leipzig-Stötteritz. Für die neue Linienführung Richtung Leipzig-Connewitz reicht die verfügbare kurze Fahrzeit nur bis Connewitz. Um bis nach Markkleeberg weiterzufahren, genügen deshalb die Züge nicht. Damit verliert Markkleeberg eine komplette Linie. Die verbleibende S5/S5X hält nicht in Großstädteln und Gaschwitz – zwei Stationen mit wachsender Bevölkerung im Umfeld.
Noch immer kein S-Bahn-Standard
Grundsätzlich sieht der Fahrgastverband PRO BAHN kritisch, dass die S-Bahn Mitteldeutschland nicht allgemeinen S-Bahn-Standards genügt. Diese besagen, dass in Verdichtungsräumen mindestens im 15-Minuten-Takt gefahren werden soll und sonst in 20- bzw. 30-Minuten-Abständen. Dies bedeutet neben dem erwähnten Etikettenschwindel-S6 nach Naumburg über Markranstädt, dass auch die S1 nach Leipzig Miltitzer Allee mindestens im 15-Minuten-Takt verkehren sollte.
Der Fahrgastverband PRO BAHN fordert daher eine sofortige Aufstockung der Zugleistungen auf der S2, um die Anbindung Markkleebergs zu sichern.
„Ein zusätzlicher Talent-Triebwagen würde reichen, um Markkleeberg nicht abzuhängen“, schätzt Carsten Schulze-Griesbach ein. Zudem wird ein Ersatzverkehr für die S6 im Tunnelabschnitt Messe–Hbf–Stötteritz benötigt, um den 5-Minuten-Takt im Tunnel aufrechtzuerhalten. Auch im Bereich der Fahrgastinformation fordert der Fahrgastverband PRO BAHN konkrete Maßnahmen: So sollte bei der S6 deutlich gemacht werden, dass es sich um einen Vorlaufbetrieb und nicht um eine vollwertige S-Bahn-Linie handelt.
Die Veröffentlichung der geplanten Fahrpläne und Fahrzeuggrößen durch den ZVNL sollten zeitnah erfolgen. Vorbild sind Sachsen-Anhalt und Thüringen, welche bereits zur Abstimmungsphase ein Jahr vor Inkrafttreten diese Pläne der Bevölkerung für Hinweise und Kritiken zur Verfügung stellen.
„Es darf nicht sein, dass Milliardeninvestitionen in Tunnel und Netz durch kurzfristiges Sparen bei Fahrzeugen und Fahrplänen entwertet werden“, warnt Carsten Schulze-Griesbach „Wir brauchen ein leistungsfähiges, verlässliches S-Bahn-System – keine Flickschusterei.“
Der Fahrgastverband PRO BAHN Mitteldeutschland unterstützt ausdrücklich die Petition des Bürger.Verein.Markkleeberg. e.V. gegen die geplanten Kürzungen im S-Bahn-Netz und ruft zur Unterzeichnung auf. Die Petition findet man hier.