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Der Absturz des Air India-Flugzeugs bleibt rätselhaft. Doch ein Analyst entdeckt nun in einem Video ein wichtiges Indiz, das auf die Unfallursache hinweist.

Ahmedabad – Die Ursache für den Absturz des Air India Fluges in Ahmedabad in der vergangenen Woche bleibt weiterhin unklar. Der zweite Flugschreiber der Boeing 787-8 wurde mittlerweile geborgen, die Auswertung steht aber noch aus. Bis die Analyse der Daten vorliegt, bleiben Erklärungsversuche rein spekulativ. Ein erfahrener Analyst identifiziert nun anhand eines Videos drei mögliche Theorien.

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Der Pilot Steve Schreiber, ein Spezialist für die Analyse von Flugzeugabstürzen, erklärte auf seinem YouTube-Kanal, dass ein hochauflösendes Video des Absturzes einen „Wendepunkt“ in der Untersuchung der Unfallursache darstelle. Grundsätzlich gebe es drei Theorien: Einen doppelten Triebwerksausfall, nicht korrekt gesetzte Startklappen – die sogenannten Flaps – oder ein zu frühes Einfahren dieser Startklappen. Letzteres könnte auf ein Versehen im Cockpit hindeuten, worauf auch das weiterhin ausgefahrene Fahrwerk schließen lasse. Vielleicht hatten die Piloten schlicht „den falschen Hebel betätigt“, meint der Experte.

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Bislang hielt Schreiber einen Cockpit-Fehler für die wahrscheinlichste Theorie. Doch das neue Video ermöglicht aus seiner Sicht nun eine genauere Analyse und deutet stattdessen auf einen doppelten Triebwerksausfall hin. Der Analyst begründet seine Analyse damit, dass das Flugzeug offenbar an Leistung verlor und in der Aufnahme ein „kleiner grauer Punkt“ unter dem Bauch der Maschine zu sehen war. Dies sei ein Indiz dafür, dass die sogenannte Ram Air Turbine (RAT) ausgefahren sei, so der Experte. Diese Turbine ist ein sicherheitsrelevantes Notfallsystem in Flugzeugen wie der Boeing 787, das durch den Fahrtwind angetrieben wird.

Ein Ausfahren der RAT könne bei diesem Boeing-Modell nur drei Gründe haben, so der Experte: Einen massiven elektrischen Ausfall, einen massiven hydraulischen Ausfall oder einen doppelten Triebwerksausfall. Die Turbine dient dazu, Notstrom für wichtige Systeme wie Hydraulik, Elektronik oder Steuerung zu liefern. Im neuen Video sei zudem der Ton deutlicher zu hören – und auch dies deute auf den Einsatz der Notfallturbine hin. Denn das Flugzeug klinge wie eine einmotorige Maschine, meint Schreiber. Das passe zur Annahme, dass in diesem Moment lediglich die RAT lief und beide Triebwerke bereits ausgefallen waren.

Der Ablauf des Absturzes des Passagierflugzeugs der Air India in Ahmedabad im westlichen Bundesstaat Gujarat. Der Ablauf des Absturzes des Passagierflugzeugs der Air India in Ahmedabad im westlichen Bundesstaat Gujarat. © IMAGO/Mehmet Yaren Bozgun
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Auch andere Fachleute halten einen doppelten Triebwerksausfall für möglich, wenngleich ein solches Ereignis als sehr ungewöhnlich gilt. Heinrich Großbongardt, ein Experte für Luftfahrt, erklärte der Tagesschau, alle Flugzeuge mit zwei Triebwerken seien grundsätzlich so konstruiert, dass sie selbst beim Ausfall eines Triebwerks vollständig starten können. Das weiterhin ausgefahrene Fahrwerk lässt sich aus Sicht des Luftfahrtexperten als Absturzursache ausschließen. Normalerweise kann eine Boeing 787 demnach auch mit ausgefahrenem Fahrwerk an Höhe gewinnen. In dem Absturzvideo sei klar zu erkennen, dass die Besatzung schlicht nicht die Zeit hatte, das Fahrwerk einzuziehen, so der Experte weiter.

Großbongardt räumte gegenüber der Tagesschau ein, dass der Unfall derzeit unerklärlich sei. „Dieses Unglück ist in der Form zurzeit mysteriös.“ Denn eigentlich gibt es viele Mechanismen, um einen solchen Unfall zu verhindern. Beim Start eines Flugzeugs muss etwa eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht werden. „Wenn die erreicht ist, kann das Flugzeug normalerweise sicher weiter den Start und den Steigflug fortsetzen“, so Großbongardt. Sollte dies nicht geschehen, erscheine vor Erreichen der sogenannten Referenzgeschwindigkeit V1 eine Warnung, die es ermögliche, den Start rechtzeitig abzubrechen. Von der Auswertung der beiden Flugschreiber erhoffen sich Ermittler nun weitere Erkenntnisse. Unlängst wurde auch der Stimmenrekorder geborgen, der die Gespräche im Cockpit aufzeichnet.