Die Biologin Elisabeth Kühn geht heute auf Schmetterlingssuche. Das macht sie regelmäßig. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle haben eine Strecke von 50 Metern, ein sogenanntes Transekt, das sie jede Woche abgehen. Dieses Transekt liegt in den Brandbergen, einem Naturschutzgebiet in Halle an der Saale.

Heute stehen die Zeichen schlecht: 15 Grad, Wind und Wolken, das mögen die Falter nicht so gerne. „Es sollte optimalerweise sonnig sein, über 16 Grad und nicht zu windig. Aber wir schauen mal, was fliegt“, so die Biologin.

Kühn kennt die Schmetterlingsarten, die hier vorkommen. Schon von Weitem kann sie meist erkennen, um welche es sich handelt. Dafür muss man kein Profi sein, versichert sie. Erkennungsbücher oder Apps helfen. Und nach einer Weile auf dem Transekt hat man es dann raus: „Dann kennen Sie die Arten auch, die da vorkommen. Es kommen ja nicht so viele Arten in einem Transekt vor, also hier in diesem wirklich guten Gebiet, in den Brandbergen, haben wir maximal 30 verschiedene Arten, das ist wirklich schon viel.“

Alle Falter, die Elisabeth Kühn fünf Meter links und rechts vom Weg sieht, benennt und zählt sie. Alle Informationen schreibt sie in ihr Büchlein, zusammen mit dem Wetter und dem Datum. Diese Informationen gibt sie dann später an das Tagfalter-Monitoring Deutschland weiter.

Mitmachen kann beim Monitoring jeder. Die Zählsaison geht von April bis September. Die Strecke darf man sich selbst aussuchen. Auch gibt es keine Pflicht, wie oft man sie ablaufen muss. Die Daten können online abgegeben werden, auf der Seite des Tagfalter-Monitorings.

Schmetterlinge fangen – nur mit Genehmigung

Wenn Kühn sich doch Mal bei einer Art nicht sicher ist, zückt sie ihren Kescher. Mit dem wischt sie über die Grashalme und dreht ihn so, dass der Falter nicht mehr entwischen kann. Auf die Frage, ob sie damit den Schmetterlingen schadet, lacht die Biologin.

Das sei ihre Lieblingsfrage, denn Schmetterlinge seien viel robuster, als man denkt. Trotzdem darf nicht einfach jeder die Falter mit dem Netz fangen. Dafür braucht es nämlich eine behördliche Fanggenehmigung. Die Regelungen unterscheiden sich hier je nach Bundesland.

Ist der Falter dann erst einmal im Kescher, kommt die Becherlupe zum Einsatz. Kühn erkennt eine typische Falter-Art für die halleschen Brandberge, einen Heidespanner. Der wird aber nicht mitgezählt, denn der gehört zu den 3600 Nachtfalter-Arten in Deutschland. Im Gegensatz dazu sind die 140 Tagfalterarten übersichtlicher. Deswegen beschränkt sich das Monitoring mit Hobby-Zählerinnen und -zählern auf diese Arten.

Rückgang der Schmetterlinge

Die Ergebnisse der vergangenen 20 Jahre Monitoring zeigen bei den Schmetterlingen einen Abwärtstrend. Der größte Teil der Arten nimmt ab. Dafür gibt es mehrere Gründe, darunter fehlender Lebensraum, Landwirtschaft mit Insektiziden und auch der Klimawandel, wobei manche wärmeliebenden Arten von dem auch profitieren.

Dennoch macht die zunehmende Dürre vor allem den Raupen zu schaffen. Denn die sind viel anfälliger als der filigran wirkende Schmetterling, erklärt Kühn: „Weil die viel Nahrung brauchen. Die Falter brauchen Nektar, aber nicht so in der Menge, und sie sind auch nicht so wählerisch. Die können durchaus auch verschiedene Blütenpflanzen anfliegen.“

Die Raupe kann das oftmals nicht. Es gibt viele Arten, die auf ganz spezielle Pflanzen angewiesen sind. Wenn die Pflanze vertrocknet, findet dann auch die Raupe nichts mehr zu fressen. Das betrifft dann sogar häufige Arten wie das Tagpfauenauge oder den kleinen Fuchs, die spezialisiert sind auf Brennnesseln: „Die sind trotzdem häufig, weil Brennnesseln überall vorkommen, aber gerade in diesen trockenen Sommern vertrocknen viele Brennnesseln, sodass die Arten gerade in den Niederungen, also Brandenburg oder aus der Niederrheinischen Bucht, [von dort] haben wir die Meldung, dass die da ganz weg sind, weil einfach dort die Brennnessel dort seltener wird.“

Schmetterlingsschutz heißt also Raupenschutz. Wie der aussehen kann, auch dabei sollen die Daten des Tagfalter-Monitorings helfen.

Warum Schmetterlinge gezählt werden? 

„Wir nehmen die Tagfalter beispielhaft für die große Gruppe der Fluginsekten“, sagt Biologin Kühn. Schmetterlinge sind schließlich beliebt, schön und vor allem einfach zu bestimmen. Im Gegensatz zu anderen Fluginsekten, wie Wildbienen oder Schwebfliegen. Die Daten der Falter können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann auf andere Artengruppen übertragen. Die Schmetterlinge dienen also als gute Indikatoren, wie es anderen Fluginsekten geht.

Sie sind aber auch ein Indikator dafür, wie sich die Umwelt verändert. Durch ihre oftmals sehr speziellen Ansprüche an ihre Lebensumgebung reagieren sie prompt auf Veränderungen, indem die Bestände schrumpfen oder wachsen. Schließlich haben die Falter nur wenig Zeit für ihre Fortpflanzung, bei einer Lebensdauer von ein paar Monaten bis maximal einem Jahr.

Biologin Kühn nennt als Beispiel den Aurorafalter, der früh im Jahr im März, April und Mai fliegt. Der kommt in der Tendenz mittlerweile sogar häufiger vor. Die Forschenden erklären sich das damit, dass der Falter den trockenen Sommermonaten entkommt. Ab Juni sind seine Raupen nämlich verpuppt und machen Pause. Sie schlüpfen erst im kommenden Jahr und profitieren dann von den feuchteren Frühlingen.

Langjähriges Monitoring nötig

Allerdings können Bestände von Natur aus schwanken, deswegen braucht es langjährige Beobachtungen. 20 Jahre Tagfalter-Monitoring sind eigentlich zu wenig, sagt Kühn: „Es bräuchte eigentlich noch viel mehr Daten und es ist nur ein ganz kleiner Ausschnitt.“

Außerdem ist das Monitoring auch zu spät gestartet. Als das Umweltforschungszentrum zusammen mit der Gesellschaft für Schmetterlingsschutz (GfS) 2005 das Projekt startete, waren Insekten und mit ihnen die Schmetterlinge bereits stark zurückgegangen.

„Es gibt alte Bücher vom Anfang des 20. Jahrhunderts, da werden Arten als sehr häufig beschrieben, die jetzt kaum noch vorkommen, oder auch Beschreibungen von Wolken von Schmetterlingen auf den Flächen, die wir so gar nicht mehr finden. Wir haben also auf einem niedrigen Niveau angefangen zu zählen“, so Kühn. Dennoch zählen die Schmetterlingsfreunde weiter.