Unter dem Titel „Aktuelle Sicherheitslage in NRW – weltweite Krisen und Wechselwirkungen im Extremismus/Rolle des Verfassungsschutzes und Zusammenarbeit mit der Polizei“ gab uns der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, Jürgen Kayser, Einblicke in die aktuellen Erkenntnisse des Verfassungsschutzes.
„Selbst die älteste Demokratie der Welt kann schnell gefährdet sein, wenn Justiz missachtet, die Gewaltenteilung ausgehebelt, die Freiheit der Wissenschaft angegriffen wird.“ (Steinmeier) Diese Worte bildeten den Rahmen für das zentrale Thema des Vortrags: Wie sicher ist unsere Demokratie – und welche Rolle spielen Polizei und Verfassungsschutz im Schutz demokratischer Werte?
Die Bedrohungen von innen – Extremismus in neuen Formen
Jürgen Kayser berichtete eindringlich über die zunehmenden Radikalisierungstendenzen innerhalb unserer Gesellschaft. Besonders gefährlich seien digitale Extremismus-Strategien, bei denen extremistische Akteure gezielt soziale Medien nutzen:
Islamisten ködern insbesondere junge Menschen mit vermeintlich harmlosen Freizeitangeboten und führen sie schrittweise in radikale Narrative ein. Rechtsextremisten nutzen aktuelle Anschläge, um Opfernarrative zu erzählen und neue Anhänger zu gewinnen. Die Algorithmen oder Plattformen verstärken diesen Prozess massiv – einmal im Bann, werden Nutzerinnen und Nutzer mit immer radikaleren Inhalten konfrontiert und fühlen plötzlich wieder eine Gemeinschaft.
Das digitale Umfeld – Kayser fasste die extremistische -Nachwuchsgewinnung über das Smartphone als „Radikalisierungsmaschine in der Hosentasche“ zusammen.
Die Bedrohung von außen – Einflussnahme und Cyberangriffe
Zunehmend gefährden auch äußere Akteure die Stabilität unserer Gesellschaft:
Spionage und Sabotage: Staaten wie Russland setzen auf sogenannte Low-Level-Agents, die mit kleinen, scheinbar harmlosen Aktionen – z.B. Social Media-Posts oder dem Abfotografieren von Dokumenten oder kritischer Infrastruktur – große Wirkung erzielen.
Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen (KRITIS) haben massiv zugenommen.
Desinformationenkampagnen zielen darauf ab, gesellschaftliche Spaltung zu fördern, Vertrauen in Institutionen zu untergraben und Unsicherheit zu verbreiten.
„Das sind alles Elemente einer hybriden Kriegsführung, die wir so auch zunehmend beobachten“, sagte Kayser und verdeutlichte damit die Dringlichkeit, diese Entwicklung ernst zu nehmen.
Sensibilisierung: Die Rolle von Verfassungsschutz und Polizei als demokratisches Rückgrat
Jürgen Kayser machte deutlich: Verfassungsschutz und Polizei arbeiten Hand in Hand zum Schutz der Demokratie. Während der Verfassungsschutz Informationen früh erkennt, analysiert und weitergibt, ist die Polizei als sichtbare Instanz des Staates – im Alltag der Menschen. Deshalb kommen Verfassungsschutz und Polizei gerade in diesen Zeiten eine herausragend bedeutsame Rolle zu:
- Der Verfassungsschutz bekämpft Extremismus und Terrorismus und arbeitet dabei mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen.
- Als Polizei genießen wir nach wie vor ein hohes Maß an Vertrauen – in einer Zeit, in der das Vertrauen in andere staatliche Institutionen schwindet – sozusagen das Bollwerk der Demokratie.
- In jeder alltäglichen Begegnung – ob Verkehrsunfall, Vernehmung, beim Präventionsgespräche oder bei Versammlungen – können wir Verbindung schaffen und demokratische Haltung vermitteln
- Daraus erwächst unsere Verantwortung: Wir sind das Gesicht des demokratischen Rechtsstaats.
Was kann jeder/ jede Einzelne tun?
Wir alle haben Handlungsmöglichkeiten, um unsere Demokratie zu stärken und zu schützen:
- Im Dienst: Jeden Tag mit respektvoller Haltung auftreten, zuhören erklären, deeskalieren – das stärkt Vertrauen
- In der Gesellschaft: Extremistische Aussagen und Desinformationen nicht unwidersprochen lassen – sowohl im Kollegenkreis als auch privat.
- Im Team: Demokratie beginnt im eigenen Arbeitsumfeld. Kollegialität, Kritikfähigkeit und Offenheit für Vielfalt machen uns gemeinsam resilient.
- Immer und überall: sensibel sein für Angriffe auf unsere Demokratie – auffällige Personen rund um kritische Infrastruktur ernst nehmen und melden, Beobachtungen von Bürgerinnen und Bürgern ernst nehmen und ihnen nachgehen; sensibel sein für mögliche Korruptions- und Spionageversuche in die Kollegenschaft hinein.
Was macht die Polizei Münster?
Wir als Polizei Münster wollen im täglichen Dienst das Vertrauen der Menschen in unsere Demokratie proaktiv weiter stärken, wir wollen aber auch daran arbeiten, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.
- Wir arbeiten mit Kindern und Jugendlichen in Coerde oder Geflüchteten in der ZUE. Für sie schaffen wir Angebote, wir erklären unsere Arbeit und sorgen für Perspektiven. Diese Projekte sollen nachhaltig Wirkung entfalten – durch bessere Integration und gute Perspektiven für Kinder und Jugendliche. Im besten Fall weniger Straftaten.
- Wir gehen dorthin, wo das Vertrauen vielleicht schon bröckelt: Wir sprechen aktiv Menschen an, die dem Staat ihr Vertrauen nicht schenken. Wir bauen mit der KIA Vertrauen zu allen religiösen Gemeinden auf und sind mit der queeren Community mit unseren Ansprechpersonen im Kontakt.