Achtung, das klingt jetzt etwas sperrig: Gemäß der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern obliegt die Vertretung des Gemeindeoberhaupts im Verhinderungsfall den weiteren Bürgermeistern oder -meisterinnen. Aber in München gelten bekanntlich eigene Gesetze. Weil offiziell Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und seine Ehefrau zum Empfang anlässlich des Stadtgründungsfests eingeladen hatten, übernimmt am Montagabend Petra Reiter die Vertretung ihres verhinderten Gatten. Von dem solle sie „herzlich grüßen“, richtet sie den Ehrengästen und Würdenträgern im Prunkhof des Rathauses aus. Aber ihr Mann sei drei Wochen nach einer Schulter-Operation noch krankgeschrieben.
So kommt es zum 867. Gründungstag Münchens also zu der Premiere, dass erstmals eine Frau die Gäste beim Empfang der Stadt willkommen heißt, noch dazu eine ohne Amt oder Mandat. Um der bayerischen Gemeindeordnung Genüge zu tun, spricht anschließend dann aber doch auch der Zweite Bürgermeister Dominik Krause. Er führt während Reiters Abwesenheit die Amtsgeschäfte und sorgt für ein weiteres Novum: Erstmals begrüßt ein Grüner als höchster Repräsentant der Stadt die Gäste.
Bürgermeister Dominik Krause wünscth sich angesichts des anstehenden Wahlkampfs im kommenden Jahr „bitte keine verbalen Gefechte“. (Foto: Robert Haas)
Ganz ohne Parteipolitik geht es an diesem lauschigen Abend ja nicht, auch wenn die gebürtigen Münchner Petra Reiter und Dominik Krause in erster Linie die Vorzüge ihrer Heimatstadt preisen. Die sei „zum Glück keine Megacity“, befindet Petra Reiter, sondern „eine moderne, liebenswerte Stadt“. Natürlich brauche sie Fortschritt und Wachstum, aber bei allen Veränderungen wünsche sie sich: „München soll bunt, liberal und weltoffen bleiben.“
Der Grünen-Politiker Krause widerspricht erst einmal einer Behauptung des CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder, wonach Bayern die Vorstufe zum Paradies sei: „Natürlich ist das München.“ Dennoch sieht auch er große Herausforderungen auf die Stadt zukommen. Die von der neuen Bundesregierung versprochenen Steuererleichterungen kosten die Landeshauptstadt in den kommenden Jahren Einnahmen von mehr als einer halben Milliarde Euro, weshalb Krause appellierte: „Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden zu investieren.“
Aber damit seien dann auch „genug ernste Worte“ gesprochen worden, findet Krause und leitet zum legeren Teil des Empfangs über. Denn im bunt illuminierten Prunkhof des Rathauses wird ordentlich aufgefahren – in Form eines sogenannten Flying Buffets. Und ebenso orange, wie das neugotische Gemäuer leuchtet, schillern die Aperol-Spritz-Gläser, die durch die Menge der Ehrengäste auf großen Tabletts getragen werden.
Eingeladen werden da beispielsweise aktive und ehemalige Stadträtinnen, Referenten, Amtsinhaberinnen und Politiker jedweder Couleur und Stimmungslage. Als „Ehemaliger“ tauscht beispielsweise Hep Monatzeder, einst Grünen-Bürgermeister und danach Landtagsabgeordneter, Reiseerlebnisse mit Hildegard Kronawitter aus. Diese ist die Witwe des früheren SPD-Oberbürgermeister Georg Kronawitter, sie war Landtagsabgeordnete und leitet jetzt die Weiße-Rose-Stiftung.
Waren gemeinsam mit einem Bus voller ehemaliger Landtagsabgeordneter unterwegs: Hildegard Kronawitter und Hep Monatzeder. (Foto: Robert Haas)
Gemeinsame Reiseerlebnisse von Kronawitter und Monatzeder? Ja, denn das muss man wissen: Regelmäßig macht sich ein Bus voller ehemaliger Landtagsabgeordneter von München aus auf zu illustren Reisen. Diesmal ging es Richtung Osten, nach Quedlinburg, Halle, Bitterfeld – und eine Bauhaus-Führung gab es dann auch. Zu den politischen Gesprächen solle sich ja immer auch die Kultur gesellen.
Gäste beim Stehempfang zum Stadtgründungstag: Günther Sigl von der Spider Murphy Gang mit seiner Frau Doris. (Foto: Robert Haas)
Auch beim Rathaus-Empfang ist die Kultur gut vertreten: Durch Günther Sigl von der Spider Murphy Gang etwa, oder den Theatermacher Alexeij Sagerer und die Künstlerin Anja Uhlig, die ein ehemaliges Klohäuschen an der Großmarkthalle beseelt hat.
OB-Ehefrau und Gastgeberin Petra Reiter (links) mit der Vorsitzenden des Bayerischen Ethikrats Susanne Breit-Keßler. (Foto: Robert Haas)
An den Tischen kommen sich viele nahe, die das einlösen, was Petra Reiter zuvor gefordert hatte: „mehr positive Energie!“. Münchens Polizeipräsident Thomas Hampel etwa, der im Gespräch mit den CSD-Organisatoren bei Erdbeermousse die Sicherheitslage erörtert. City-Manager Wolfgang Fischer bespricht die Lage mit Hotel-Chefin Innegrit Volkhardt vom Bayerischen Hof, die ehemalige Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler parliert mit dem Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Hans-Joachim Heßler, und, und, und.
Es werden neue Freundschaften geschlossen, Zukunftspläne geschmiedet und Clemens Baumgärtner, OB-Kandidat der CSU und ehemaliger Wirtschaftsreferent, kann sein Glück nicht fassen: „Das ist wie Tinder hier. Ein Speed-Dating für die Politik. Was bei solchen Veranstaltungen an Themen zusammenkommt, ist fantastisch.“