Öffentliche Gelöbnisse hat es in Hamburg seit Jahrzehnten nicht gegeben – doch mit der Premiere des Veteranentags ändert sich auch das. Den eigentlichen Grund nennt Verteidigungsminister Boris Pistorius aber in seiner Rede an die Soldaten.
In den vergangenen Jahrzehnten war der Hamburger Rathausmarkt Schauplatz von Konzerten, weinseligen Volksfesten oder einem Weihnachtsmarkt, auch der Aufstieg der HSV-Profiteams in die Fußballbundesliga wurde hier gerade erst bejubelt – ein Ort der bunten Zivilgesellschaft unter den Fenstern der Hamburger Politik. An diesem Sonntag aber bot sich ein anderes Bild, als mehr als 400 Soldatinnen und Soldaten hier aufzogen, um zum Leutnant oder zum Leutnant zur See befördert zu werden. Die Welt und ihre Sicherheitslage hat sich verändert, das war an diesem gewittrigen Sonntagmittag beinahe körperlich zu spüren. Und das spiegelte sich auch in der Ansprache von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wider.
Er sprach direkt in Richtung der Soldaten, die an der Universität der Bundeswehr – benannt nach Ex-Kanzler Helmut Schmidt – ausgebildet werden und nun einen wichtigen Karriereschritt gehen sollten. Darunter auch einige französischen Soldaten, die hier einen Teil ihrer Schulungen erhalten. Pistorius bettete diesen zugleich formalen wie feierlichen Akt in die Weltlage ein – schließlich hatten die Soldaten ihre Laufbahn erst nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine begonnen, mithin im Bewusstsein der vom damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz als „Zeitenwende“ beschriebenen Umwälzungen. „Wir müssen feststellen, das europäische von Freiheit, Demokratie und Wohlstand in Frieden ist gefährdet. Putins Truppen attackieren in diesen Tagen Menschen, Städte und Infrastruktur so wie selten zuvor seit Kriegsbeginn. Ich bin davon überzeugt, zurzeit jedenfalls will Putin keinen Frieden. Im Gegenteil, Russland baut seine Streitkräfte weiter auf und aus.“
Man müsse deswegen damit rechnen, dass Putin in den kommenden Jahren willens und fähig ist, auch Nato-Gebiet anzugreifen. Gleichzeitig stehe Deutschland vor großen bündnispolitischen Herausforderungen. „Die Sicherheit Deutschlands liegt in unseren Händen, und Deutschland übernimmt mehr Verantwortung.“ Und direkt an die Soldaten gerichtet fügte Pistorius hinzu: „Ihre Ernennung zum Offizier erfolgt in einer Zeit, in der Deutschland seine Sicherheit nicht mehr wegdelegieren kann. In einer Zeit, in der militärische Abschreckung kein abstraktes historisches Konzept mehr ist.“ Deswegen brauche das Land einsatzfähige Streitkräfte, „und dafür brauchen wir Sie.“ Die Bundeswehr werde in den kommenden Jahren besser aufgestellt und ihre Aufgabe werde „wieder, muss man leider sagen, die zeitgemäße Landes- und Bündnisverteidigung sein.“
Auch auf die Bedeutung des ersten Veteranentags ging Pistorius – ebenso wie sein Vorredner, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) – ein. Die Angehörigen der Bundeswehr würden in die Mitte der Gesellschaft gehören, als Staatsbürger in Uniform, „sichtbar, präsent und getragen von der Gesellschaft.“ An diesem 15. Juni – mit mehr als 100 Veranstaltungen bundesweit – werde auch in Zukunft die Wertschätzung der Gesellschaft für die Bundeswehr sichtbar. Am Veteranentag verbinde man „Vergangenheit und Zukunft, Tradition und Aufbruch“.
Die Hamburger Polizei hatte den Veranstaltungsort großräumig abgesperrt, den Rathausmarkt erreichten nur geladene Gäste, darunter viele Angehörige der Soldatinnen und Soldaten. An einigen der Absperrungen versammelten sich kleinere Demonstrationen, die vor allem aus der linken Szene heraus angemeldet worden waren.
Der Bundestag hatte vor gut einem Jahr beschlossen, den 15. Juni als offiziellen Gedenktag für Angehörige und ehemalige Angehörige der Bundeswehr einzuführen. Veteran ist, wer in der Bundeswehr dient oder gedient hat und nicht unehrenhaft entlassen wurde. Dies betrifft nach Angaben des Hamburger Senats rund zehn Millionen Menschen in Deutschland.