Nachdem am Montag bekannt wurde, dass das Regenbogen-Netzwerk des Bundestages nicht mit einer Fußgruppe an der CSD-Demo in Berlin teilnehmen darf, gibt es scharfe Kritik an der Entscheidung.

So meldete sich unter anderem Sophie Koch, die Queerbeauftragte der Bundesregierung, zu Wort: „Es ist ein gutes Zeichen, dass sehr viele Mitarbeitenden-Netzwerke von Unternehmen, Organisationen und auch Behörden selbstbestimmt und selbstorganisiert an CSDs teilnehmen und damit für unser aller Werte demonstrieren. Das unterstütze ich ausdrücklich“, schrieb die sächsische SPD-Politikerin auf Tagesspiegel-Anfrage.

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„Wenn die Teilnahme solcher Mitarbeitenden-Netzwerke untersagt oder erschwert wird, halte ich das für ein falsches und unnötiges Signal – gerade in der jetzigen Zeit.“ Für die Zukunft wünsche sie sich, dass alle Beteiligten vor solchen Entscheidungen miteinander in den Dialog treten würden.

„In Zeiten, in denen CSD Demonstrationen abgesagt oder Vielfaltsfeste angegriffen werden, braucht es große Solidarität und sichtbare Unterstützung“, so Koch weiter.

Die Entscheidung der Bundestagsspitze sei „ein politisches und moralisches Versagen auf ganzer Linie“, schrieben Linken-Abgeordnete an Parlamentspräsidentin Julia Klöckner (CDU). Die Grünen forderten in einem eigenen Brief an Klöckner, Flagge zu zeigen „für Freiheit und Sicherheit von queeren Menschen“.

Verdi-Chef Frank Werneke sagte der dpa: „Es ist unverständlich, absolut nicht zu akzeptieren und ein gesellschaftspolitischer Rückschritt, dass die Bundestagsverwaltung ihren Beschäftigten eine sichtbare Teilnahme am Berliner CSD und das Hissen der Regenbogenflagge am Bundestagsgebäude wegen einer vermeintlich gewünschten politischen Neutralität untersagt hat.“ Das sei ein „Einknicken vor rechten Tendenzen“. Die Gewerkschaft erwarte, dass die Behördenleitung das „de facto-Demonstrationsverbot“ zurücknehme.

Das Regenbogen-Netzwerk des Bundestags hatte sich wie berichtet für den CSD in Berlin angemeldet, musste diese Anmeldung auf „Weisung der Verwaltungsspitze“ dann aber zurückziehen. Der Bundestag bestätigte das Verbot auf Tagesspiegel-Anfrage.

„Der Direktor beim Deutschen Bundestag hat die Entscheidung getroffen, dass die Bundestagsverwaltung als solche, insbesondere aufgrund der gebotenen Neutralitätspflicht, nicht an politischen Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen teilnimmt“, sagte eine Sprecherin. Privat dürften die Mitarbeitenden teilnehmen.

Sophie Koch wies in ihrem Statement darauf hin, dass das deutsche Grundgesetz für Vielfalt und Respekt steht. Ein CSD „ist eine Demonstration für Vielfalt und Respekt. Er ist eine Demonstration für die Werte unserer Verfassung“.

Sophie Koch ist auch SPD-Landtagsabgeordnete in Sachsen.

© dpa/Sebastian Willnow

In ihren getrennten Briefen an Klöckner wiesen die Abgeordneten von Linken und Grünen darauf hin, dass queere Menschen unter wachsendem Druck stünden. Beide nannten den Angriff von Vermummten auf ein Fest für Demokratie und Vielfalt im brandenburgischen Bad Freienwalde am Wochenende. Dies sei bei weitem kein Einzelfall, schrieben die Grünen. Am Dienstag wurde zudem bekannt, dass der CSD in Regensburg wegen einer „abstrakten Gefährdungslage“ anders stattfindet als zunächst geplant. „Es gab ein Drohschreiben“, sagte CSD-Organisator Alexander Irmisch der dpa.

Im offenen Brief der Grünen an Klöckner heißt es, in einer Zeit der Zunahme von Hass und Hetze gegenüber sexuellen Minderheiten stärkten die Teilnahme an Veranstaltungen wie dem CSD und das Hissen der Regenbogenflagge an öffentlichen Gebäuden das Bekenntnis zu Vielfalt, Toleranz und Grundrechten. Sie forderten Klöckner auf, auch am CSD die Regenbogenfahne am Reichstagsgebäude hissen zu lassen. 

Im Mai hatte für Aufsehen gesorgt, dass Klöckner die Regenbogenfarben künftig nur noch zum Internationalen Tag gegen Homophobie (17. Mai) aufziehen lassen will und nicht mehr zum Berliner CSD. 2022 war die Regenbogenflagge erstmals auf dem Bundestag gehisst worden. 

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Der Berliner Christopher Street Day ist dieses Jahr für den 26. Juli geplant. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte seine Teilnahme ausdrücklich zu. „Berlin ist die Stadt der Vielfalt und der Toleranz“, sagte Senatssprecherin Christine Richter. „Der CSD ist eine sehr bedeutsame Veranstaltung in Berlin. Der Regierende Bürgermeister wird wie in den vergangenen Jahren auch am CSD teilnehmen.“ In Berlin werde die Regenbogenfahne regelmäßig gehisst, sagte Richter. „Auch am Roten Rathaus, auch in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters.“

Der CSD wird im Sommer in vielen Städten begangen. Er erinnert vom Namen her an Aufstände der queeren Community in der Christopher Street in New York von 1969. Er steht für die Gleichstellung queerer Menschen. (mit dpa)