Brüssel will sich von Trumps angezetteltem Handelskrieg nicht ins Bockshorn jagen lassen. Die EU übt Druck auf die Tech-Milliardäre im Umfeld des US-Präsidenten aus. Neben Strafzahlungen müssen Konzerne wie X, Meta oder Apple vielleicht bald mit Steuern rechnen.

Die Europäische Union ärgert mit ihren Regeln die Chefs der US-Tech-Konzerne. Gegen die Plattform X von Elon Musk etwa ermittelt die EU-Kommission bereits seit vergangenem Jahr. X verstößt aus ihrer Sicht möglicherweise gegen den Digital Services Act (DSA)- und damit gegen die Vorschriften zur Eindämmung von Hassrede und Desinformation.

Neben dem von Mark Zuckerberg gegründeten Meta-Konzern muss auch Apple-Chef Tim Cook in den kommenden Tagen saftige Geldbußen fürchten. Denn Meta und Apple stehen im Verdacht, die Regeln des Digital Markets Act (DMA), also das digitale Kartellrecht der EU, zu verletzen. Für Aufruhr in den US-Chefetagen dürften auch die neuen Forderungen aus Brüssel sorgen: Mehrere Mitgliedstaaten und Fraktionen des EU-Parlaments pochen auf Abgaben für Digitalkonzerne.

Die Idee dahinter: Der Druck auf die Tech-Milliardäre in den Vereinigten Staaten erhöht die Chance, dass sie US-Präsident Donald Trump von einer weiteren Eskalation im Handelskrieg abbringen. Zumindest Musk wurde in den vergangenen Tagen nervös. Laut einem Medienbericht versuchte er am Wochenende, Trump ins Gewissen zu reden, damit der seine Zölle zurücknimmt. In einer Video-Botschaft forderte Musk eine „Null-Zoll-Situation“ mit dem Ziel, „eine Freihandelszone zwischen Europa und Nordamerika zu schaffen“.

Trump schlug alle Verhandlungsangebote bislang aus

Zum einen hat Musk dabei wohl die abflauende Konjunktur vor Augen, die den Absatz seines Autokonzerns Tesla weiter verringert. Zum anderen könnte er daran gedacht haben, wie stark Brüssel jetzt die US-Tech-Konzerne ins Visier nimmt. Vorerst kann Musk nicht darauf hoffen, durch seine Beschwichtigungsversuche im Zollstreit die Gnade der EU zu erwirken, wenn es um das DSA-Verfahren gegen X geht. „Eine Strafe, die auf Basis des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) oder auf Basis des Gesetzes über digitale Märkte (DMA) ergeht, kann nicht durch ein Freihandelsabkommen entfallen. In keinem Fall“, sagt Andreas Schwab, Mitglied der konservativen EVP-Fraktion sowie des Binnenmarkt-Ausschusses, gegenüber ntv.de.

Dass nun die Debatte über Steuern für Digitalkonzerne hochkocht, zeigt, wie ernst es die EU meint. Noch kurz nach Trumps Amtsantritt kursierte in Brüssel das Stichwort „Zuckerbrot und Peitsche“, wenn es um den Umgang mit dem neuen US-Präsidenten ging. Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, eher die Peitsche schwingen zu müssen – da Trump Zölle von 20 Prozent auf den Import aller EU-Waren ankündigte, nachdem er bereits Abgaben für Einfuhren von Autos, Aluminium und Stahl eingeführt hatte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte immer wieder ihre Verhandlungsbereitschaft. Trump wies bislang allerdings alle ihre Vorschläge zurück; darunter das Angebot, die Zölle für Industriegüter beidseitig auf Null zu setzen.

Nicht nur die Konservativen, Sozialdemokraten und Grünen im EU-Parlament sprechen sich dafür aus, die US-Digitalbranche jetzt zur Kasse zu bitten – in Form von Steuern oder Lizenzgebühren. Auch im Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs pochen unter anderem Deutschland und Frankreich darauf, entsprechende Maßnahmen zu prüfen. Aber noch sind nicht alle Mitgliedstaaten überzeugt. Zu den schärfsten Kritikern von Abgaben gehören Irland und Luxemburg, die Unternehmen mit niedrigen Steuern ins Land locken.

Digitalsteuer kann „zweistellige Milliardensumme in EU-Haushalt spülen“

Dabei haben die Befürworter gute Argumente. Denn Trump beklagt ausschließlich das Handelsbilanzdefizit der USA mit der EU, wenn es um den Warenverkehr geht. Dieses Defizit belief sich nach Angaben der EU-Kommission 2023 auf 150 Milliarden Euro. Die Vereinigten Staaten importieren also mehr Produkte aus der EU als sie nach Europa exportieren. Aber bei digitalen Dienstleistungen sieht es ganz anders aus: Durch das Geschäft der Tech-Konzerne wurden 2023 laut der Statistikbehörde Eurostat 110 Milliarden Euro mehr aus der EU nach Amerika überwiesen als umgekehrt. Hier besteht also ein Handelsbilanzüberschuss zugunsten der Vereinigten Staaten. Eine Digitalsteuer würde einen Beitrag zum Ausgleich schaffen; zudem würde Brüssel Trump mit dessen eigenen Argumenten schlagen.

„Eine EU-weite Steuer auf digitale Dienstleistungen könnte jährlich eine zweistellige Milliardensumme in den EU-Haushalt spülen“, sagt Anna Cavazzini, die grüne Vorsitzende des Binnenmarkt-Ausschusses im EU-Parlament, ntv.de. Durch die neuen Mittel könnte die EU nicht nur gezielt Industriesektoren unterstützen, die unter Trumps Zollkeule besonders litten. Sie könnte auch die Investitionslücke auf dem Binnenmarkt schmälern. „Eine Digitalsteuer ist somit mehr als eine mögliche Vergeltungsmaßnahme gegen den Trump-Irrsinn“, sagt Cavazzini. Im Übrigen würde die Abgabe auch für europäische Tech-Unternehmen fällig – und sei somit keine Diskriminierung ausländischer Unternehmen.

Ähnlich sieht es Katarina Barley, Vize-Präsidentin des Europaparlaments. „Angesichts der Zollentscheidung der Trump-Regierung müssen wir als Europäische Union entschlossen und gemeinsam handeln“, sagt die SPD-Politikerin ntv.de. Eine EU-weite Digitalsteuer wäre eine klare Antwort auf die Zölle, die den internationalen Handel und die Wirtschaft belasten. Sie würde außerdem endlich erreichen, dass Tech-Giganten fair zum Steueraufkommen beitragen, so Barley.

EU könnte US-Tech-Konzerne von Aufträgen ausschließen

Kommt es zur absoluten Eskalation im Handelskrieg mit Trump, könnte die EU noch zu härteren Maßnahmen als der Besteuerung greifen. Denkbar wäre theoretisch, US-Internetriesen von öffentlichen Aufträgen auszuschließen oder Patentrechte einzuschränken. Möglich macht dies das sogenannte „Instrument zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen“. Eingesetzt werden kann es nach Angaben der Kommission, falls ein Staat auf die EU „wirtschaftlichen Zwang“ ausübt und damit droht, „die Europäische Union oder einen Mitgliedstaat zu einer bestimmten Entscheidung zu bewegen“. Das ist mit Blick auf Trumps Zollpolitik und seine Drohungen sicherlich der Fall.

Allerdings wird das Instrument in Brüssel nicht umsonst „Handelsbazooka“ genannt – die Schlagkraft ist enorm, die Folgen sind unabsehbar. Der CDU-Politiker Schwab mahnt deshalb zur Vorsicht: „Dieses Instrument hilft momentan nicht beim Umgang mit den USA. Es ist eigentlich für Situationen gedacht, in denen sich Handelsstreitigkeiten bereits über Jahre aufgebaut haben.“ Zudem sei die Kommission bei einem Einsatz strengen Nachweispflichten unterworfen. Sie mache sich angreifbar, falls sie ihnen nicht nachkommen könne.

Auch warnt Schwab davor, eine pauschale Digitalsteuer einzuführen. Denn Branchenverbände schlagen bereits Alarm. Bitkom befürchtet etwa, dass „die Zeche Unternehmen, Verwaltungen und Bürgerinnen und Bürger zahlen“. Diese seien bei Standard-Software und Cloud-Lösungen auf US-Anbieter angewiesen. Schwab plädiert daher für eine Zugangsgebühr zu den europäischen Telekom-Netzen in Form einer „EU-Transportabgabe für Daten“. Schwer belasten würde dies vor allem die kostenlosen Dienste von Meta – wie Instagram und Facebook – sowie Google, weil sie am Markt keine Gebühren für die Verbraucher durchsetzen könnten. „Für Amazon könnte es bedeuten, dass die Preise etwas ansteigen“, sagt Schwab. „Bei Microsoft und Apple wären die Kosten voll durchsetzbar, was bedeutet: da würden die Verbraucher draufzahlen.“